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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
viel an ihm gelegen ist/ ob wol die widerstreber hindern/ daß dessen wirckli-
cher glantz niemals in sie gekommen/ sondern sie gleichsam nur eusserlich ange-
schienen hat. Also Rom. 2/ 4. heissets/ göttliche langmuth und güte leite
zur busse. Dieses ist der göttliche rath und wille/ daß er die sünder zur
busse leitet/ und also an seiner seite nichts ermangeln lässet/ ob
wohl nicht viele wircklich dazu kommen/ ja in vielen nicht der wenig-
ste anfang zur busse gemacht wird/ weil sie auch die erste wirckung bereits in
sich hinderen. Also sagt Paulus 1. Cor. 10/ 33. panta pasin aresko. Er
gefalle allen in allen.
Da unser Lutherus es fein gibet/ ich mache mich al-
len gefällig/
nemlich so viel an mir ist. Jndessen war er den meisten in der that
noch mißfällig: Da nicht ein anfang des gefallens geschehen war/ welches a-
ber die rede des Apostels nicht falsch machet. Weswegen auch von solcher
Phrasi der fleißige D. Glassius einen canonem machet Philol. sacr. Lib. 3. 3.
can. 8. p.
249. 250. Die tausend jahr aus Apocalypsi c. 20. anlangend/ sind
sie mir ein mysterium so ich noch nicht begreiffe. Eine leibliche aufferste-
hung der märtyrer achte ich nicht daraus erweißlich/ noch mit übriger schrifft
einstimmend: Was aber eigentlich gemeinet/ wird der HErr noch zeigen.
daß sonsten 1000 jahr bereits der satan solle gebunden gewesen seyen/ kom-
met mir nicht glaublich vor/ obwohl die meiste auslegungen es asseriren; ich
lasse also den eventum den ausschlag geben/ da der HErr seiner kirchen noch
einigen ruhestand zu geben/ und sein Reich treflich zu erweitern versprochen
hat/ so aus andern orten zu sehen/ ob solches auch damit gemeinet werde oder
nicht. 1685.

SECTIO XLII.
Von bekehrung der Juden Rom. XI. und mehre-
rem fall Babels.

JCh bedancke mich freundlich vor die wolmeinende communication der
über einige puncta meiner piorum desideriorum habender gedancken.
Wie mir dann ein sonderbares gefallen damit geschihet. Dann weil ich
nicht das meinige sondern was göttlicher wahrheit in allem gemäß seye/ so
wol selbs zu erkennen/ als andere dazu zu leiten/ suche: so höre gern/ was je-
mand an mir oder meinen gedancken mangel hat: bereit/ wo ich einer irrung
überführet würde/ so bald darinn zu weichen. Dann wir vermögen nichts wi-
der die wahrheit. Was sonsten die sache selbs anlanget/ bekenne/ daß die ange-
führte objectiones mir meine meinung nicht nehmen/ noch scheinen so viel
auszurichten. Daher will nicht zweiffeln/ mein großgünst. hochgeehrt. Hr.
mir solche freyheit nicht ungern geben werde/ mit wenigem dieselbe zu be-
trachten. So ist nun die objection vornemlich diese/ daß der Apostel Rom. 11/

nicht

Das erſte Capitel.
viel an ihm gelegen iſt/ ob wol die widerſtreber hindern/ daß deſſen wirckli-
cher glantz niemals in ſie gekommen/ ſondern ſie gleichſam nur euſſerlich ange-
ſchienen hat. Alſo Rom. 2/ 4. heiſſets/ goͤttliche langmuth und guͤte leite
zur buſſe. Dieſes iſt der goͤttliche rath und wille/ daß er die ſuͤnder zur
buſſe leitet/ und alſo an ſeiner ſeite nichts ermangeln laͤſſet/ ob
wohl nicht viele wircklich dazu kommen/ ja in vielen nicht der wenig-
ſte anfang zur buſſe gemacht wird/ weil ſie auch die erſte wirckung bereits in
ſich hinderen. Alſo ſagt Paulus 1. Cor. 10/ 33. πάντα πᾶσιν ἀρέσκω. Er
gefalle allen in allen.
Da unſer Lutherus es fein gibet/ ich mache mich al-
len gefaͤllig/
nemlich ſo viel an mir iſt. Jndeſſen waꝛ er den meiſten in der that
noch mißfaͤllig: Da nicht ein anfang des gefallens geſchehen war/ welches a-
ber die rede des Apoſtels nicht falſch machet. Weswegen auch von ſolcher
Phraſi der fleißige D. Glaſſius einen canonem machet Philol. ſacr. Lib. 3. 3.
can. 8. p.
249. 250. Die tauſend jahr aus Apocalypſi c. 20. anlangend/ ſind
ſie mir ein myſterium ſo ich noch nicht begreiffe. Eine leibliche aufferſte-
hung der maͤrtyrer achte ich nicht daraus erweißlich/ noch mit uͤbriger ſchrifft
einſtimmend: Was aber eigentlich gemeinet/ wird der HErr noch zeigen.
daß ſonſten 1000 jahr bereits der ſatan ſolle gebunden geweſen ſeyen/ kom-
met mir nicht glaublich vor/ obwohl die meiſte auslegungen es aſſeriren; ich
laſſe alſo den eventum den ausſchlag geben/ da der HErr ſeiner kirchen noch
einigen ruheſtand zu geben/ und ſein Reich treflich zu erweitern verſprochen
hat/ ſo aus andern orten zu ſehen/ ob ſolches auch damit gemeinet werde oder
nicht. 1685.

SECTIO XLII.
Von bekehrung der Juden Rom. XI. und mehre-
rem fall Babels.

JCh bedancke mich freundlich vor die wolmeinende communication der
uͤber einige puncta meiner piorum deſideriorum habender gedancken.
Wie mir dann ein ſonderbares gefallen damit geſchihet. Dann weil ich
nicht das meinige ſondern was goͤttlicher wahrheit in allem gemaͤß ſeye/ ſo
wol ſelbs zu erkennen/ als andere dazu zu leiten/ ſuche: ſo hoͤre gern/ was je-
mand an mir oder meinen gedancken mangel hat: bereit/ wo ich einer irrung
uͤberfuͤhret wuͤrde/ ſo bald darinn zu weichen. Dann wir vermoͤgen nichts wi-
der die wahrheit. Was ſonſten die ſache ſelbs anlanget/ bekenne/ daß die ange-
fuͤhrte objectiones mir meine meinung nicht nehmen/ noch ſcheinen ſo viel
auszurichten. Daher will nicht zweiffeln/ mein großguͤnſt. hochgeehrt. Hr.
mir ſolche freyheit nicht ungern geben werde/ mit wenigem dieſelbe zu be-
trachten. So iſt nun die objection vornemlich dieſe/ daß der Apoſtel Rom. 11/

nicht
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[214/0230] Das erſte Capitel. viel an ihm gelegen iſt/ ob wol die widerſtreber hindern/ daß deſſen wirckli- cher glantz niemals in ſie gekommen/ ſondern ſie gleichſam nur euſſerlich ange- ſchienen hat. Alſo Rom. 2/ 4. heiſſets/ goͤttliche langmuth und guͤte leite zur buſſe. Dieſes iſt der goͤttliche rath und wille/ daß er die ſuͤnder zur buſſe leitet/ und alſo an ſeiner ſeite nichts ermangeln laͤſſet/ ob wohl nicht viele wircklich dazu kommen/ ja in vielen nicht der wenig- ſte anfang zur buſſe gemacht wird/ weil ſie auch die erſte wirckung bereits in ſich hinderen. Alſo ſagt Paulus 1. Cor. 10/ 33. πάντα πᾶσιν ἀρέσκω. Er gefalle allen in allen. Da unſer Lutherus es fein gibet/ ich mache mich al- len gefaͤllig/ nemlich ſo viel an mir iſt. Jndeſſen waꝛ er den meiſten in der that noch mißfaͤllig: Da nicht ein anfang des gefallens geſchehen war/ welches a- ber die rede des Apoſtels nicht falſch machet. Weswegen auch von ſolcher Phraſi der fleißige D. Glaſſius einen canonem machet Philol. ſacr. Lib. 3. 3. can. 8. p. 249. 250. Die tauſend jahr aus Apocalypſi c. 20. anlangend/ ſind ſie mir ein myſterium ſo ich noch nicht begreiffe. Eine leibliche aufferſte- hung der maͤrtyrer achte ich nicht daraus erweißlich/ noch mit uͤbriger ſchrifft einſtimmend: Was aber eigentlich gemeinet/ wird der HErr noch zeigen. daß ſonſten 1000 jahr bereits der ſatan ſolle gebunden geweſen ſeyen/ kom- met mir nicht glaublich vor/ obwohl die meiſte auslegungen es aſſeriren; ich laſſe alſo den eventum den ausſchlag geben/ da der HErr ſeiner kirchen noch einigen ruheſtand zu geben/ und ſein Reich treflich zu erweitern verſprochen hat/ ſo aus andern orten zu ſehen/ ob ſolches auch damit gemeinet werde oder nicht. 1685. SECTIO XLII. Von bekehrung der Juden Rom. XI. und mehre- rem fall Babels. JCh bedancke mich freundlich vor die wolmeinende communication der uͤber einige puncta meiner piorum deſideriorum habender gedancken. Wie mir dann ein ſonderbares gefallen damit geſchihet. Dann weil ich nicht das meinige ſondern was goͤttlicher wahrheit in allem gemaͤß ſeye/ ſo wol ſelbs zu erkennen/ als andere dazu zu leiten/ ſuche: ſo hoͤre gern/ was je- mand an mir oder meinen gedancken mangel hat: bereit/ wo ich einer irrung uͤberfuͤhret wuͤrde/ ſo bald darinn zu weichen. Dann wir vermoͤgen nichts wi- der die wahrheit. Was ſonſten die ſache ſelbs anlanget/ bekenne/ daß die ange- fuͤhrte objectiones mir meine meinung nicht nehmen/ noch ſcheinen ſo viel auszurichten. Daher will nicht zweiffeln/ mein großguͤnſt. hochgeehrt. Hr. mir ſolche freyheit nicht ungern geben werde/ mit wenigem dieſelbe zu be- trachten. So iſt nun die objection vornemlich dieſe/ daß der Apoſtel Rom. 11/ nicht

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/230>, abgerufen am 28.03.2024.