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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XII.
ihm geschehen/ auch auff geziehmliche weise ändern zu verkündigen/ sich aber
selbst darüber hier und dort ewig zu freuen. etc. etc. 1692.

SECTIO XII.
Was zur wahrhafftigen bekehrung eines von lan-
ger zeit her in dem Atheismo, verläugnung GOttes und sei-
ner wahrheit/ auch andern groben sünden/ gesteckten
sünders erfordert werde?

§. I.

OB wol der mensch durch den sünden-fall die herrliche und heilsame er-
käntnüß GOttes/ die ihm in dessen bilde war anerschaffen gewesen/
verlohren hat/ so ist es doch eine grosse barmhertzigkeit des gütigsten
vaters/ daß er sich dannoch um ihn zu derselben und also der seligkeit wieder-
um zu bringen/ nicht unbezeuget gelassen/ sondern also offenbahret hat/ daß
es keinem an mitteln darzu zu gelangen/ manglen solle/ der sich in göttliche
ordnung schicket.

§. II. Es hat nemlich GOtt/ ob wol gedachter massen sein bild in dem
menschen erloschen/ dennoch einige funcken von seiner erkäntnüß samt dem ge-
wissen in dessen seelen übrig gelassen/ auch die gantze natur in so vielen ge-
schöpffen ihm vor augen gestellet/ daß wo er nach der sachen wichtigkeit allem
nachsinnen/ und sich seines verstandes darzu recht gebrauchen will/ er nicht
allein finden kan/ daß ein GOtt und herrscher über alles seyn müsse/ von dem
was er sihet/ herkommen und regieret werden müsse: worauß er nichts an-
ders schliessen kan/ als es müsse solches ein geistliches/ ewiges/ unendliches/
allmächtiges/ allweises/ allgütiges und gerechtes wesen seyn; wie dann die
allgemeine regierung/ und was man davon sihet/ unmüglich ohne dergleichen
eigenschafften gedacht werden kan: Also gar daß auch der jetzigen vernunfft
dasjenige/ was wir von der regierung der gantzen welt und eigenschafften
GOttes lehren/ viel begreiflicher ist/ als wo man solches leugnet/ was man
sich alsdann darvon einbilden wolte/ wie die jetzige ordnung erhalten werde.
Wann aber auch die vernunfft die menschliche natur betrachtet/ und ihren
grossen vorzug/ den sie vor allen uns natürlich bekannten geschöpffen hat/
welcher nicht anders als von dem höchsten schöpffer aller dinge herkommen
kan/ erweget/ schliesset sie mit allem fug/ daß derselbe auff den menschen ein
sonderbahres absehen haben müsse/ da er so vieles erschaffen/ das wir sehen/
alles zu seinem gebrauch gerichtet zu seyn. Wie aber ferner der verstand selbs
findet/ daß alle creaturen/ wie sie alles von dem schöpffer haben/ also auch sich
mit allem zu seinem gehorsam/ jegliches nach seiner art/ darstellen müssen/ so

sihet
F 3

SECTIO XII.
ihm geſchehen/ auch auff geziehmliche weiſe aͤndern zu verkuͤndigen/ ſich aber
ſelbſt daruͤber hier und dort ewig zu freuen. ꝛc. ꝛc. 1692.

SECTIO XII.
Was zur wahrhafftigen bekehrung eines von lan-
ger zeit her in dem Atheiſmo, verlaͤugnung GOttes und ſei-
ner wahrheit/ auch andern groben ſuͤnden/ geſteckten
ſuͤnders erfordert werde?

§. I.

OB wol der menſch durch den ſuͤnden-fall die herrliche und heilſame er-
kaͤntnuͤß GOttes/ die ihm in deſſen bilde war anerſchaffen geweſen/
verlohren hat/ ſo iſt es doch eine groſſe barmhertzigkeit des guͤtigſten
vaters/ daß er ſich dannoch um ihn zu derſelben und alſo der ſeligkeit wieder-
um zu bringen/ nicht unbezeuget gelaſſen/ ſondern alſo offenbahret hat/ daß
es keinem an mitteln darzu zu gelangen/ manglen ſolle/ der ſich in goͤttliche
ordnung ſchicket.

§. II. Es hat nemlich GOtt/ ob wol gedachter maſſen ſein bild in dem
menſchen erloſchen/ dennoch einige funcken von ſeiner erkaͤntnuͤß ſamt dem ge-
wiſſen in deſſen ſeelen uͤbrig gelaſſen/ auch die gantze natur in ſo vielen ge-
ſchoͤpffen ihm vor augen geſtellet/ daß wo er nach der ſachen wichtigkeit allem
nachſinnen/ und ſich ſeines verſtandes darzu recht gebrauchen will/ er nicht
allein finden kan/ daß ein GOtt und herrſcher uͤber alles ſeyn muͤſſe/ von dem
was er ſihet/ herkommen und regieret werden muͤſſe: worauß er nichts an-
ders ſchlieſſen kan/ als es muͤſſe ſolches ein geiſtliches/ ewiges/ unendliches/
allmaͤchtiges/ allweiſes/ allguͤtiges und gerechtes weſen ſeyn; wie dann die
allgemeine regierung/ und was man davon ſihet/ unmuͤglich ohne dergleichen
eigenſchafften gedacht werden kan: Alſo gar daß auch der jetzigen vernunfft
dasjenige/ was wir von der regierung der gantzen welt und eigenſchafften
GOttes lehren/ viel begreiflicher iſt/ als wo man ſolches leugnet/ was man
ſich alsdann darvon einbilden wolte/ wie die jetzige ordnung erhalten werde.
Wann aber auch die vernunfft die menſchliche natur betrachtet/ und ihren
groſſen vorzug/ den ſie vor allen uns natuͤrlich bekannten geſchoͤpffen hat/
welcher nicht anders als von dem hoͤchſten ſchoͤpffer aller dinge herkommen
kan/ erweget/ ſchlieſſet ſie mit allem fug/ daß derſelbe auff den menſchen ein
ſonderbahres abſehen haben muͤſſe/ da er ſo vieles erſchaffen/ das wir ſehen/
alles zu ſeinem gebrauch gerichtet zu ſeyn. Wie aber ferner der verſtand ſelbs
findet/ daß alle creaturen/ wie ſie alles von dem ſchoͤpffer haben/ alſo auch ſich
mit allem zu ſeinem gehorſam/ jegliches nach ſeiner art/ darſtellen muͤſſen/ ſo

ſihet
F 3
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[45/0061] SECTIO XII. ihm geſchehen/ auch auff geziehmliche weiſe aͤndern zu verkuͤndigen/ ſich aber ſelbſt daruͤber hier und dort ewig zu freuen. ꝛc. ꝛc. 1692. SECTIO XII. Was zur wahrhafftigen bekehrung eines von lan- ger zeit her in dem Atheiſmo, verlaͤugnung GOttes und ſei- ner wahrheit/ auch andern groben ſuͤnden/ geſteckten ſuͤnders erfordert werde? §. I. OB wol der menſch durch den ſuͤnden-fall die herrliche und heilſame er- kaͤntnuͤß GOttes/ die ihm in deſſen bilde war anerſchaffen geweſen/ verlohren hat/ ſo iſt es doch eine groſſe barmhertzigkeit des guͤtigſten vaters/ daß er ſich dannoch um ihn zu derſelben und alſo der ſeligkeit wieder- um zu bringen/ nicht unbezeuget gelaſſen/ ſondern alſo offenbahret hat/ daß es keinem an mitteln darzu zu gelangen/ manglen ſolle/ der ſich in goͤttliche ordnung ſchicket. §. II. Es hat nemlich GOtt/ ob wol gedachter maſſen ſein bild in dem menſchen erloſchen/ dennoch einige funcken von ſeiner erkaͤntnuͤß ſamt dem ge- wiſſen in deſſen ſeelen uͤbrig gelaſſen/ auch die gantze natur in ſo vielen ge- ſchoͤpffen ihm vor augen geſtellet/ daß wo er nach der ſachen wichtigkeit allem nachſinnen/ und ſich ſeines verſtandes darzu recht gebrauchen will/ er nicht allein finden kan/ daß ein GOtt und herrſcher uͤber alles ſeyn muͤſſe/ von dem was er ſihet/ herkommen und regieret werden muͤſſe: worauß er nichts an- ders ſchlieſſen kan/ als es muͤſſe ſolches ein geiſtliches/ ewiges/ unendliches/ allmaͤchtiges/ allweiſes/ allguͤtiges und gerechtes weſen ſeyn; wie dann die allgemeine regierung/ und was man davon ſihet/ unmuͤglich ohne dergleichen eigenſchafften gedacht werden kan: Alſo gar daß auch der jetzigen vernunfft dasjenige/ was wir von der regierung der gantzen welt und eigenſchafften GOttes lehren/ viel begreiflicher iſt/ als wo man ſolches leugnet/ was man ſich alsdann darvon einbilden wolte/ wie die jetzige ordnung erhalten werde. Wann aber auch die vernunfft die menſchliche natur betrachtet/ und ihren groſſen vorzug/ den ſie vor allen uns natuͤrlich bekannten geſchoͤpffen hat/ welcher nicht anders als von dem hoͤchſten ſchoͤpffer aller dinge herkommen kan/ erweget/ ſchlieſſet ſie mit allem fug/ daß derſelbe auff den menſchen ein ſonderbahres abſehen haben muͤſſe/ da er ſo vieles erſchaffen/ das wir ſehen/ alles zu ſeinem gebrauch gerichtet zu ſeyn. Wie aber ferner der verſtand ſelbs findet/ daß alle creaturen/ wie ſie alles von dem ſchoͤpffer haben/ alſo auch ſich mit allem zu ſeinem gehorſam/ jegliches nach ſeiner art/ darſtellen muͤſſen/ ſo ſihet F 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/61>, abgerufen am 28.03.2024.