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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
in sorgfalt GOttes nahmen nicht zu entheiligen oder zu mißbrauchen/ in lie-
be seiner gemeinde und dero seligkeit/ in verleugnung seiner selbst und alles
des seinigen/ und wie ers jedesmal göttlichen willen gemäß erkennet: es ist
ihm ein rechter ernst/ und kans jeder mercken/ der ihn höret: er ändert nichts
noch setzet zu oder lässet aus/ um sein selbs oder eines menschen willen: er thut
auch selbs nach seiner lehr/ daß die leute drauß sehen/ es seye ihm ein ernst/
und er glaube auch selbs/ was er saget/ da sonst/ wo die leut das gegentheil
sehen/ sie in starcken zweiffel gerathen/ ob der prediger auch etwas glaube/ in-
dem er sonsten was er sagt/ auch thun würde/ welches die erbauung so sehr
niederschlägt/ als das gute exempel dieselbe befordert.
Es hat auch der fromme prediger vor dem gottlosen diesen vorzug/ daß
da dieser nicht beten kan/ immer mit seinem gebet zu seiner arbeit so viel meh-
rern segen erlanget. Welches keiner leugnen wird/ der da glaubet/ daß das
gebet eines gerechten vor GOtt von grosser krafft ist. Von diesem unter-
scheid handelt abermal Luth. Tom. 6. Alt. f. 1390. a. darzu ich noch setzen mag
die allgemeine verheissung der gerechten Ps. 1, 3 daß was sie machen/ wol gera-
the/ und also segen von dem HErrn habe: den hingegen ein gottloser bey sich
hindert. Wie D. Geyer über gedachten Ps. 1/ 3. fein diesen usum heraus zeucht:
successus actionum felix, fructus est sincerae pietatis.
9. Alles dieses fasset Sirach fein zusammen c. 15/ 9. 10. ein gottloser kan
nichts rechts lehren/ denn es kömmt nicht von GOtt. Denn zu rechter leh-
re gehöret die weißheit/ so gibt GOtt gnad darzu.
10. Hieraus hoffe zu erhellen/ wie die gantze materie zu fassen seye. Der
HErr aber gebe mehr und mehr gnade/ daß es der frage nicht mehr bedörffe/
sondern seine gemeinden lauter gottselige prediger haben und bekommen/ von
den gottlosen aber auff ihm bekante art also befreyet werden/ daß sein wort je
länger je mit mehrerer krafft und segen getrieben werde/ biß dessen liecht und
früchte die gantze welt erfüllen um Christi willen. Amen.
SECTIO XXVII.
Von der grossen und kleinen buß: auch Englischer
erscheinung und gebet dagegen.

WAs anlangt den unterscheid der grossen und kleinen buß: So
bemercke davon folgendes. 1. Die sache selbst betreffend/ ists eine di-
stinction,
so in der wahrheit gegründet ist: denn sich eine busse befin-
det/ die mit der andern nicht einer absonderlichen art ist/ und doch findet sich
die gemeine art in beyden: so sinds also zwey species eines generis. Sie
kommen beyde überein insgemein/ daß sie in reu und leid/ so dann in glauben

beste-
Das erſte Capitel.
in ſorgfalt GOttes nahmen nicht zu entheiligen oder zu mißbrauchen/ in lie-
be ſeiner gemeinde und dero ſeligkeit/ in verleugnung ſeiner ſelbſt und alles
des ſeinigen/ und wie ers jedesmal goͤttlichen willen gemaͤß erkennet: es iſt
ihm ein rechter ernſt/ und kans jeder mercken/ der ihn hoͤret: er aͤndert nichts
noch ſetzet zu oder laͤſſet aus/ um ſein ſelbs oder eines menſchen willen: er thut
auch ſelbs nach ſeiner lehr/ daß die leute drauß ſehen/ es ſeye ihm ein ernſt/
und er glaube auch ſelbs/ was er ſaget/ da ſonſt/ wo die leut das gegentheil
ſehen/ ſie in ſtarcken zweiffel gerathen/ ob der prediger auch etwas glaube/ in-
dem er ſonſten was er ſagt/ auch thun wuͤrde/ welches die erbauung ſo ſehr
niederſchlaͤgt/ als das gute exempel dieſelbe befordert.
Es hat auch der fromme prediger vor dem gottloſen dieſen vorzug/ daß
da dieſer nicht beten kan/ immer mit ſeinem gebet zu ſeiner arbeit ſo viel meh-
rern ſegen erlanget. Welches keiner leugnen wird/ der da glaubet/ daß das
gebet eines gerechten vor GOtt von groſſer krafft iſt. Von dieſem unter-
ſcheid handelt abermal Luth. Tom. 6. Alt. f. 1390. a. darzu ich noch ſetzen mag
die allgemeine verheiſſung der gerechten Pſ. 1, 3 daß was ſie machen/ wol gera-
the/ und alſo ſegen von dem HErrn habe: den hingegen ein gottloſer bey ſich
hindert. Wie D. Geyer uͤber gedachten Pſ. 1/ 3. fein dieſen uſum heraus zeucht:
ſucceſſus actionum felix, fructus eſt ſinceræ pietatis.
9. Alles dieſes faſſet Sirach fein zuſammen c. 15/ 9. 10. ein gottloſer kan
nichts rechts lehren/ denn es koͤmmt nicht von GOtt. Denn zu rechter leh-
re gehoͤret die weißheit/ ſo gibt GOtt gnad darzu.
10. Hieraus hoffe zu erhellen/ wie die gantze materie zu faſſen ſeye. Der
HErr aber gebe mehr und mehr gnade/ daß es der frage nicht mehr bedoͤrffe/
ſondern ſeine gemeinden lauter gottſelige prediger haben und bekommen/ von
den gottloſen aber auff ihm bekante art alſo befreyet werden/ daß ſein wort je
laͤnger je mit mehrerer krafft und ſegen getrieben werde/ biß deſſen liecht und
fruͤchte die gantze welt erfuͤllen um Chriſti willen. Amen.
SECTIO XXVII.
Von der groſſen und kleinen buß: auch Engliſcher
erſcheinung und gebet dagegen.

WAs anlangt den unterſcheid der groſſen und kleinen buß: So
bemercke davon folgendes. 1. Die ſache ſelbſt betreffend/ iſts eine di-
ſtinction,
ſo in der wahrheit gegruͤndet iſt: denn ſich eine buſſe befin-
det/ die mit der andern nicht einer abſonderlichen art iſt/ und doch findet ſich
die gemeine art in beyden: ſo ſinds alſo zwey ſpecies eines generis. Sie
kommen beyde uͤberein insgemein/ daß ſie in reu und leid/ ſo dann in glauben

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[176/0192] Das erſte Capitel. in ſorgfalt GOttes nahmen nicht zu entheiligen oder zu mißbrauchen/ in lie- be ſeiner gemeinde und dero ſeligkeit/ in verleugnung ſeiner ſelbſt und alles des ſeinigen/ und wie ers jedesmal goͤttlichen willen gemaͤß erkennet: es iſt ihm ein rechter ernſt/ und kans jeder mercken/ der ihn hoͤret: er aͤndert nichts noch ſetzet zu oder laͤſſet aus/ um ſein ſelbs oder eines menſchen willen: er thut auch ſelbs nach ſeiner lehr/ daß die leute drauß ſehen/ es ſeye ihm ein ernſt/ und er glaube auch ſelbs/ was er ſaget/ da ſonſt/ wo die leut das gegentheil ſehen/ ſie in ſtarcken zweiffel gerathen/ ob der prediger auch etwas glaube/ in- dem er ſonſten was er ſagt/ auch thun wuͤrde/ welches die erbauung ſo ſehr niederſchlaͤgt/ als das gute exempel dieſelbe befordert. Es hat auch der fromme prediger vor dem gottloſen dieſen vorzug/ daß da dieſer nicht beten kan/ immer mit ſeinem gebet zu ſeiner arbeit ſo viel meh- rern ſegen erlanget. Welches keiner leugnen wird/ der da glaubet/ daß das gebet eines gerechten vor GOtt von groſſer krafft iſt. Von dieſem unter- ſcheid handelt abermal Luth. Tom. 6. Alt. f. 1390. a. darzu ich noch ſetzen mag die allgemeine verheiſſung der gerechten Pſ. 1, 3 daß was ſie machen/ wol gera- the/ und alſo ſegen von dem HErrn habe: den hingegen ein gottloſer bey ſich hindert. Wie D. Geyer uͤber gedachten Pſ. 1/ 3. fein dieſen uſum heraus zeucht: ſucceſſus actionum felix, fructus eſt ſinceræ pietatis. 9. Alles dieſes faſſet Sirach fein zuſammen c. 15/ 9. 10. ein gottloſer kan nichts rechts lehren/ denn es koͤmmt nicht von GOtt. Denn zu rechter leh- re gehoͤret die weißheit/ ſo gibt GOtt gnad darzu. 10. Hieraus hoffe zu erhellen/ wie die gantze materie zu faſſen ſeye. Der HErr aber gebe mehr und mehr gnade/ daß es der frage nicht mehr bedoͤrffe/ ſondern ſeine gemeinden lauter gottſelige prediger haben und bekommen/ von den gottloſen aber auff ihm bekante art alſo befreyet werden/ daß ſein wort je laͤnger je mit mehrerer krafft und ſegen getrieben werde/ biß deſſen liecht und fruͤchte die gantze welt erfuͤllen um Chriſti willen. Amen. SECTIO XXVII. Von der groſſen und kleinen buß: auch Engliſcher erſcheinung und gebet dagegen. WAs anlangt den unterſcheid der groſſen und kleinen buß: So bemercke davon folgendes. 1. Die ſache ſelbſt betreffend/ iſts eine di- ſtinction, ſo in der wahrheit gegruͤndet iſt: denn ſich eine buſſe befin- det/ die mit der andern nicht einer abſonderlichen art iſt/ und doch findet ſich die gemeine art in beyden: ſo ſinds alſo zwey ſpecies eines generis. Sie kommen beyde uͤberein insgemein/ daß ſie in reu und leid/ ſo dann in glauben beſte-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/192>, abgerufen am 28.03.2024.