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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
SECTIO XX.
Wegen einer interims-vocation.

JCh habe dessen ausführliches aber erst 8. tage nachdem es datiret/ be-
kommen/ daher mit der antwort/ so inner 8. tagen verlanget worden/ ein-
zuhalten nicht vermocht/ doch hoffe es solle nicht vergebens seyn/ ob wol
auch einige tage mit diesem brieff/ nachdem ich nie über etwas lange bleiben
kan/ zubringen werde. Ob nun wol desselben person nicht kenne/ noch der-
selbe rathsam befunden/ das erste mahl seinen nahmen zu nennen/ welches ich
auch nicht übel nehme/ sondern die ursach vor gnugsam achte/ so habe doch aus
dem gantzen schreiben so viel abgenommen/ an demselben einen rechtschaffenen
bruder/ das ist/ einen mann/ dem es nicht um sich/ sondern um GOtt und die
seelen zu thun seye/ zu erkennen. Nun ist mirs allezeit eine so viel innigliche-
re freude in dergleichen mehrere kundschafft zu kommen/ als daß ich leider hin-
gegen von so vielen in unserm stand das jenige mit betrübnüß ansehe/ daß sie
sehen auff das ihrige/ nicht was Christi JEsu ist. Aus diesem wird dersel-
be leicht abnehmen/ daß mir dessen schreiben nicht anders als erfreulich und
diese gelegenheit zu künfftiger genauer freundschafft angenehm seyn können:
Wes wegen auch/ obs zwahr allen schuldig bin/ nicht nur so viel offenhertziger/
sondern auch so viel williger auff die vorgelegten fragen antworten solle/ der
kindlichen zuversicht/ der himmlische Vater werde mir und übrigen mit be-
fragten auff unser und sein vor uns thuendes gebet seinen willen an demsel-
ben/ und also auch ihm durch uns/ mit einer überzeugung des gewissens zu
erkennen geben.

Was denn die 1. frage anlangt/ so hat dieselbe wiederum unterschiedli-
ches in sich. Wie groß das unvermögen des alten pfarrers seye/ weiß ich
nicht. Doch meine aus dem überschriebenen abzusehen/ daß er zwahr wenig
erbauen werde/ doch sehe ich nicht/ ob denn gar zu nichts keine tüchtigkeit seye.
Wäre dieses letztere/ so könte man allerdings nur um seiner privat absichten
willen das amt nicht versäumen/ noch die geistl. verrichtungen von einem/ der
gantz untüchtig/ entheiliget und zum spott werden lassen: und müste in sol-
chem fall geliebter bruder als beicht-vater sein amt mit ernst an ihm thun/
Collator auch so wol als der Ephorus ihr amt bey dem erscheinenden mangel
der gemeinde in acht nehmen/ und das jenige resolviren/ was dieser erfordert/
oder vielmehr an gehörigen ort anbringen/ da darüber erkant u. rath geschafft
würde. Bestehet aber das unvermögen darinnen/ daß er zwahr noch eini-
ges verrichten kan/ aber mit weniger erbauung/ so wäre ihm freundlich und
beweglich zuzusprechen/ daß er seine schwachheit erkennen/ und der gemeinde
um seinet willen an nöthiger erbauung nichts abgehen lassen wolte. Jch

weiß
Das andere Capitel.
SECTIO XX.
Wegen einer interims-vocation.

JCh habe deſſen ausfuͤhrliches aber erſt 8. tage nachdem es datiret/ be-
kommen/ daher mit der antwort/ ſo inner 8. tagen verlanget worden/ ein-
zuhalten nicht vermocht/ doch hoffe es ſolle nicht vergebens ſeyn/ ob wol
auch einige tage mit dieſem brieff/ nachdem ich nie uͤber etwas lange bleiben
kan/ zubringen werde. Ob nun wol deſſelben perſon nicht kenne/ noch der-
ſelbe rathſam befunden/ das erſte mahl ſeinen nahmen zu nennen/ welches ich
auch nicht uͤbel nehme/ ſondern die urſach vor gnugſam achte/ ſo habe doch aus
dem gantzen ſchreiben ſo viel abgenommen/ an demſelben einen rechtſchaffenen
bruder/ das iſt/ einen mann/ dem es nicht um ſich/ ſondern um GOtt und die
ſeelen zu thun ſeye/ zu erkennen. Nun iſt mirs allezeit eine ſo viel innigliche-
re freude in dergleichen mehrere kundſchafft zu kommen/ als daß ich leider hin-
gegen von ſo vielen in unſerm ſtand das jenige mit betruͤbnuͤß anſehe/ daß ſie
ſehen auff das ihrige/ nicht was Chriſti JEſu iſt. Aus dieſem wird derſel-
be leicht abnehmen/ daß mir deſſen ſchreiben nicht anders als erfreulich und
dieſe gelegenheit zu kuͤnfftiger genauer freundſchafft angenehm ſeyn koͤnnen:
Wes wegen auch/ obs zwahr allen ſchuldig bin/ nicht nur ſo viel offenhertziger/
ſondern auch ſo viel williger auff die vorgelegten fragen antworten ſolle/ der
kindlichen zuverſicht/ der himmliſche Vater werde mir und uͤbrigen mit be-
fragten auff unſer und ſein vor uns thuendes gebet ſeinen willen an demſel-
ben/ und alſo auch ihm durch uns/ mit einer uͤberzeugung des gewiſſens zu
erkennen geben.

Was denn die 1. frage anlangt/ ſo hat dieſelbe wiederum unterſchiedli-
ches in ſich. Wie groß das unvermoͤgen des alten pfarrers ſeye/ weiß ich
nicht. Doch meine aus dem uͤberſchriebenen abzuſehen/ daß er zwahr wenig
erbauen werde/ doch ſehe ich nicht/ ob denn gar zu nichts keine tuͤchtigkeit ſeye.
Waͤre dieſes letztere/ ſo koͤnte man allerdings nur um ſeiner privat abſichten
willen das amt nicht verſaͤumen/ noch die geiſtl. verrichtungen von einem/ der
gantz untuͤchtig/ entheiliget und zum ſpott werden laſſen: und muͤſte in ſol-
chem fall geliebter bruder als beicht-vater ſein amt mit ernſt an ihm thun/
Collator auch ſo wol als der Ephorus ihr amt bey dem erſcheinenden mangel
der gemeinde in acht nehmen/ und das jenige reſolviren/ was dieſer erfordert/
oder vielmehr an gehoͤrigen ort anbringen/ da daruͤber erkant u. rath geſchafft
wuͤrde. Beſtehet aber das unvermoͤgen darinnen/ daß er zwahr noch eini-
ges verrichten kan/ aber mit weniger erbauung/ ſo waͤre ihm freundlich und
beweglich zuzuſprechen/ daß er ſeine ſchwachheit erkennen/ und der gemeinde
um ſeinet willen an noͤthiger erbauung nichts abgehen laſſen wolte. Jch

weiß
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[554/0570] Das andere Capitel. SECTIO XX. Wegen einer interims-vocation. JCh habe deſſen ausfuͤhrliches aber erſt 8. tage nachdem es datiret/ be- kommen/ daher mit der antwort/ ſo inner 8. tagen verlanget worden/ ein- zuhalten nicht vermocht/ doch hoffe es ſolle nicht vergebens ſeyn/ ob wol auch einige tage mit dieſem brieff/ nachdem ich nie uͤber etwas lange bleiben kan/ zubringen werde. Ob nun wol deſſelben perſon nicht kenne/ noch der- ſelbe rathſam befunden/ das erſte mahl ſeinen nahmen zu nennen/ welches ich auch nicht uͤbel nehme/ ſondern die urſach vor gnugſam achte/ ſo habe doch aus dem gantzen ſchreiben ſo viel abgenommen/ an demſelben einen rechtſchaffenen bruder/ das iſt/ einen mann/ dem es nicht um ſich/ ſondern um GOtt und die ſeelen zu thun ſeye/ zu erkennen. Nun iſt mirs allezeit eine ſo viel innigliche- re freude in dergleichen mehrere kundſchafft zu kommen/ als daß ich leider hin- gegen von ſo vielen in unſerm ſtand das jenige mit betruͤbnuͤß anſehe/ daß ſie ſehen auff das ihrige/ nicht was Chriſti JEſu iſt. Aus dieſem wird derſel- be leicht abnehmen/ daß mir deſſen ſchreiben nicht anders als erfreulich und dieſe gelegenheit zu kuͤnfftiger genauer freundſchafft angenehm ſeyn koͤnnen: Wes wegen auch/ obs zwahr allen ſchuldig bin/ nicht nur ſo viel offenhertziger/ ſondern auch ſo viel williger auff die vorgelegten fragen antworten ſolle/ der kindlichen zuverſicht/ der himmliſche Vater werde mir und uͤbrigen mit be- fragten auff unſer und ſein vor uns thuendes gebet ſeinen willen an demſel- ben/ und alſo auch ihm durch uns/ mit einer uͤberzeugung des gewiſſens zu erkennen geben. Was denn die 1. frage anlangt/ ſo hat dieſelbe wiederum unterſchiedli- ches in ſich. Wie groß das unvermoͤgen des alten pfarrers ſeye/ weiß ich nicht. Doch meine aus dem uͤberſchriebenen abzuſehen/ daß er zwahr wenig erbauen werde/ doch ſehe ich nicht/ ob denn gar zu nichts keine tuͤchtigkeit ſeye. Waͤre dieſes letztere/ ſo koͤnte man allerdings nur um ſeiner privat abſichten willen das amt nicht verſaͤumen/ noch die geiſtl. verrichtungen von einem/ der gantz untuͤchtig/ entheiliget und zum ſpott werden laſſen: und muͤſte in ſol- chem fall geliebter bruder als beicht-vater ſein amt mit ernſt an ihm thun/ Collator auch ſo wol als der Ephorus ihr amt bey dem erſcheinenden mangel der gemeinde in acht nehmen/ und das jenige reſolviren/ was dieſer erfordert/ oder vielmehr an gehoͤrigen ort anbringen/ da daruͤber erkant u. rath geſchafft wuͤrde. Beſtehet aber das unvermoͤgen darinnen/ daß er zwahr noch eini- ges verrichten kan/ aber mit weniger erbauung/ ſo waͤre ihm freundlich und beweglich zuzuſprechen/ daß er ſeine ſchwachheit erkennen/ und der gemeinde um ſeinet willen an noͤthiger erbauung nichts abgehen laſſen wolte. Jch weiß

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/570>, abgerufen am 28.03.2024.