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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. IV. SECT. XXIII.
chen vergleich/ dazu Prediger allezeit am liebsten alles richten sollen/ schwerer ins
künfftige gebracht werden können: so dann auch wo dardurch das vertrauen ge-
gen den Prediger geschlagen/ die andacht gestöhret/ und ein ausbleiben von des
versammlung auff eine weil veranlasset wird. Ob dann wol auch der gegener
schuld/ da sie sich nicht zu gnugsamer christlicher gedult zu schicken und sich der per-
sonen fehler von dem amt unterscheidende/ zu überwinden wissen/ mit einläufft/
verringert doch auch dieselbe des Predigers ungebühr nicht/ der sie darzu veran-
lasset hat. Der HErr aber steure allen ärgernissen/ gebe die schuld den schuldi-
gen zu erkennen/ und vereinige wiederum die etwa zerrüttete gemüther durch den
geist der liebe und des friedens. 1691.

SECTIO XXIII.
Ob mit guten gewissen in den Vorbitten einige
titul der
graduirten/ vornehmen kauffleute oder dergleichen
gebraucht werden können.

1.

WUnschte ich/ wo die sache erst einzuführen wäre/ daß solches nicht gesche-
he/ sondern aller unterscheid der person auch in diesem stück/ so vor Got-
tes angesicht geschiehet/ unterbliebe/ als welches der einfalt/ so allen
unsern cultum am besten ziehret/ am gemässesten wäre/ und niemand keinen an-
stoß oder scrupel machte. Wie mich auch fast eckelt/ da wir in den gebeten der-
gleichen titel inseriret haben/ und solche allemahl so ablese/ daß ich in der seelen
verlangte/ es wäre nicht/ auch gewiß deswegen/ wo ich etwas auffsetzen würde/
sie lieber weniger/ als höher machen würde. Sehe also die sache an/ als etwas/
daß ich entschuldige/ und mit gedult trage/ nicht aber lobe.

2. Wolte ich/ so viel möglich wäre/ trachten/ ob gute freunde möchten mit liebe
zur unterlassung gebracht werden/ nemlich/ daß sie selbs dergleichen bey sich und
den ihrigen ablegten/ und nichts von tituln zumutheten. Jch hoffe auch/ wenn
unterschiedliche exempel/ sonderlich von den vornehmern/ sich finden würden/ die
aus christlichen hertzen selbs verlangten/ daß die vorbitten vor sie ohne dergleichen
expressionen geschehe/ und solches alsdenn mit fleiß andern bekannt gemacht und
gerühmet würde/ es solten darnach immer mehr solchen exempeln folgen/ und all-
gemach die gewohnheit gantz abgehen.

3. Wo Prediger neben den tituln/ so jeglichem nach itziger der zeit art in sei-
nem stande und grad gehören/ noch weitern unterschied machen/ zum exempel in
der vorbitte bey den vornehmern mehrere expressiones des voti oder dergleichen

thun/

ARTIC. IV. SECT. XXIII.
chen vergleich/ dazu Prediger allezeit am liebſten alles richten ſollen/ ſchwerer ins
kuͤnfftige gebracht werden koͤnnen: ſo dann auch wo dardurch das vertrauen ge-
gen den Prediger geſchlagen/ die andacht geſtoͤhret/ und ein ausbleiben von des
verſammlung auff eine weil veranlaſſet wird. Ob dann wol auch der gegener
ſchuld/ da ſie ſich nicht zu gnugſamer chriſtlicher gedult zu ſchicken und ſich der per-
ſonen fehler von dem amt unterſcheidende/ zu uͤberwinden wiſſen/ mit einlaͤufft/
verringert doch auch dieſelbe des Predigers ungebuͤhr nicht/ der ſie darzu veran-
laſſet hat. Der HErr aber ſteure allen aͤrgerniſſen/ gebe die ſchuld den ſchuldi-
gen zu erkennen/ und vereinige wiederum die etwa zerruͤttete gemuͤther durch den
geiſt der liebe und des friedens. 1691.

SECTIO XXIII.
Ob mit guten gewiſſen in den Vorbitten einige
titul der
graduirten/ vornehmen kauffleute oder dergleichen
gebraucht werden koͤnnen.

1.

WUnſchte ich/ wo die ſache erſt einzufuͤhren waͤre/ daß ſolches nicht geſche-
he/ ſondern aller unterſcheid der perſon auch in dieſem ſtuͤck/ ſo vor Got-
tes angeſicht geſchiehet/ unterbliebe/ als welches der einfalt/ ſo allen
unſern cultum am beſten ziehret/ am gemaͤſſeſten waͤre/ und niemand keinen an-
ſtoß oder ſcrupel machte. Wie mich auch faſt eckelt/ da wir in den gebeten der-
gleichen titel inſeriret haben/ und ſolche allemahl ſo ableſe/ daß ich in der ſeelen
verlangte/ es waͤre nicht/ auch gewiß deswegen/ wo ich etwas auffſetzen wuͤrde/
ſie lieber weniger/ als hoͤher machen wuͤrde. Sehe alſo die ſache an/ als etwas/
daß ich entſchuldige/ und mit gedult trage/ nicht aber lobe.

2. Wolte ich/ ſo viel moͤglich waͤre/ trachten/ ob gute freunde moͤchten mit liebe
zur unterlaſſung gebracht werden/ nemlich/ daß ſie ſelbs dergleichen bey ſich und
den ihrigen ablegten/ und nichts von tituln zumutheten. Jch hoffe auch/ wenn
unterſchiedliche exempel/ ſonderlich von den vornehmern/ ſich finden wuͤrden/ die
aus chriſtlichen hertzen ſelbs verlangten/ daß die vorbitten vor ſie ohne dergleichen
expreſſionen geſchehe/ und ſolches alsdenn mit fleiß andern bekannt gemacht und
geruͤhmet wuͤrde/ es ſolten darnach immer mehr ſolchen exempeln folgen/ und all-
gemach die gewohnheit gantz abgehen.

3. Wo Prediger neben den tituln/ ſo jeglichem nach itziger der zeit art in ſei-
nem ſtande und grad gehoͤren/ noch weitern unterſchied machen/ zum exempel in
der vorbitte bey den vornehmern mehrere expreſſiones des voti oder dergleichen

thun/
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[87/0887] ARTIC. IV. SECT. XXIII. chen vergleich/ dazu Prediger allezeit am liebſten alles richten ſollen/ ſchwerer ins kuͤnfftige gebracht werden koͤnnen: ſo dann auch wo dardurch das vertrauen ge- gen den Prediger geſchlagen/ die andacht geſtoͤhret/ und ein ausbleiben von des verſammlung auff eine weil veranlaſſet wird. Ob dann wol auch der gegener ſchuld/ da ſie ſich nicht zu gnugſamer chriſtlicher gedult zu ſchicken und ſich der per- ſonen fehler von dem amt unterſcheidende/ zu uͤberwinden wiſſen/ mit einlaͤufft/ verringert doch auch dieſelbe des Predigers ungebuͤhr nicht/ der ſie darzu veran- laſſet hat. Der HErr aber ſteure allen aͤrgerniſſen/ gebe die ſchuld den ſchuldi- gen zu erkennen/ und vereinige wiederum die etwa zerruͤttete gemuͤther durch den geiſt der liebe und des friedens. 1691. SECTIO XXIII. Ob mit guten gewiſſen in den Vorbitten einige titul der graduirten/ vornehmen kauffleute oder dergleichen gebraucht werden koͤnnen. 1. WUnſchte ich/ wo die ſache erſt einzufuͤhren waͤre/ daß ſolches nicht geſche- he/ ſondern aller unterſcheid der perſon auch in dieſem ſtuͤck/ ſo vor Got- tes angeſicht geſchiehet/ unterbliebe/ als welches der einfalt/ ſo allen unſern cultum am beſten ziehret/ am gemaͤſſeſten waͤre/ und niemand keinen an- ſtoß oder ſcrupel machte. Wie mich auch faſt eckelt/ da wir in den gebeten der- gleichen titel inſeriret haben/ und ſolche allemahl ſo ableſe/ daß ich in der ſeelen verlangte/ es waͤre nicht/ auch gewiß deswegen/ wo ich etwas auffſetzen wuͤrde/ ſie lieber weniger/ als hoͤher machen wuͤrde. Sehe alſo die ſache an/ als etwas/ daß ich entſchuldige/ und mit gedult trage/ nicht aber lobe. 2. Wolte ich/ ſo viel moͤglich waͤre/ trachten/ ob gute freunde moͤchten mit liebe zur unterlaſſung gebracht werden/ nemlich/ daß ſie ſelbs dergleichen bey ſich und den ihrigen ablegten/ und nichts von tituln zumutheten. Jch hoffe auch/ wenn unterſchiedliche exempel/ ſonderlich von den vornehmern/ ſich finden wuͤrden/ die aus chriſtlichen hertzen ſelbs verlangten/ daß die vorbitten vor ſie ohne dergleichen expreſſionen geſchehe/ und ſolches alsdenn mit fleiß andern bekannt gemacht und geruͤhmet wuͤrde/ es ſolten darnach immer mehr ſolchen exempeln folgen/ und all- gemach die gewohnheit gantz abgehen. 3. Wo Prediger neben den tituln/ ſo jeglichem nach itziger der zeit art in ſei- nem ſtande und grad gehoͤren/ noch weitern unterſchied machen/ zum exempel in der vorbitte bey den vornehmern mehrere expreſſiones des voti oder dergleichen thun/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/887>, abgerufen am 28.03.2024.