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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

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Grenwitz. Meine Frau, die mich erst vor ein paar
Wochen mit einem allerliebsten kleinen Mädchen be¬
schenkt hat, und sich noch nicht kräftig genug fühlt,
so große Gesellschaften mitzumachen, wird sich freuen,
Sie kennen zu lernen. Wenn Sie mir einen Tag
bestimmen wollen, schicke ich Ihnen meinen Wagen."

"Ich nehme Ihre Einladung mit Dank an," sagte
Oswald, der sich einigermaßen durch die liebenswür¬
dige Freundlichkeit eines Mannes aus dem von ihm
so sehr gehaßten Stande beschämt fühlte. "Sollen wir
sagen, nächsten Sonntag?"

"Sie sind jeder Zeit willkommen; wenn Sie die
Knaben mitbringen wollen, thun Sie es ja; ich habe
ein Paar Ponys, die den Jungen besser gefallen wer¬
den, als Cornel und Ovid zusammen. -- Ach, Herr
des Himmels! Incidit in Scyllam, qui vult vitare
Charybdim
! Dort biegt die Gräfin Grieben an der
Spitze ihrer Suite um die Ecke. Sauve qui peut!"

Die jungen Männer schlugen einen andern Gang
ein, der den ersten rechtwinklig durchschnitt, und waren
bald den herankommenden Damen aus den Augen.
Oswald seinerseits wäre eben so gern geblieben, denn
er hatte in der "Suite" auch Melitta bemerkt und
gehofft, wenigstens im Vorübergehen einen Blick von
ihr zu erhaschen; aber er hielt es für seine Pflicht,

Grenwitz. Meine Frau, die mich erſt vor ein paar
Wochen mit einem allerliebſten kleinen Mädchen be¬
ſchenkt hat, und ſich noch nicht kräftig genug fühlt,
ſo große Geſellſchaften mitzumachen, wird ſich freuen,
Sie kennen zu lernen. Wenn Sie mir einen Tag
beſtimmen wollen, ſchicke ich Ihnen meinen Wagen.“

„Ich nehme Ihre Einladung mit Dank an,“ ſagte
Oswald, der ſich einigermaßen durch die liebenswür¬
dige Freundlichkeit eines Mannes aus dem von ihm
ſo ſehr gehaßten Stande beſchämt fühlte. „Sollen wir
ſagen, nächſten Sonntag?“

„Sie ſind jeder Zeit willkommen; wenn Sie die
Knaben mitbringen wollen, thun Sie es ja; ich habe
ein Paar Ponys, die den Jungen beſſer gefallen wer¬
den, als Cornel und Ovid zuſammen. — Ach, Herr
des Himmels! Incidit in Scyllam, qui vult vitare
Charybdim
! Dort biegt die Gräfin Grieben an der
Spitze ihrer Suite um die Ecke. Sauve qui peut!“

Die jungen Männer ſchlugen einen andern Gang
ein, der den erſten rechtwinklig durchſchnitt, und waren
bald den herankommenden Damen aus den Augen.
Oswald ſeinerſeits wäre eben ſo gern geblieben, denn
er hatte in der „Suite“ auch Melitta bemerkt und
gehofft, wenigſtens im Vorübergehen einen Blick von
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[36/0046] Grenwitz. Meine Frau, die mich erſt vor ein paar Wochen mit einem allerliebſten kleinen Mädchen be¬ ſchenkt hat, und ſich noch nicht kräftig genug fühlt, ſo große Geſellſchaften mitzumachen, wird ſich freuen, Sie kennen zu lernen. Wenn Sie mir einen Tag beſtimmen wollen, ſchicke ich Ihnen meinen Wagen.“ „Ich nehme Ihre Einladung mit Dank an,“ ſagte Oswald, der ſich einigermaßen durch die liebenswür¬ dige Freundlichkeit eines Mannes aus dem von ihm ſo ſehr gehaßten Stande beſchämt fühlte. „Sollen wir ſagen, nächſten Sonntag?“ „Sie ſind jeder Zeit willkommen; wenn Sie die Knaben mitbringen wollen, thun Sie es ja; ich habe ein Paar Ponys, die den Jungen beſſer gefallen wer¬ den, als Cornel und Ovid zuſammen. — Ach, Herr des Himmels! Incidit in Scyllam, qui vult vitare Charybdim! Dort biegt die Gräfin Grieben an der Spitze ihrer Suite um die Ecke. Sauve qui peut!“ Die jungen Männer ſchlugen einen andern Gang ein, der den erſten rechtwinklig durchſchnitt, und waren bald den herankommenden Damen aus den Augen. Oswald ſeinerſeits wäre eben ſo gern geblieben, denn er hatte in der „Suite“ auch Melitta bemerkt und gehofft, wenigſtens im Vorübergehen einen Blick von ihr zu erhaſchen; aber er hielt es für ſeine Pflicht,

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/46>, abgerufen am 20.04.2024.