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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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den Orient; italienische und griechische Dampferlinien; englische Linien über
den Ocean. -- England: neuestes Gesetz 25. 26. Vict. 63 (namentlich polizei-
licher Natur, Ordnung und Zahl der Engineers u. a.).

IV. Das Telegraphenwesen.

Das Telegraphenwesen vermittelt den momentanen Verkehr. Es
dient daher dem öffentlichen Interesse, wie Post und Bahnen. Es hat
aber zugleich den Charakter und das Recht eines Privatunternehmens;
die Bedingung des letzteren ist aber wieder aus naheliegenden Gründen
entweder die Ertragsfähigkeit, oder die Subvention. Und da nun bis-
her der wesentlichste Theil der Telegramme aus Staatsdepeschen besteht,
so besteht demgemäß mit wenig Ausnahmen das ganze Telegraphen-
wesen noch in Staatstelegraphen.

Das Telegraphen recht ist daher fast nur noch von der Seite der
reinen Verwaltung ausgebildet und hängt enge mit der Geschichte der
Telegraphen zusammen. Die ursprünglichen optischen Telegraphen
waren reine Staatsanstalt, ausschließlich im Dienst der höheren Ver-
waltung, wie der Anfang der Post. Die Einführung der Telegraphen
beim Bahndienste war der entscheidende Schritt zur Bildung neuer
Verhältnisse. Zunächst benützte man die Bahntelegraphen auch für
Verwaltungszwecke; dann gestatteten die Bahnen ausnahmsweise auch
Privatdepeschen; dann fingen die Verwaltungen an, selbständige Linien
anzulegen und die Privatdepeschen neben den öffentlichen zuzulassen;
daraus entstand die Nothwendigkeit, das Telegraphenwesen in Gemein-
schaft mit den Nachbarstaaten zu ordnen; so wurden die Verträge die
Faktoren der Rechtsbildung für das Telegraphenwesen und sind es für
Deutschland geblieben, während Englands Telegraphen als Privat-
unternehmungen auftreten und Frankreich sein Telegraphenwesen
durch eigene Gesetze geordnet hat.

Das Telegraphenrecht ist dadurch sehr einfach. Es theilt sich in
das Betriebsrecht und das Verkehrsrecht, zu welchen bei den
Telegraphengesellschaften noch das Concessionsrecht hinzukommt,
das aber nichts als ein Analogon des Bahn-Concessionsrechts ist.

Das Betriebsrecht ist wesentlich technischer Natur; die Betriebs-
ordnung muß auch bei Privattelegraphen der Aufsicht des Staates
unterworfen bleiben. Die Grundlage ist das Betriebsreglement
mit den Instruktionen. Der Organismus ist ausschließlich technischer
Natur mit Inspektion und Stationen. Wesentlich ist dabei die strenge
Polizei der Telegraphenlinien mit eigenem Strafrecht.

Das Verkehrsrecht hat dieselben Momente wie das der Bahnen,
mit den durch die Natur der Telegraphen gebotenen Modifikationen.

den Orient; italieniſche und griechiſche Dampferlinien; engliſche Linien über
den Ocean. — England: neueſtes Geſetz 25. 26. Vict. 63 (namentlich polizei-
licher Natur, Ordnung und Zahl der Engineers u. a.).

IV. Das Telegraphenweſen.

Das Telegraphenweſen vermittelt den momentanen Verkehr. Es
dient daher dem öffentlichen Intereſſe, wie Poſt und Bahnen. Es hat
aber zugleich den Charakter und das Recht eines Privatunternehmens;
die Bedingung des letzteren iſt aber wieder aus naheliegenden Gründen
entweder die Ertragsfähigkeit, oder die Subvention. Und da nun bis-
her der weſentlichſte Theil der Telegramme aus Staatsdepeſchen beſteht,
ſo beſteht demgemäß mit wenig Ausnahmen das ganze Telegraphen-
weſen noch in Staatstelegraphen.

Das Telegraphen recht iſt daher faſt nur noch von der Seite der
reinen Verwaltung ausgebildet und hängt enge mit der Geſchichte der
Telegraphen zuſammen. Die urſprünglichen optiſchen Telegraphen
waren reine Staatsanſtalt, ausſchließlich im Dienſt der höheren Ver-
waltung, wie der Anfang der Poſt. Die Einführung der Telegraphen
beim Bahndienſte war der entſcheidende Schritt zur Bildung neuer
Verhältniſſe. Zunächſt benützte man die Bahntelegraphen auch für
Verwaltungszwecke; dann geſtatteten die Bahnen ausnahmsweiſe auch
Privatdepeſchen; dann fingen die Verwaltungen an, ſelbſtändige Linien
anzulegen und die Privatdepeſchen neben den öffentlichen zuzulaſſen;
daraus entſtand die Nothwendigkeit, das Telegraphenweſen in Gemein-
ſchaft mit den Nachbarſtaaten zu ordnen; ſo wurden die Verträge die
Faktoren der Rechtsbildung für das Telegraphenweſen und ſind es für
Deutſchland geblieben, während Englands Telegraphen als Privat-
unternehmungen auftreten und Frankreich ſein Telegraphenweſen
durch eigene Geſetze geordnet hat.

Das Telegraphenrecht iſt dadurch ſehr einfach. Es theilt ſich in
das Betriebsrecht und das Verkehrsrecht, zu welchen bei den
Telegraphengeſellſchaften noch das Conceſſionsrecht hinzukommt,
das aber nichts als ein Analogon des Bahn-Conceſſionsrechts iſt.

Das Betriebsrecht iſt weſentlich techniſcher Natur; die Betriebs-
ordnung muß auch bei Privattelegraphen der Aufſicht des Staates
unterworfen bleiben. Die Grundlage iſt das Betriebsreglement
mit den Inſtruktionen. Der Organismus iſt ausſchließlich techniſcher
Natur mit Inſpektion und Stationen. Weſentlich iſt dabei die ſtrenge
Polizei der Telegraphenlinien mit eigenem Strafrecht.

Das Verkehrsrecht hat dieſelben Momente wie das der Bahnen,
mit den durch die Natur der Telegraphen gebotenen Modifikationen.

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[222/0246] den Orient; italieniſche und griechiſche Dampferlinien; engliſche Linien über den Ocean. — England: neueſtes Geſetz 25. 26. Vict. 63 (namentlich polizei- licher Natur, Ordnung und Zahl der Engineers u. a.). IV. Das Telegraphenweſen. Das Telegraphenweſen vermittelt den momentanen Verkehr. Es dient daher dem öffentlichen Intereſſe, wie Poſt und Bahnen. Es hat aber zugleich den Charakter und das Recht eines Privatunternehmens; die Bedingung des letzteren iſt aber wieder aus naheliegenden Gründen entweder die Ertragsfähigkeit, oder die Subvention. Und da nun bis- her der weſentlichſte Theil der Telegramme aus Staatsdepeſchen beſteht, ſo beſteht demgemäß mit wenig Ausnahmen das ganze Telegraphen- weſen noch in Staatstelegraphen. Das Telegraphen recht iſt daher faſt nur noch von der Seite der reinen Verwaltung ausgebildet und hängt enge mit der Geſchichte der Telegraphen zuſammen. Die urſprünglichen optiſchen Telegraphen waren reine Staatsanſtalt, ausſchließlich im Dienſt der höheren Ver- waltung, wie der Anfang der Poſt. Die Einführung der Telegraphen beim Bahndienſte war der entſcheidende Schritt zur Bildung neuer Verhältniſſe. Zunächſt benützte man die Bahntelegraphen auch für Verwaltungszwecke; dann geſtatteten die Bahnen ausnahmsweiſe auch Privatdepeſchen; dann fingen die Verwaltungen an, ſelbſtändige Linien anzulegen und die Privatdepeſchen neben den öffentlichen zuzulaſſen; daraus entſtand die Nothwendigkeit, das Telegraphenweſen in Gemein- ſchaft mit den Nachbarſtaaten zu ordnen; ſo wurden die Verträge die Faktoren der Rechtsbildung für das Telegraphenweſen und ſind es für Deutſchland geblieben, während Englands Telegraphen als Privat- unternehmungen auftreten und Frankreich ſein Telegraphenweſen durch eigene Geſetze geordnet hat. Das Telegraphenrecht iſt dadurch ſehr einfach. Es theilt ſich in das Betriebsrecht und das Verkehrsrecht, zu welchen bei den Telegraphengeſellſchaften noch das Conceſſionsrecht hinzukommt, das aber nichts als ein Analogon des Bahn-Conceſſionsrechts iſt. Das Betriebsrecht iſt weſentlich techniſcher Natur; die Betriebs- ordnung muß auch bei Privattelegraphen der Aufſicht des Staates unterworfen bleiben. Die Grundlage iſt das Betriebsreglement mit den Inſtruktionen. Der Organismus iſt ausſchließlich techniſcher Natur mit Inſpektion und Stationen. Weſentlich iſt dabei die ſtrenge Polizei der Telegraphenlinien mit eigenem Strafrecht. Das Verkehrsrecht hat dieſelben Momente wie das der Bahnen, mit den durch die Natur der Telegraphen gebotenen Modifikationen.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/246>, abgerufen am 29.03.2024.