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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
chen gemeinde übel gantz ohne rath seyn würde/ u. der schaden so viel grösser/
als dieselbe volckreich ist. 4. Daß ihm auch sein bleiben bey derselben ge-
meinde an seiner seelen nicht schädlich/ ist bereits dargethan/ und gewiesen/
daß auf seine verantwortung nicht ankomme/ was in seiner macht nicht ste-
het. 5. Wie also insgemein die resolution derer/ welche weil sie wegen des
verfalles der kirchen nirgend alles auszurichten vermögen/ was sie solten und
wolten/ sonderlich aber bey den halsstarrigen und trotzigen/ wo sie sie gern
zurechte bringen wolten/ den kirchendienst umb ihrer gewissens-ruhe willen
verlassen wolten/ sehr gefährlich wäre/ indem dardurch die kirche allerdings
in ruin gehen und gleichsam lauter wölffen/ oder doch miedlingen/ nach und
nach in die hände gespielet werden würde; also ists nicht weniger gefahr/ wo
rechte gewissenhaffte prediger die grösseste gemeinden/ da meistens die grös-
seste unordnungen und hindernüssen verhanden sind/ hingegen an dero erhal-
tung der kirche auch das meiste gelegen ist/ mit den kleinern vertauschen wol-
ten. Und sorgte ich/ der schade würde so offenbahr werden/ daß solcher lie-
ben leute gewissen endlich vielmehr über dieses würde beängstiget werden/ als
es vormahls sich geängstiget hätte. Also 6. halte ich davor/ so lange ein mann
bey einer grossen gemeinde annoch selbs/ so viel seine person betrifft/ frucht
schaffen kan/ seye er bey derselben/ der HErr zeigte dann auf eine gantz deutli-
che art seinen willen anders/ zu verharren/ mit arbeit/ sorgen und beten anzu-
halten/ und sich mit gedult und hoffnung zu wapnen schuldig.

Dieses geliebter bruder/ sind meine gedancken/ so ich hoffe göttl. willen
gemäß zu seyn/ über die vorgelegte fragen. GOTT aber mache uns selbs in
allen stücken seines willens an uns gewiß/ und lasse denselben von und an uns
vollbracht werden/ so genüget uns billig. 1692.

SECTIO XI.
Jn einer differenz zwischen Pastore u. Diacono,
wie weit jedes amts verrichtungen gehen. Ob alle neuerungen
zu meiden oder in welcher ordnung änderungen geschehen könten.
Von unrechtmäßigem gelübde.
Aus überlesung und Christlicher erwegung der überschickten facti speciei,
und beylagen finden wir daß unterschiedliche ob zwahr fast aneinander
hangende materien vorkommen/ welche wir besserer ordnung wegen in
drey fragen eintheilen wollen.
1. Ob des Diaconi sub N. 1. geführte klage und beschwehrde wich-
tig/ und eine änderung dabey zu treffen
oder nicht?
Wir

Das andere Capitel.
chen gemeinde uͤbel gantz ohne rath ſeyn wuͤrde/ u. der ſchaden ſo viel groͤſſer/
als dieſelbe volckreich iſt. 4. Daß ihm auch ſein bleiben bey derſelben ge-
meinde an ſeiner ſeelen nicht ſchaͤdlich/ iſt bereits dargethan/ und gewieſen/
daß auf ſeine verantwortung nicht ankomme/ was in ſeiner macht nicht ſte-
het. 5. Wie alſo insgemein die reſolution derer/ welche weil ſie wegen des
verfalles der kirchen nirgend alles auszurichten vermoͤgen/ was ſie ſolten und
wolten/ ſonderlich aber bey den halsſtarrigen und trotzigen/ wo ſie ſie gern
zurechte bringen wolten/ den kirchendienſt umb ihrer gewiſſens-ruhe willen
verlaſſen wolten/ ſehr gefaͤhrlich waͤre/ indem dardurch die kirche allerdings
in ruin gehen und gleichſam lauter woͤlffen/ oder doch miedlingen/ nach und
nach in die haͤnde geſpielet werden wuͤrde; alſo iſts nicht weniger gefahr/ wo
rechte gewiſſenhaffte prediger die groͤſſeſte gemeinden/ da meiſtens die groͤſ-
ſeſte unordnungen und hindernuͤſſen verhanden ſind/ hingegen an dero erhal-
tung der kirche auch das meiſte gelegen iſt/ mit den kleinern vertauſchen wol-
ten. Und ſorgte ich/ der ſchade wuͤrde ſo offenbahr werden/ daß ſolcher lie-
ben leute gewiſſen endlich vielmehr uͤber dieſes wuͤrde beaͤngſtiget werden/ als
es vormahls ſich geaͤngſtiget haͤtte. Alſo 6. halte ich davor/ ſo lange ein mann
bey einer groſſen gemeinde annoch ſelbs/ ſo viel ſeine perſon betrifft/ frucht
ſchaffen kan/ ſeye er bey derſelben/ der HErr zeigte dann auf eine gantz deutli-
che art ſeinen willen anders/ zu verharren/ mit arbeit/ ſorgen und beten anzu-
halten/ und ſich mit gedult und hoffnung zu wapnen ſchuldig.

Dieſes geliebter bruder/ ſind meine gedancken/ ſo ich hoffe goͤttl. willen
gemaͤß zu ſeyn/ uͤber die vorgelegte fragen. GOTT aber mache uns ſelbs in
allen ſtuͤcken ſeines willens an uns gewiß/ und laſſe denſelben von und an uns
vollbracht werden/ ſo genuͤget uns billig. 1692.

SECTIO XI.
Jn einer differenz zwiſchen Paſtore u. Diacono,
wie weit jedes amts verrichtungen gehẽ. Ob alle neuerungen
zu meiden oder in welcher ordnung aͤnderungen geſchehen koͤnten.
Von unrechtmaͤßigem geluͤbde.
Aus uͤberleſung und Chriſtlicher erwegung der uͤberſchickten facti ſpeciei,
und beylagen finden wiꝛ daß unterſchiedliche ob zwahr faſt aneinander
hangende materien vorkommen/ welche wir beſſerer ordnung wegen in
drey fragen eintheilen wollen.
1. Ob des Diaconi ſub N. 1. gefuͤhrte klage und beſchwehrde wich-
tig/ und eine aͤnderung dabey zu treffen
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Wir
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[648/0664] Das andere Capitel. chen gemeinde uͤbel gantz ohne rath ſeyn wuͤrde/ u. der ſchaden ſo viel groͤſſer/ als dieſelbe volckreich iſt. 4. Daß ihm auch ſein bleiben bey derſelben ge- meinde an ſeiner ſeelen nicht ſchaͤdlich/ iſt bereits dargethan/ und gewieſen/ daß auf ſeine verantwortung nicht ankomme/ was in ſeiner macht nicht ſte- het. 5. Wie alſo insgemein die reſolution derer/ welche weil ſie wegen des verfalles der kirchen nirgend alles auszurichten vermoͤgen/ was ſie ſolten und wolten/ ſonderlich aber bey den halsſtarrigen und trotzigen/ wo ſie ſie gern zurechte bringen wolten/ den kirchendienſt umb ihrer gewiſſens-ruhe willen verlaſſen wolten/ ſehr gefaͤhrlich waͤre/ indem dardurch die kirche allerdings in ruin gehen und gleichſam lauter woͤlffen/ oder doch miedlingen/ nach und nach in die haͤnde geſpielet werden wuͤrde; alſo iſts nicht weniger gefahr/ wo rechte gewiſſenhaffte prediger die groͤſſeſte gemeinden/ da meiſtens die groͤſ- ſeſte unordnungen und hindernuͤſſen verhanden ſind/ hingegen an dero erhal- tung der kirche auch das meiſte gelegen iſt/ mit den kleinern vertauſchen wol- ten. Und ſorgte ich/ der ſchade wuͤrde ſo offenbahr werden/ daß ſolcher lie- ben leute gewiſſen endlich vielmehr uͤber dieſes wuͤrde beaͤngſtiget werden/ als es vormahls ſich geaͤngſtiget haͤtte. Alſo 6. halte ich davor/ ſo lange ein mann bey einer groſſen gemeinde annoch ſelbs/ ſo viel ſeine perſon betrifft/ frucht ſchaffen kan/ ſeye er bey derſelben/ der HErr zeigte dann auf eine gantz deutli- che art ſeinen willen anders/ zu verharren/ mit arbeit/ ſorgen und beten anzu- halten/ und ſich mit gedult und hoffnung zu wapnen ſchuldig. Dieſes geliebter bruder/ ſind meine gedancken/ ſo ich hoffe goͤttl. willen gemaͤß zu ſeyn/ uͤber die vorgelegte fragen. GOTT aber mache uns ſelbs in allen ſtuͤcken ſeines willens an uns gewiß/ und laſſe denſelben von und an uns vollbracht werden/ ſo genuͤget uns billig. 1692. SECTIO XI. Jn einer differenz zwiſchen Paſtore u. Diacono, wie weit jedes amts verrichtungen gehẽ. Ob alle neuerungen zu meiden oder in welcher ordnung aͤnderungen geſchehen koͤnten. Von unrechtmaͤßigem geluͤbde. Aus uͤberleſung und Chriſtlicher erwegung der uͤberſchickten facti ſpeciei, und beylagen finden wiꝛ daß unterſchiedliche ob zwahr faſt aneinander hangende materien vorkommen/ welche wir beſſerer ordnung wegen in drey fragen eintheilen wollen. 1. Ob des Diaconi ſub N. 1. gefuͤhrte klage und beſchwehrde wich- tig/ und eine aͤnderung dabey zu treffen oder nicht? Wir

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/664>, abgerufen am 28.03.2024.