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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
insgesamt der kirchen nutzen/ auch Titii gaben heilsamsten gebrauch am vor-
träglichsten ist. Das thue der treue Vater/ der treue arbeiter senden kan/
und sende sonderlich seinen geist in alle seelen um seines liebsten Sohnes wil-
len. Amen. 1687.

SECTIO IX.
Als ein Fürstlicher Hoff-prediger in eine stadt be-
ruffen wurde.

Species facti.

SAmuel ist zehen jahr bey einem Fürsten Hoff-prediger gewesen/
wird aber von dem rath einer stadt zu einem pastorat beruffen/ nimmt
auch die vocation an/ wo er von seinem Fürsten gnädigst dimittiret
werden könte: als er aber diesem solches eröffnet/ ohneracht der rath auch in-
tercessionales pro dimissione
an den Fürsten schreibet/ widersetzt er sich/ und
will er solle die vocation ausschlagen.

Darauff verlanget er antwort auff 2. fragen.

1. Ob mein gnädigster Herr als eine Christl. Fürstl. obrigkeit
pflege- und säug- amme der allgemeinen Christl. kirchen mich
mit gutem gewissen davon könne abhalten.
2. Ob auch ich mit gutem gewissen/ nur etwa darum/ daß ich
mehr ehr und genieß bey hofe/ wiewohl in grosser gefahr/ wie
leicht zu ermessen/ eine Christliche
vocation bey einer Christl.
gemeinde da mehr seelen können erbauet werden ausschla-
gen könne? Sonderlich da man so ernstlich und sehnlich dar-
auff tringet.

Antwort.

JN der forcht des HErrn die sache überlegende finde ich bey der ersten fra-
ge nicht wie ich bloß dahin absolute und directe darauff antworten kön-
te; dann über eine andere/ will nicht sagen höhere/ person zu urtheilen will
mir/ ohne von deroselben selbs dessen macht zu haben/ oder angesprochen zu
seyn/ nicht geziehmen: sonderlich weil ich nicht mehr als einen theil gehöret/
und was Jhr Durchl. vor andere motiven und gründe ihres difficultirens
haben möchte/ nicht wissen kan/ ohne welche zu wissen aber die frage sich nicht
decidiren lässet. Daher ich vielmehr allein in thesi, was in solchen fällen ge-
wissens halben zu thun seye/ und also die fundamenta, worauff zu sehen/ zu
bedeuten/ als in hypothesi die application zu machen/ oder etwas gewisses
auszusprechen vermag. Es bestehet aber die gantze sache in betrachtung der

ver

Das andere Capitel.
insgeſamt der kirchen nutzen/ auch Titii gaben heilſamſten gebrauch am vor-
traͤglichſten iſt. Das thue der treue Vater/ der treue arbeiter ſenden kan/
und ſende ſonderlich ſeinen geiſt in alle ſeelen um ſeines liebſten Sohnes wil-
len. Amen. 1687.

SECTIO IX.
Als ein Fuͤrſtlicher Hoff-prediger in eine ſtadt be-
ruffen wurde.

Species facti.

SAmuel iſt zehen jahr bey einem Fuͤrſten Hoff-prediger geweſen/
wird aber von dem rath einer ſtadt zu einem paſtorat beruffen/ nimmt
auch die vocation an/ wo er von ſeinem Fuͤrſten gnaͤdigſt dimittiret
werden koͤnte: als er aber dieſem ſolches eroͤffnet/ ohneracht der rath auch in-
terceſſionales pro dimiſſione
an den Fuͤrſten ſchreibet/ widerſetzt er ſich/ und
will er ſolle die vocation ausſchlagen.

Darauff verlanget er antwort auff 2. fragen.

1. Ob mein gnaͤdigſter Herr als eine Chriſtl. Fuͤrſtl. obrigkeit
pflege- und ſaͤug- amme der allgemeinen Chriſtl. kirchen mich
mit gutem gewiſſen davon koͤnne abhalten.
2. Ob auch ich mit gutem gewiſſen/ nur etwa darum/ daß ich
mehr ehr und genieß bey hofe/ wiewohl in groſſer gefahr/ wie
leicht zu ermeſſen/ eine Chriſtliche
vocation bey einer Chriſtl.
gemeinde da mehr ſeelen koͤnnen erbauet werden ausſchla-
gen koͤnne? Sonderlich da man ſo ernſtlich und ſehnlich dar-
auff tringet.

Antwort.

JN der forcht des HErrn die ſache uͤberlegende finde ich bey der erſten fra-
ge nicht wie ich bloß dahin abſolute und directe darauff antworten koͤn-
te; dann uͤber eine andere/ will nicht ſagen hoͤhere/ perſon zu urtheilen will
mir/ ohne von deroſelben ſelbs deſſen macht zu haben/ oder angeſprochen zu
ſeyn/ nicht geziehmen: ſonderlich weil ich nicht mehr als einen theil gehoͤret/
und was Jhr Durchl. vor andere motiven und gruͤnde ihres difficultirens
haben moͤchte/ nicht wiſſen kan/ ohne welche zu wiſſen aber die frage ſich nicht
decidiren laͤſſet. Daher ich vielmehr allein in theſi, was in ſolchen faͤllen ge-
wiſſens halben zu thun ſeye/ und alſo die fundamenta, worauff zu ſehen/ zu
bedeuten/ als in hypotheſi die application zu machen/ oder etwas gewiſſes
auszuſprechen vermag. Es beſtehet aber die gantze ſache in betrachtung der

ver
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[506/0522] Das andere Capitel. insgeſamt der kirchen nutzen/ auch Titii gaben heilſamſten gebrauch am vor- traͤglichſten iſt. Das thue der treue Vater/ der treue arbeiter ſenden kan/ und ſende ſonderlich ſeinen geiſt in alle ſeelen um ſeines liebſten Sohnes wil- len. Amen. 1687. SECTIO IX. Als ein Fuͤrſtlicher Hoff-prediger in eine ſtadt be- ruffen wurde. Species facti. SAmuel iſt zehen jahr bey einem Fuͤrſten Hoff-prediger geweſen/ wird aber von dem rath einer ſtadt zu einem paſtorat beruffen/ nimmt auch die vocation an/ wo er von ſeinem Fuͤrſten gnaͤdigſt dimittiret werden koͤnte: als er aber dieſem ſolches eroͤffnet/ ohneracht der rath auch in- terceſſionales pro dimiſſione an den Fuͤrſten ſchreibet/ widerſetzt er ſich/ und will er ſolle die vocation ausſchlagen. Darauff verlanget er antwort auff 2. fragen. 1. Ob mein gnaͤdigſter Herr als eine Chriſtl. Fuͤrſtl. obrigkeit pflege- und ſaͤug- amme der allgemeinen Chriſtl. kirchen mich mit gutem gewiſſen davon koͤnne abhalten. 2. Ob auch ich mit gutem gewiſſen/ nur etwa darum/ daß ich mehr ehr und genieß bey hofe/ wiewohl in groſſer gefahr/ wie leicht zu ermeſſen/ eine Chriſtliche vocation bey einer Chriſtl. gemeinde da mehr ſeelen koͤnnen erbauet werden ausſchla- gen koͤnne? Sonderlich da man ſo ernſtlich und ſehnlich dar- auff tringet. Antwort. JN der forcht des HErrn die ſache uͤberlegende finde ich bey der erſten fra- ge nicht wie ich bloß dahin abſolute und directe darauff antworten koͤn- te; dann uͤber eine andere/ will nicht ſagen hoͤhere/ perſon zu urtheilen will mir/ ohne von deroſelben ſelbs deſſen macht zu haben/ oder angeſprochen zu ſeyn/ nicht geziehmen: ſonderlich weil ich nicht mehr als einen theil gehoͤret/ und was Jhr Durchl. vor andere motiven und gruͤnde ihres difficultirens haben moͤchte/ nicht wiſſen kan/ ohne welche zu wiſſen aber die frage ſich nicht decidiren laͤſſet. Daher ich vielmehr allein in theſi, was in ſolchen faͤllen ge- wiſſens halben zu thun ſeye/ und alſo die fundamenta, worauff zu ſehen/ zu bedeuten/ als in hypotheſi die application zu machen/ oder etwas gewiſſes auszuſprechen vermag. Es beſtehet aber die gantze ſache in betrachtung der ver

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/522>, abgerufen am 18.04.2024.