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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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fähig, Gegenstand des Privateigenthums zu sein. Es hat aber zweitens
vermöge seiner Natur die Bestimmung, als ein allgemeines Element
des gesammten persönlichen und wirthschaftlichen Lebens zu dienen.
Daraus entstehen die beiden naturgemäßen großen Theile der Bildung
des Wasserrechts, die wir demnach das Privatrecht und das öffent-
liche Recht
des Wassers nennen. Das letztere beruht darauf, daß
das Wasser in allen Formen als Bedingung der persönlichen und wirth-
schaftlichen Entwicklung Gegenstand der Verwaltung und daß sein
öffentliches Recht daher unbedingt ein Theil des Verwaltungsrechts ist.
Und die Gesammtheit derjenigen Bestimmungen, Anstalten und Thätig-
keiten, vermöge deren die Verhältnisse des Wassers in der Weise im
allgemeinen Interesse geordnet werden, daß dasselbe alle Bedin-
gungen der Entwicklung des physischen und wirthschaft-
lichen Lebens eines Volkes erfüllt, welche zu erfüllen
es fähig ist
, nennen wir das Wasserwesen.

So einfach nun auch diese Begriffe an sich sind, so ist es dennoch
die Aufgabe von Jahrhunderten gewesen, die erste Voraussetzung alles
Wasserverwaltungsrechts, die Gränze zwischen dem Privat- und öffent-
lichen Recht des Wassers festzustellen. Der Kampf zwischen beiden bildet
die Geschichte des Wasserrechts. Erst nachdem derselbe nach den heftig-
sten Bewegungen beendet ist, ist das heutige System in seinen Grund-
lagen, wenn auch noch nicht in seiner Form, dafür anerkannt worden.

Elemente der Geschichte des Wasserrechts.

Die Geschichte des Wasserrechts muß demnach vom höheren Stand-
punkt aufgefaßt werden als derjenige Proceß, durch welchen die Idee des
volkswirthschaftlichen Wasserwesens sich gegenüber dem (bürgerlichen),
privaten und ständischen Wasserrecht und seinen Wasserordnungen Gel-
tung verschafft.

Ein Wasserwesen kann überhaupt erst da entstehen, wo das wirth-
schaftliche Leben des Volkes Zustände und Unternehmungen entwickelt,
für welche Gebrauch und Verwendung des Wassers zu unabweisbaren
Bedingungen werden, so weit es sich nicht um örtlichen Wasserschutz
handelt. So lange das nicht der Fall ist, erscheint das Wasser im
Rechtsleben eines Volkes überhaupt nicht. Es entwickelt sich deßhalb
stets erst da, wo das Privateigenthum an Wasser mit dem öffentlichen
Gebrauch desselben in Gegensatz tritt. Sein erster und naturgemäßer
Inhalt ist deßhalb stets die Bestimmung der Gränze zwischen dem
Privat- und öffentlichen Wasser, seine erste Aufgabe, den Gebrauch des
als öffentlich anerkannten Wassers vor den Eingriffen der Einzelnen
zu schützen (Wasserrecht und Wasserpolizei). Dieß ist der Standpunkt

fähig, Gegenſtand des Privateigenthums zu ſein. Es hat aber zweitens
vermöge ſeiner Natur die Beſtimmung, als ein allgemeines Element
des geſammten perſönlichen und wirthſchaftlichen Lebens zu dienen.
Daraus entſtehen die beiden naturgemäßen großen Theile der Bildung
des Waſſerrechts, die wir demnach das Privatrecht und das öffent-
liche Recht
des Waſſers nennen. Das letztere beruht darauf, daß
das Waſſer in allen Formen als Bedingung der perſönlichen und wirth-
ſchaftlichen Entwicklung Gegenſtand der Verwaltung und daß ſein
öffentliches Recht daher unbedingt ein Theil des Verwaltungsrechts iſt.
Und die Geſammtheit derjenigen Beſtimmungen, Anſtalten und Thätig-
keiten, vermöge deren die Verhältniſſe des Waſſers in der Weiſe im
allgemeinen Intereſſe geordnet werden, daß daſſelbe alle Bedin-
gungen der Entwicklung des phyſiſchen und wirthſchaft-
lichen Lebens eines Volkes erfüllt, welche zu erfüllen
es fähig iſt
, nennen wir das Waſſerweſen.

So einfach nun auch dieſe Begriffe an ſich ſind, ſo iſt es dennoch
die Aufgabe von Jahrhunderten geweſen, die erſte Vorausſetzung alles
Waſſerverwaltungsrechts, die Gränze zwiſchen dem Privat- und öffent-
lichen Recht des Waſſers feſtzuſtellen. Der Kampf zwiſchen beiden bildet
die Geſchichte des Waſſerrechts. Erſt nachdem derſelbe nach den heftig-
ſten Bewegungen beendet iſt, iſt das heutige Syſtem in ſeinen Grund-
lagen, wenn auch noch nicht in ſeiner Form, dafür anerkannt worden.

Elemente der Geſchichte des Waſſerrechts.

Die Geſchichte des Waſſerrechts muß demnach vom höheren Stand-
punkt aufgefaßt werden als derjenige Proceß, durch welchen die Idee des
volkswirthſchaftlichen Waſſerweſens ſich gegenüber dem (bürgerlichen),
privaten und ſtändiſchen Waſſerrecht und ſeinen Waſſerordnungen Gel-
tung verſchafft.

Ein Waſſerweſen kann überhaupt erſt da entſtehen, wo das wirth-
ſchaftliche Leben des Volkes Zuſtände und Unternehmungen entwickelt,
für welche Gebrauch und Verwendung des Waſſers zu unabweisbaren
Bedingungen werden, ſo weit es ſich nicht um örtlichen Waſſerſchutz
handelt. So lange das nicht der Fall iſt, erſcheint das Waſſer im
Rechtsleben eines Volkes überhaupt nicht. Es entwickelt ſich deßhalb
ſtets erſt da, wo das Privateigenthum an Waſſer mit dem öffentlichen
Gebrauch deſſelben in Gegenſatz tritt. Sein erſter und naturgemäßer
Inhalt iſt deßhalb ſtets die Beſtimmung der Gränze zwiſchen dem
Privat- und öffentlichen Waſſer, ſeine erſte Aufgabe, den Gebrauch des
als öffentlich anerkannten Waſſers vor den Eingriffen der Einzelnen
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[154/0178] fähig, Gegenſtand des Privateigenthums zu ſein. Es hat aber zweitens vermöge ſeiner Natur die Beſtimmung, als ein allgemeines Element des geſammten perſönlichen und wirthſchaftlichen Lebens zu dienen. Daraus entſtehen die beiden naturgemäßen großen Theile der Bildung des Waſſerrechts, die wir demnach das Privatrecht und das öffent- liche Recht des Waſſers nennen. Das letztere beruht darauf, daß das Waſſer in allen Formen als Bedingung der perſönlichen und wirth- ſchaftlichen Entwicklung Gegenſtand der Verwaltung und daß ſein öffentliches Recht daher unbedingt ein Theil des Verwaltungsrechts iſt. Und die Geſammtheit derjenigen Beſtimmungen, Anſtalten und Thätig- keiten, vermöge deren die Verhältniſſe des Waſſers in der Weiſe im allgemeinen Intereſſe geordnet werden, daß daſſelbe alle Bedin- gungen der Entwicklung des phyſiſchen und wirthſchaft- lichen Lebens eines Volkes erfüllt, welche zu erfüllen es fähig iſt, nennen wir das Waſſerweſen. So einfach nun auch dieſe Begriffe an ſich ſind, ſo iſt es dennoch die Aufgabe von Jahrhunderten geweſen, die erſte Vorausſetzung alles Waſſerverwaltungsrechts, die Gränze zwiſchen dem Privat- und öffent- lichen Recht des Waſſers feſtzuſtellen. Der Kampf zwiſchen beiden bildet die Geſchichte des Waſſerrechts. Erſt nachdem derſelbe nach den heftig- ſten Bewegungen beendet iſt, iſt das heutige Syſtem in ſeinen Grund- lagen, wenn auch noch nicht in ſeiner Form, dafür anerkannt worden. Elemente der Geſchichte des Waſſerrechts. Die Geſchichte des Waſſerrechts muß demnach vom höheren Stand- punkt aufgefaßt werden als derjenige Proceß, durch welchen die Idee des volkswirthſchaftlichen Waſſerweſens ſich gegenüber dem (bürgerlichen), privaten und ſtändiſchen Waſſerrecht und ſeinen Waſſerordnungen Gel- tung verſchafft. Ein Waſſerweſen kann überhaupt erſt da entſtehen, wo das wirth- ſchaftliche Leben des Volkes Zuſtände und Unternehmungen entwickelt, für welche Gebrauch und Verwendung des Waſſers zu unabweisbaren Bedingungen werden, ſo weit es ſich nicht um örtlichen Waſſerſchutz handelt. So lange das nicht der Fall iſt, erſcheint das Waſſer im Rechtsleben eines Volkes überhaupt nicht. Es entwickelt ſich deßhalb ſtets erſt da, wo das Privateigenthum an Waſſer mit dem öffentlichen Gebrauch deſſelben in Gegenſatz tritt. Sein erſter und naturgemäßer Inhalt iſt deßhalb ſtets die Beſtimmung der Gränze zwiſchen dem Privat- und öffentlichen Waſſer, ſeine erſte Aufgabe, den Gebrauch des als öffentlich anerkannten Waſſers vor den Eingriffen der Einzelnen zu ſchützen (Waſſerrecht und Waſſerpolizei). Dieß iſt der Standpunkt

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/178>, abgerufen am 29.03.2024.