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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO LX.
wann dieselbe von den küchlein wären/ welche dem drachen in den rachen ge-
worffen/ ihn bersten machen solten? Ein bloß moral leben aus natürli-
chen kräfften/ kan freylich dem wahren Christenthum viel schaden. Aber
lasset uns zu sehen/ daß wir nicht mit solchem nahmen das jenige belegen was
einmahl GOttes wirckung ist. Jn dieser sache lasse ich mir nichts aufftrin-
gen/ als was der HErr selbst und durch seine Apostel seinen Christen vor-
geschrieben: sehe ich nun einen menschen/ aus dessen seinem leben hervor
leuchtete/ daß ihm warhafftig in allem darum zu thun/ und seine redliche ab-
ficht ist/ seinem GOtt treulich zu dienen/ und erkennet und freuet sich seiner
güter in JEsu Christo/ und verlanget von grund seiner seelen demselben
davor danckbar zu werden/ lässet auch die liebe des nächstens im geistlichen
und leiblichen die occupation seines übrigen lebens seyn/ gehet also in sanfft-
muth/ demuth/ gedult und täglichem kampff gegen seine sünde und lüste her-
ein/ trägt willig ohne murren/ was ihm der HErr aufferlegt/ und erkennet seine
liebe darinnen/ befleißiget sich der mäßigkeit und keuschheit/ und führet also
seinen wandel vor dem HErren/ daß man sehe/ es seye ihm um seine ehre/ nu-
tzen und lust nicht zu thun/ sondern um GOtt den nächsten und die erhaltung
seiner seelen/ so halte ich solchen/ ob sich sonsten in seinem leben nichts von son-
derlicher strengigkeit/ oder härtigkeit/ das anderen in die augen fiele/ zei-
get/ wahrhafftig nicht vor einen burgerlich-moraten menschen/ sondern vor
einen rechtschaffenen Christen; zu solcherley leben aber führet unsere gantze
religion/ und ist das geringste nicht/ das dazu gehörte/ so sich nicht in derosel-
ben lehr wahrhafftig finde/ hingegen hat uns der HErr in gnaden davon be-
freyet/ was solchen dingen widriges von aberglauben in der Römischen kir-
che auffgetrungen wird. Jn dem Christen-staat ist viel guts/ ob wohl noch
mehr dazu gesetzet werden kan. Der mann hat es meistens mit den eusserli-
chen anstalten zu thun/ würden diese nach wunsch eingerichtet/ hoffe bey so
bereitetem eusserlichen würde an dem innerlichen desto ohngehinderter gear-
beitet. Gegen Taulerum und mysticos hätte ich von ihm ein gütiger urtheil
gewünschet. Aber lasset uns erstlich das gute so wir es finden uns gefallen
lassen/ biß der HErr alle weiter führe. 1686.

SECTIO LXI.
Etliche fragen von der kirchen.
Ob die Christliche Catholische kirche biß auff gegen-
wärtigen Pabst geirret habe?

Zur antwort ist folgendes zu mercken.

1. DJe recht eigentlich also nennende Christliche Catholische kirche kan
nicht

SECTIO LX.
wann dieſelbe von den kuͤchlein waͤren/ welche dem drachen in den rachen ge-
worffen/ ihn berſten machen ſolten? Ein bloß moral leben aus natuͤrli-
chen kraͤfften/ kan freylich dem wahren Chriſtenthum viel ſchaden. Aber
laſſet uns zu ſehen/ daß wir nicht mit ſolchem nahmen das jenige belegen was
einmahl GOttes wirckung iſt. Jn dieſer ſache laſſe ich mir nichts aufftrin-
gen/ als was der HErr ſelbſt und durch ſeine Apoſtel ſeinen Chriſten vor-
geſchrieben: ſehe ich nun einen menſchen/ aus deſſen ſeinem leben hervor
leuchtete/ daß ihm warhafftig in allem darum zu thun/ und ſeine redliche ab-
ficht iſt/ ſeinem GOtt treulich zu dienen/ und erkennet und freuet ſich ſeiner
guͤter in JEſu Chriſto/ und verlanget von grund ſeiner ſeelen demſelben
davor danckbar zu werden/ laͤſſet auch die liebe des naͤchſtens im geiſtlichen
und leiblichen die occupation ſeines uͤbrigen lebens ſeyn/ gehet alſo in ſanfft-
muth/ demuth/ gedult und taͤglichem kampff gegen ſeine ſuͤnde und luͤſte her-
ein/ traͤgt willig ohne murren/ was ihm der HErr aufferlegt/ und erkeñet ſeine
liebe darinnen/ befleißiget ſich der maͤßigkeit und keuſchheit/ und fuͤhret alſo
ſeinen wandel vor dem HErren/ daß man ſehe/ es ſeye ihm um ſeine ehre/ nu-
tzen und luſt nicht zu thun/ ſondern um GOtt den naͤchſten und die erhaltung
ſeiner ſeelen/ ſo halte ich ſolchen/ ob ſich ſonſten in ſeinem leben nichts von ſon-
derlicher ſtrengigkeit/ oder haͤrtigkeit/ das anderen in die augen fiele/ zei-
get/ wahrhafftig nicht vor einen burgerlich-moraten menſchen/ ſondern vor
einen rechtſchaffenen Chriſten; zu ſolcherley leben aber fuͤhret unſere gantze
religion/ und iſt das geringſte nicht/ das dazu gehoͤrte/ ſo ſich nicht in deroſel-
ben lehr wahrhafftig finde/ hingegen hat uns der HErr in gnaden davon be-
freyet/ was ſolchen dingen widriges von aberglauben in der Roͤmiſchen kir-
che auffgetrungen wird. Jn dem Chriſten-ſtaat iſt viel guts/ ob wohl noch
mehr dazu geſetzet werden kan. Der mann hat es meiſtens mit den euſſerli-
chen anſtalten zu thun/ wuͤrden dieſe nach wunſch eingerichtet/ hoffe bey ſo
bereitetem euſſerlichen wuͤrde an dem innerlichen deſto ohngehinderter gear-
beitet. Gegen Taulerum und myſticos haͤtte ich von ihm ein guͤtiger urtheil
gewuͤnſchet. Aber laſſet uns erſtlich das gute ſo wir es finden uns gefallen
laſſen/ biß der HErr alle weiter fuͤhre. 1686.

SECTIO LXI.
Etliche fragen von der kirchen.
Ob die Chriſtliche Catholiſche kirche biß auff gegen-
waͤrtigen Pabſt geirret habe?

Zur antwort iſt folgendes zu mercken.

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[271/0287] SECTIO LX. wann dieſelbe von den kuͤchlein waͤren/ welche dem drachen in den rachen ge- worffen/ ihn berſten machen ſolten? Ein bloß moral leben aus natuͤrli- chen kraͤfften/ kan freylich dem wahren Chriſtenthum viel ſchaden. Aber laſſet uns zu ſehen/ daß wir nicht mit ſolchem nahmen das jenige belegen was einmahl GOttes wirckung iſt. Jn dieſer ſache laſſe ich mir nichts aufftrin- gen/ als was der HErr ſelbſt und durch ſeine Apoſtel ſeinen Chriſten vor- geſchrieben: ſehe ich nun einen menſchen/ aus deſſen ſeinem leben hervor leuchtete/ daß ihm warhafftig in allem darum zu thun/ und ſeine redliche ab- ficht iſt/ ſeinem GOtt treulich zu dienen/ und erkennet und freuet ſich ſeiner guͤter in JEſu Chriſto/ und verlanget von grund ſeiner ſeelen demſelben davor danckbar zu werden/ laͤſſet auch die liebe des naͤchſtens im geiſtlichen und leiblichen die occupation ſeines uͤbrigen lebens ſeyn/ gehet alſo in ſanfft- muth/ demuth/ gedult und taͤglichem kampff gegen ſeine ſuͤnde und luͤſte her- ein/ traͤgt willig ohne murren/ was ihm der HErr aufferlegt/ und erkeñet ſeine liebe darinnen/ befleißiget ſich der maͤßigkeit und keuſchheit/ und fuͤhret alſo ſeinen wandel vor dem HErren/ daß man ſehe/ es ſeye ihm um ſeine ehre/ nu- tzen und luſt nicht zu thun/ ſondern um GOtt den naͤchſten und die erhaltung ſeiner ſeelen/ ſo halte ich ſolchen/ ob ſich ſonſten in ſeinem leben nichts von ſon- derlicher ſtrengigkeit/ oder haͤrtigkeit/ das anderen in die augen fiele/ zei- get/ wahrhafftig nicht vor einen burgerlich-moraten menſchen/ ſondern vor einen rechtſchaffenen Chriſten; zu ſolcherley leben aber fuͤhret unſere gantze religion/ und iſt das geringſte nicht/ das dazu gehoͤrte/ ſo ſich nicht in deroſel- ben lehr wahrhafftig finde/ hingegen hat uns der HErr in gnaden davon be- freyet/ was ſolchen dingen widriges von aberglauben in der Roͤmiſchen kir- che auffgetrungen wird. Jn dem Chriſten-ſtaat iſt viel guts/ ob wohl noch mehr dazu geſetzet werden kan. Der mann hat es meiſtens mit den euſſerli- chen anſtalten zu thun/ wuͤrden dieſe nach wunſch eingerichtet/ hoffe bey ſo bereitetem euſſerlichen wuͤrde an dem innerlichen deſto ohngehinderter gear- beitet. Gegen Taulerum und myſticos haͤtte ich von ihm ein guͤtiger urtheil gewuͤnſchet. Aber laſſet uns erſtlich das gute ſo wir es finden uns gefallen laſſen/ biß der HErr alle weiter fuͤhre. 1686. SECTIO LXI. Etliche fragen von der kirchen. Ob die Chriſtliche Catholiſche kirche biß auff gegen- waͤrtigen Pabſt geirret habe? Zur antwort iſt folgendes zu mercken. 1. DJe recht eigentlich alſo nennende Chriſtliche Catholiſche kirche kan nicht

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/287>, abgerufen am 28.03.2024.