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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. IV. SECT. XVI.
7. Jn den schulen wird solche woche mit aller jugend gerad dasjenige haupt-
stück tractiret/ was sontags vorkommen solle.
8. Damit sie gleichwol/ wo sie wollen/ die materien alle/ welche in denen
pensis vorkommen/ etlicher massen erleutert sehen/ und die vornehmste sprüche
finden können/ habe ich vor etlichen jahren meine catechismus erklärungen in fra-
gen drucken lassen/ welche ihrer viel haben/ und zu hauß nachlesen: niemand
aber das wenigste davon auswendig zu lernen veranlasset wird.
9. Weil man also der jugend keine grosse catechismos gibt/ daß sie viel aus-
wendig lernen müssen/ werden sie nicht so verdrossen/ und weilen die fragen auch
nicht conceptis formulis geschehen/ auch offt variirt werden/ daß man sie alle-
mahl nicht auff wort/ sondern den verstand selbs weiset/ so gewehnen sie sich/
der sache selbs nach zu dencken/ daß sie nicht aus dem gedächtnuß/ sondern eigenen
sinn und erkäntnus/ antworten. Welches nachmal besser hafften bleibet/ als
alles mit mühe auswendig gelernete/ da sonsten sich die leute an blosse wort bin-
den/ und deswegen auff den verstand nie recht achten/ auch deswegen nicht mei-
nen/ daß sie antworten könten/ wo sie nicht gerad solche wort wissen/ welche sie
auff eine solche frag gelernet haben.
10. Welche zu dem tisch des Herrn gehen sollen/ werden vorhin von ihren
eltern zu den beichtvatter gebracht: der sie alsdenn mehrmahl zu sich kommen
lässet/ und sie privatim examinando informiret: daher die meiste Prediger/ wel-
che solcher examinandorum eine starcke anzahl haben/ zu einem compendio ih-
rer arbeit wöchentlich ein oder auch etliche mahl sie zu hauß zu sich lassen kommen/
und also die privat kinderlehr mit ihnen halten/ sie auch nicht eher confirmiren/
biß sie nach dem maß ihrer gaben ein gnugsames gefasset haben: Sie behalten sie
auch mannigmahl/ wann sie schon zu der communion admittirt wordenn/ doch
noch eine lange zeit mit den andern stetig in ihrer information, damit das publi-
cum
und privatum examinen einander die hand biete. Der Herr segne noch
ferner seyn werck bey uns und an allen orten/ Amen.
SECTIO XVI.
Von befragung der alten/ in der/ catechisation.
Von dem amt der Prediger bey ansteckenden
kranckheiten.
Die I. Frage.
Ob vor gut befinde/ wann von einigem Prediger die erwach-
sene und verehlichte personen sonntags zu mittage gleich der jugend aus
dem
catechismo examiniret werden/ weil hiebey angemercket wird/
daß die wenigste solchen Gottes dienst besuchen?
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ARTIC. IV. SECT. XVI.
7. Jn den ſchulen wird ſolche woche mit aller jugend gerad dasjenige haupt-
ſtuͤck tractiret/ was ſontags vorkommen ſolle.
8. Damit ſie gleichwol/ wo ſie wollen/ die materien alle/ welche in denen
penſis vorkommen/ etlicher maſſen erleutert ſehen/ und die vornehmſte ſpruͤche
finden koͤnnen/ habe ich vor etlichen jahren meine catechiſmus erklaͤrungen in fra-
gen drucken laſſen/ welche ihrer viel haben/ und zu hauß nachleſen: niemand
aber das wenigſte davon auswendig zu lernen veranlaſſet wird.
9. Weil man alſo der jugend keine groſſe catechismos gibt/ daß ſie viel aus-
wendig lernen muͤſſen/ werden ſie nicht ſo verdroſſen/ und weilen die fragen auch
nicht conceptis formulis geſchehen/ auch offt variirt werden/ daß man ſie alle-
mahl nicht auff wort/ ſondern den verſtand ſelbs weiſet/ ſo gewehnen ſie ſich/
der ſache ſelbs nach zu dencken/ daß ſie nicht aus dem gedaͤchtnuß/ ſondern eigenen
ſinn und erkaͤntnus/ antworten. Welches nachmal beſſer hafften bleibet/ als
alles mit muͤhe auswendig gelernete/ da ſonſten ſich die leute an bloſſe wort bin-
den/ und deswegen auff den verſtand nie recht achten/ auch deswegen nicht mei-
nen/ daß ſie antworten koͤnten/ wo ſie nicht gerad ſolche wort wiſſen/ welche ſie
auff eine ſolche frag gelernet haben.
10. Welche zu dem tiſch des Herrn gehen ſollen/ werden vorhin von ihren
eltern zu den beichtvatter gebracht: der ſie alsdenn mehrmahl zu ſich kommen
laͤſſet/ und ſie privatim examinando informiret: daher die meiſte Prediger/ wel-
che ſolcher examinandorum eine ſtarcke anzahl haben/ zu einem compendio ih-
rer arbeit woͤchentlich ein oder auch etliche mahl ſie zu hauß zu ſich laſſen kommen/
und alſo die privat kinderlehr mit ihnen halten/ ſie auch nicht eher confirmiren/
biß ſie nach dem maß ihrer gaben ein gnugſames gefaſſet haben: Sie behalten ſie
auch mannigmahl/ wann ſie ſchon zu der communion admittirt wordeñ/ doch
noch eine lange zeit mit den andern ſtetig in ihrer information, damit das publi-
cum
und privatum examinen einander die hand biete. Der Herr ſegne noch
ferner ſeyn werck bey uns und an allen orten/ Amen.
SECTIO XVI.
Von befragung der alten/ in der/ catechiſation.
Von dem amt der Prediger bey anſteckenden
kranckheiten.
Die I. Frage.
Ob vor gut befinde/ wann von einigem Prediger die erwach-
ſene und verehlichte perſonen ſoñtags zu mittage gleich der jugend aus
dem
catechismo examiniret werden/ weil hiebey angemercket wird/
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[61/0861] ARTIC. IV. SECT. XVI. 7. Jn den ſchulen wird ſolche woche mit aller jugend gerad dasjenige haupt- ſtuͤck tractiret/ was ſontags vorkommen ſolle. 8. Damit ſie gleichwol/ wo ſie wollen/ die materien alle/ welche in denen penſis vorkommen/ etlicher maſſen erleutert ſehen/ und die vornehmſte ſpruͤche finden koͤnnen/ habe ich vor etlichen jahren meine catechiſmus erklaͤrungen in fra- gen drucken laſſen/ welche ihrer viel haben/ und zu hauß nachleſen: niemand aber das wenigſte davon auswendig zu lernen veranlaſſet wird. 9. Weil man alſo der jugend keine groſſe catechismos gibt/ daß ſie viel aus- wendig lernen muͤſſen/ werden ſie nicht ſo verdroſſen/ und weilen die fragen auch nicht conceptis formulis geſchehen/ auch offt variirt werden/ daß man ſie alle- mahl nicht auff wort/ ſondern den verſtand ſelbs weiſet/ ſo gewehnen ſie ſich/ der ſache ſelbs nach zu dencken/ daß ſie nicht aus dem gedaͤchtnuß/ ſondern eigenen ſinn und erkaͤntnus/ antworten. Welches nachmal beſſer hafften bleibet/ als alles mit muͤhe auswendig gelernete/ da ſonſten ſich die leute an bloſſe wort bin- den/ und deswegen auff den verſtand nie recht achten/ auch deswegen nicht mei- nen/ daß ſie antworten koͤnten/ wo ſie nicht gerad ſolche wort wiſſen/ welche ſie auff eine ſolche frag gelernet haben. 10. Welche zu dem tiſch des Herrn gehen ſollen/ werden vorhin von ihren eltern zu den beichtvatter gebracht: der ſie alsdenn mehrmahl zu ſich kommen laͤſſet/ und ſie privatim examinando informiret: daher die meiſte Prediger/ wel- che ſolcher examinandorum eine ſtarcke anzahl haben/ zu einem compendio ih- rer arbeit woͤchentlich ein oder auch etliche mahl ſie zu hauß zu ſich laſſen kommen/ und alſo die privat kinderlehr mit ihnen halten/ ſie auch nicht eher confirmiren/ biß ſie nach dem maß ihrer gaben ein gnugſames gefaſſet haben: Sie behalten ſie auch mannigmahl/ wann ſie ſchon zu der communion admittirt wordeñ/ doch noch eine lange zeit mit den andern ſtetig in ihrer information, damit das publi- cum und privatum examinen einander die hand biete. Der Herr ſegne noch ferner ſeyn werck bey uns und an allen orten/ Amen. SECTIO XVI. Von befragung der alten/ in der/ catechiſation. Von dem amt der Prediger bey anſteckenden kranckheiten. Die I. Frage. Ob vor gut befinde/ wann von einigem Prediger die erwach- ſene und verehlichte perſonen ſoñtags zu mittage gleich der jugend aus dem catechismo examiniret werden/ weil hiebey angemercket wird/ daß die wenigſte ſolchen Gottes dienſt beſuchen? Es h 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/861>, abgerufen am 28.03.2024.