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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
scopo politiae Canonicae oder einer menschlichen ordnung und gewalt
cediret und nachgegeben werden/ oder ob es verantwortlich nach
Ezech. 3/ 17--21. 33/ 1-9. 1. Tim. 5/ 20. 21. Matth. 18/ 15. seq. über heuti-
gem offenbahren sünden-leben 2. Tim. 3/ 1--5. Tit. 2/ 15.
hypotheti-
ce,
wie man nach dem exempel der andern angewiesen werden will zu
absolviren.

Antwort:

1. Die eigentliche gewalt der schlüssel an sich selbs ist freylich allein an
GOttes wort und ordnung/ nicht aber zugleich an einige menschliche auto-
ri
tät verbunden. Wir müssen aber auch wohl erwegen/ was solche ordnung
Gottes mit sich bringe/ und wem diese die übung der schlüssel überlasse/ oder
wem sie die auffsicht oder mitwürckung aufftrage. Da werden wir zwahr
finden/ daß freylich die verwaltung der schlüssel ordentlich dem predig-amt zu-
stehet/ als welchem insgesamt die austheilung der göttl. gnaden-schätze zu-
ständig ist/ aber gleich wohl also/ daß sie solches recht von GOtt durch die kir-
che haben/ und dieser als der haußehre die schlüssel eigentlich übergeben sind/
welche sie darnach durch ihre diener verwalten lässet/ aber daß sie sie deswe-
gen nie in dero unumschrenckte gewalt gibet/ daß sie nicht allezeit die jenige
bleibe/ dero die diener allezeit ihres thuns rechenschafft geben müssen/ und
also sobald ein glied der kirchen einige beschwehrde wider den gebrauch gegen
sich zu haben meinet/ nicht mehr die prediger richter sind/ sondern das gericht
der kirchen gehöret. Welches so viel klährer ist/ weil an dem angezogenen
ort 1. Cor. 15. Paulus selbs/ ob schon ein Apostel/ welchem man gleichwol
in unterschiedenen absichten eine mehrere gewalt vor andern beylegen mag/
den offenbahrlichen blutschänder seinem gericht nicht bloß unterworffen ha-
ben will/ sondern zwahr was er aus des heiligen Geistes liecht über ihn be-
stimmet habe/ auzeigt/ aber der gemeinde noch das recht gibet/ daß sie darü-
ber erkennen/ und seinen ausspruch bekräfftigen sollten: wie er ihn auch
2. Cor. 2. nicht anders als mit ihrem consens und dessen bedingung wieder-
um in die gemeinde aufnehmen will/ aber eben damit derselben macht bekräff-
tiget/ und in der praxi zeiget/ wie die von unserm Heiland den lehrern anver-
traute schlüssel thätlich zu gebrauchen seyen. Damit werden die schlüssel an
keine menschliche autorität oder gewalt gehänget/ sondern sie sind bloß an die
göttliche ordnung gebunden/ welche zwahr menschen dieselbe vertrauet/
nicht nur den predigern/ so dannoch auch menschen sind/ sondern dergesamten
kirchen. Daher/ so bald es mit den schlüsseln zu dergleichen gebrauch kömmet/
da jemand widerspricht/ oder gewiß widersprechen und praetendiren wird/

es

Das andere Capitel.
ſcopo politiæ Canonicæ oder einer menſchlichen ordnung und gewalt
cediret und nachgegeben werden/ oder ob es verantwortlich nach
Ezech. 3/ 17‒‒21. 33/ 1-9. 1. Tim. 5/ 20. 21. Matth. 18/ 15. ſeq. uͤber heuti-
gem offenbahren ſuͤnden-leben 2. Tim. 3/ 1‒‒5. Tit. 2/ 15.
hypotheti-
ce,
wie man nach dem exempel der andern angewieſen werden will zu
abſolviren.

Antwort:

1. Die eigentliche gewalt der ſchluͤſſel an ſich ſelbs iſt freylich allein an
GOttes wort und ordnung/ nicht aber zugleich an einige menſchliche auto-
ri
taͤt verbunden. Wir muͤſſen aber auch wohl erwegen/ was ſolche ordnung
Gottes mit ſich bringe/ und wem dieſe die uͤbung der ſchluͤſſel uͤberlaſſe/ oder
wem ſie die auffſicht oder mitwuͤrckung aufftrage. Da werden wir zwahr
finden/ daß freylich die verwaltung der ſchluͤſſel ordentlich dem predig-amt zu-
ſtehet/ als welchem insgeſamt die austheilung der goͤttl. gnaden-ſchaͤtze zu-
ſtaͤndig iſt/ aber gleich wohl alſo/ daß ſie ſolches recht von GOtt durch die kir-
che haben/ und dieſer als der haußehre die ſchluͤſſel eigentlich uͤbergeben ſind/
welche ſie darnach durch ihre diener verwalten laͤſſet/ aber daß ſie ſie deswe-
gen nie in dero unumſchrenckte gewalt gibet/ daß ſie nicht allezeit die jenige
bleibe/ dero die diener allezeit ihres thuns rechenſchafft geben muͤſſen/ und
alſo ſobald ein glied der kirchen einige beſchwehrde wider den gebrauch gegen
ſich zu haben meinet/ nicht mehr die prediger richter ſind/ ſondern das gericht
der kirchen gehoͤret. Welches ſo viel klaͤhrer iſt/ weil an dem angezogenen
ort 1. Cor. 15. Paulus ſelbs/ ob ſchon ein Apoſtel/ welchem man gleichwol
in unterſchiedenen abſichten eine mehrere gewalt vor andern beylegen mag/
den offenbahrlichen blutſchaͤnder ſeinem gericht nicht bloß unterworffen ha-
ben will/ ſondern zwahr was er aus des heiligen Geiſtes liecht uͤber ihn be-
ſtimmet habe/ auzeigt/ aber der gemeinde noch das recht gibet/ daß ſie daruͤ-
ber erkennen/ und ſeinen ausſpruch bekraͤfftigen ſollten: wie er ihn auch
2. Cor. 2. nicht anders als mit ihrem conſens und deſſen bedingung wieder-
um in die gemeinde aufnehmen will/ aber eben damit derſelben macht bekraͤff-
tiget/ und in der praxi zeiget/ wie die von unſerm Heiland den lehrern anver-
traute ſchluͤſſel thaͤtlich zu gebrauchen ſeyen. Damit werden die ſchluͤſſel an
keine menſchliche autoritaͤt oder gewalt gehaͤnget/ ſondern ſie ſind bloß an die
goͤttliche ordnung gebunden/ welche zwahr menſchen dieſelbe vertrauet/
nicht nur den predigern/ ſo dannoch auch menſchen ſind/ ſondern dergeſamten
kirchen. Daher/ ſo bald es mit den ſchluͤſſeln zu dergleichen gebrauch koͤmmet/
da jemand widerſpricht/ oder gewiß widerſprechen und prætendiren wird/

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[672/0688] Das andere Capitel. ſcopo politiæ Canonicæ oder einer menſchlichen ordnung und gewalt cediret und nachgegeben werden/ oder ob es verantwortlich nach Ezech. 3/ 17‒‒21. 33/ 1-9. 1. Tim. 5/ 20. 21. Matth. 18/ 15. ſeq. uͤber heuti- gem offenbahren ſuͤnden-leben 2. Tim. 3/ 1‒‒5. Tit. 2/ 15. hypotheti- ce, wie man nach dem exempel der andern angewieſen werden will zu abſolviren. Antwort: 1. Die eigentliche gewalt der ſchluͤſſel an ſich ſelbs iſt freylich allein an GOttes wort und ordnung/ nicht aber zugleich an einige menſchliche auto- ritaͤt verbunden. Wir muͤſſen aber auch wohl erwegen/ was ſolche ordnung Gottes mit ſich bringe/ und wem dieſe die uͤbung der ſchluͤſſel uͤberlaſſe/ oder wem ſie die auffſicht oder mitwuͤrckung aufftrage. Da werden wir zwahr finden/ daß freylich die verwaltung der ſchluͤſſel ordentlich dem predig-amt zu- ſtehet/ als welchem insgeſamt die austheilung der goͤttl. gnaden-ſchaͤtze zu- ſtaͤndig iſt/ aber gleich wohl alſo/ daß ſie ſolches recht von GOtt durch die kir- che haben/ und dieſer als der haußehre die ſchluͤſſel eigentlich uͤbergeben ſind/ welche ſie darnach durch ihre diener verwalten laͤſſet/ aber daß ſie ſie deswe- gen nie in dero unumſchrenckte gewalt gibet/ daß ſie nicht allezeit die jenige bleibe/ dero die diener allezeit ihres thuns rechenſchafft geben muͤſſen/ und alſo ſobald ein glied der kirchen einige beſchwehrde wider den gebrauch gegen ſich zu haben meinet/ nicht mehr die prediger richter ſind/ ſondern das gericht der kirchen gehoͤret. Welches ſo viel klaͤhrer iſt/ weil an dem angezogenen ort 1. Cor. 15. Paulus ſelbs/ ob ſchon ein Apoſtel/ welchem man gleichwol in unterſchiedenen abſichten eine mehrere gewalt vor andern beylegen mag/ den offenbahrlichen blutſchaͤnder ſeinem gericht nicht bloß unterworffen ha- ben will/ ſondern zwahr was er aus des heiligen Geiſtes liecht uͤber ihn be- ſtimmet habe/ auzeigt/ aber der gemeinde noch das recht gibet/ daß ſie daruͤ- ber erkennen/ und ſeinen ausſpruch bekraͤfftigen ſollten: wie er ihn auch 2. Cor. 2. nicht anders als mit ihrem conſens und deſſen bedingung wieder- um in die gemeinde aufnehmen will/ aber eben damit derſelben macht bekraͤff- tiget/ und in der praxi zeiget/ wie die von unſerm Heiland den lehrern anver- traute ſchluͤſſel thaͤtlich zu gebrauchen ſeyen. Damit werden die ſchluͤſſel an keine menſchliche autoritaͤt oder gewalt gehaͤnget/ ſondern ſie ſind bloß an die goͤttliche ordnung gebunden/ welche zwahr menſchen dieſelbe vertrauet/ nicht nur den predigern/ ſo dannoch auch menſchen ſind/ ſondern dergeſamten kirchen. Daher/ ſo bald es mit den ſchluͤſſeln zu dergleichen gebrauch koͤmmet/ da jemand widerſpricht/ oder gewiß widerſprechen und prætendiren wird/ es

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/688>, abgerufen am 28.03.2024.