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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO LXII.
treffen ist/ wie so bald aus der besondern erwegung derselben klahr werden
solle.

I.

Daß es GOtt gefallen habe seine kirche auf erden durch gedach-
te Reformation wiedrum zu erneuern und von allen greueln des
Pabstthums zu reinigen/ und daß deme zu folge kein ander heil und
seligkeit ausser der gemeinschafft dieser kirche zu hoffen seye/ welches
denn auch einige von den Lutheranern mit gäntzlicher ausschlies-
sung der Reformirten ihnen allein zueignen.

DJesem satz kan schlecht dahin nicht unterschrieben werden. 1. So viel ist
wahr/ daß wir alle mit demüthigstem danck gegen GOtt erkennen/ daß
derselbe seine sichtbare kirche durch die selige reformation wieder erneuert
habe: daß nun da vorhin in dem Pabstthum keine wahre sichtbare und in lehr
und dienst reine kirche mehr verhanden gewesen/ wir eine dergleichen sichtba-
re zeigen können/ mit dero gantzen lehr und dienst ein seiner seligkeit begieri-
ger mensch gemeinschafft haben kan. 2. Kan sich aber unsre kirche durchaus
dieses nicht nehmen/ daß ausser derselben sichtbaren gemeinschafft kein heil
und seligkeit übrig seye. Zwahr wie gesagt werden kan/ daß ausser der wah-
ren kirchen kein heil seye/ so aber nicht von der sichtbaren/ und einigen particu-
lar-
kirchen zu verstehen ist/ also mögen wir auch sagen/ daß ausser unsrer Ev-
angelischen kirchen gemeinschafft kein heil seye/ wo aber die gemeinschafft vor
keine andre als die innere gemeinschafft des glaubens genommen werden darff:
daß nemlich alle diejenige/ welche selig werden sollen/ denjenigen wahren
glauben von dem grund unsers heyls JEsu Christo/ jeder nachdem ihm zu er-
theilten maaß/ haben muß/ welchen in solchen grund-wahrheitenunsre Ev-
angelische kirche auch öffentlich bekennet/ ob schon ein solcher mensch von un-
sren gemeinden/ wo sie seyen/ und wie sie von andern in ihrer sichtbaren ver-
fassung unterschieden würden/ nichts wissen kan. Weil aber schwehrlich von
dieser innerlichen gemeinschafft die rede seyn/ sondern die eusserliche wird wol-
len verstanden werden/ könte ich solchen satz nicht anders als sehr vermessen
gelegt verwerffen. Jndem obwol/ wer eine wahre sichtbare kirche weiß und er-
kennet/ verbunden ist zu aller müglichen auch eusserlichen gemeinschafft mit
derselben/ so liget gleichwol die seligkeit nicht an dieser eusserlichen gemein-
schafft. Also/ da wir Evangelische/ so uns mehr an die Augspurgische Confes-
sion
halten/ nicht zweiflen/ daß wir göttliche gnade danckbarlich zu rühmen
haben/ daß dieselbe uns in unsern gemeinden die reine lehre anvertrauet/ und
mit bekäntnüß beklagen müssen/ daß hingegen in den reformirten kirchen de-
roselben sonst mit uns gemeinschafftlicher lehr unterschiedl. irrthume/ einige

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M m 3

SECTIO LXII.
treffen iſt/ wie ſo bald aus der beſondern erwegung derſelben klahr werden
ſolle.

I.

Daß es GOtt gefallen habe ſeine kirche auf erden durch gedach-
te Reformation wiedrum zu erneuern und von allen greueln des
Pabſtthums zu reinigen/ und daß deme zu folge kein ander heil und
ſeligkeit auſſer der gemeinſchafft dieſer kirche zu hoffen ſeye/ welches
denn auch einige von den Lutheranern mit gaͤntzlicher ausſchlieſ-
ſung der Reformirten ihnen allein zueignen.

DJeſem ſatz kan ſchlecht dahin nicht unterſchrieben werden. 1. So viel iſt
wahr/ daß wir alle mit demuͤthigſtem danck gegen GOtt erkennen/ daß
derſelbe ſeine ſichtbare kirche durch die ſelige reformation wieder erneuert
habe: daß nun da vorhin in dem Pabſtthum keine wahre ſichtbare und in lehr
und dienſt reine kirche mehr verhanden geweſen/ wir eine dergleichen ſichtba-
re zeigen koͤnnen/ mit dero gantzen lehr und dienſt ein ſeiner ſeligkeit begieri-
ger menſch gemeinſchafft haben kan. 2. Kan ſich aber unſre kirche durchaus
dieſes nicht nehmen/ daß auſſer derſelben ſichtbaren gemeinſchafft kein heil
und ſeligkeit uͤbrig ſeye. Zwahr wie geſagt werden kan/ daß auſſer der wah-
ren kirchen kein heil ſeye/ ſo aber nicht von der ſichtbaren/ und einigen particu-
lar-
kirchen zu verſtehen iſt/ alſo moͤgen wir auch ſagen/ daß auſſer unſrer Ev-
angeliſchen kirchen gemeinſchafft kein heil ſeye/ wo aber die gemeinſchafft vor
keine andre als die innere gemeinſchafft des glaubens genom̃en werden darff:
daß nemlich alle diejenige/ welche ſelig werden ſollen/ denjenigen wahren
glauben von dem grund unſers heyls JEſu Chriſto/ jeder nachdem ihm zu er-
theilten maaß/ haben muß/ welchen in ſolchen grund-wahrheitenunſre Ev-
angeliſche kirche auch oͤffentlich bekennet/ ob ſchon ein ſolcher menſch von un-
ſren gemeinden/ wo ſie ſeyen/ und wie ſie von andern in ihrer ſichtbaren ver-
faſſung unterſchieden wuͤrden/ nichts wiſſen kan. Weil aber ſchwehrlich von
dieſer innerlichen gemeinſchafft die rede ſeyn/ ſondern die euſſeꝛliche wird wol-
len verſtanden werden/ koͤnte ich ſolchen ſatz nicht anders als ſehr vermeſſen
gelegt verwerffen. Jndem obwol/ wer eine wahre ſichtbare kirche weiß und er-
kennet/ verbunden iſt zu aller muͤglichen auch euſſerlichen gemeinſchafft mit
derſelben/ ſo liget gleichwol die ſeligkeit nicht an dieſer euſſerlichen gemein-
ſchafft. Alſo/ da wir Evangeliſche/ ſo uns mehr an die Augſpurgiſche Confeſ-
ſion
halten/ nicht zweiflen/ daß wir goͤttliche gnade danckbarlich zu ruͤhmen
haben/ daß dieſelbe uns in unſern gemeinden die reine lehre anvertrauet/ und
mit bekaͤntnuͤß beklagen muͤſſen/ daß hingegen in den reformirten kirchen de-
roſelben ſonſt mit uns gemeinſchafftlicher lehr unterſchiedl. irrthume/ einige

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[277/0293] SECTIO LXII. treffen iſt/ wie ſo bald aus der beſondern erwegung derſelben klahr werden ſolle. I. Daß es GOtt gefallen habe ſeine kirche auf erden durch gedach- te Reformation wiedrum zu erneuern und von allen greueln des Pabſtthums zu reinigen/ und daß deme zu folge kein ander heil und ſeligkeit auſſer der gemeinſchafft dieſer kirche zu hoffen ſeye/ welches denn auch einige von den Lutheranern mit gaͤntzlicher ausſchlieſ- ſung der Reformirten ihnen allein zueignen. DJeſem ſatz kan ſchlecht dahin nicht unterſchrieben werden. 1. So viel iſt wahr/ daß wir alle mit demuͤthigſtem danck gegen GOtt erkennen/ daß derſelbe ſeine ſichtbare kirche durch die ſelige reformation wieder erneuert habe: daß nun da vorhin in dem Pabſtthum keine wahre ſichtbare und in lehr und dienſt reine kirche mehr verhanden geweſen/ wir eine dergleichen ſichtba- re zeigen koͤnnen/ mit dero gantzen lehr und dienſt ein ſeiner ſeligkeit begieri- ger menſch gemeinſchafft haben kan. 2. Kan ſich aber unſre kirche durchaus dieſes nicht nehmen/ daß auſſer derſelben ſichtbaren gemeinſchafft kein heil und ſeligkeit uͤbrig ſeye. Zwahr wie geſagt werden kan/ daß auſſer der wah- ren kirchen kein heil ſeye/ ſo aber nicht von der ſichtbaren/ und einigen particu- lar-kirchen zu verſtehen iſt/ alſo moͤgen wir auch ſagen/ daß auſſer unſrer Ev- angeliſchen kirchen gemeinſchafft kein heil ſeye/ wo aber die gemeinſchafft vor keine andre als die innere gemeinſchafft des glaubens genom̃en werden darff: daß nemlich alle diejenige/ welche ſelig werden ſollen/ denjenigen wahren glauben von dem grund unſers heyls JEſu Chriſto/ jeder nachdem ihm zu er- theilten maaß/ haben muß/ welchen in ſolchen grund-wahrheitenunſre Ev- angeliſche kirche auch oͤffentlich bekennet/ ob ſchon ein ſolcher menſch von un- ſren gemeinden/ wo ſie ſeyen/ und wie ſie von andern in ihrer ſichtbaren ver- faſſung unterſchieden wuͤrden/ nichts wiſſen kan. Weil aber ſchwehrlich von dieſer innerlichen gemeinſchafft die rede ſeyn/ ſondern die euſſeꝛliche wird wol- len verſtanden werden/ koͤnte ich ſolchen ſatz nicht anders als ſehr vermeſſen gelegt verwerffen. Jndem obwol/ wer eine wahre ſichtbare kirche weiß und er- kennet/ verbunden iſt zu aller muͤglichen auch euſſerlichen gemeinſchafft mit derſelben/ ſo liget gleichwol die ſeligkeit nicht an dieſer euſſerlichen gemein- ſchafft. Alſo/ da wir Evangeliſche/ ſo uns mehr an die Augſpurgiſche Confeſ- ſion halten/ nicht zweiflen/ daß wir goͤttliche gnade danckbarlich zu ruͤhmen haben/ daß dieſelbe uns in unſern gemeinden die reine lehre anvertrauet/ und mit bekaͤntnuͤß beklagen muͤſſen/ daß hingegen in den reformirten kirchen de- roſelben ſonſt mit uns gemeinſchafftlicher lehr unterſchiedl. irrthume/ einige vo M m 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/293>, abgerufen am 28.03.2024.