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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Die vollziehende Gewalt.
Begriff und Wesen.

Die vollziehende Gewalt ist demnach die, vermöge der höher ent
wickelten Persönlichkeit des Staats selbständig erscheinende, mit
eigenem Organismus und eigenem Recht versehene That des Staats,
deren Inhalt eben die Verwaltung ist. Sie ist als solche die große,
den ganzen Staat durchziehende, auf jedem Punkte thätige Vermittlung
zwischen dem Willen des Staats und seinen wirklichen, natürlichen und
persönlichen Zuständen. Sie kommt in allen Gebieten des Staatslebens
beständig zur Erscheinung; allerdings aber tritt sie in der inneren Ver-
waltung bei weitem am deutlichsten hervor, so daß die letztere ohne
sie nie ganz erkannt werden kann. Von ihr als von einem selbstän-
digen Theile der Staatswissenschaft ist daher auszugehen.

Die Lehre von der vollziehenden Gewalt zerfällt in den allgemeinen
Theil mit der Darstellung der Vollzugsgewalten, der Organisa-
tion
und dem Recht derselben, und den besondern mit der Anwen-
dung dieser Grundbegriffe auf die drei Grundformen der Regierung,
der Selbstverwaltung und des Vereinswesens.

Allgemeiner Theil.
I. Die Vollzugsgewalten und die Staatsgewalt.

Die Grundlage der Lehre von der vollziehenden Gewalt sind
einzelne Momente derselben, welche wir die Vollzugsgewalten
nennen. Diese Momente sind nichts, als die Auflösung des abstrakten
Begriffes der That in die einzelnen Momente, deren Vorhandensein die
Bedingung jeder Thätigkeit ist, und die nur im Staate selbständig zur
Erscheinung gelangen. Das erste ist der auf die Thätigkeit selbst ge-
richtete selbständige Wille, den wir als Willen der vollziehenden Gewalt
die Verordnung nennen, von der sich wieder die Verfügung
scheidet als der Vollzugswille der niederen Organe. Das zweite ist die

Die vollziehende Gewalt.
Begriff und Weſen.

Die vollziehende Gewalt iſt demnach die, vermöge der höher ent
wickelten Perſönlichkeit des Staats ſelbſtändig erſcheinende, mit
eigenem Organismus und eigenem Recht verſehene That des Staats,
deren Inhalt eben die Verwaltung iſt. Sie iſt als ſolche die große,
den ganzen Staat durchziehende, auf jedem Punkte thätige Vermittlung
zwiſchen dem Willen des Staats und ſeinen wirklichen, natürlichen und
perſönlichen Zuſtänden. Sie kommt in allen Gebieten des Staatslebens
beſtändig zur Erſcheinung; allerdings aber tritt ſie in der inneren Ver-
waltung bei weitem am deutlichſten hervor, ſo daß die letztere ohne
ſie nie ganz erkannt werden kann. Von ihr als von einem ſelbſtän-
digen Theile der Staatswiſſenſchaft iſt daher auszugehen.

Die Lehre von der vollziehenden Gewalt zerfällt in den allgemeinen
Theil mit der Darſtellung der Vollzugsgewalten, der Organiſa-
tion
und dem Recht derſelben, und den beſondern mit der Anwen-
dung dieſer Grundbegriffe auf die drei Grundformen der Regierung,
der Selbſtverwaltung und des Vereinsweſens.

Allgemeiner Theil.
I. Die Vollzugsgewalten und die Staatsgewalt.

Die Grundlage der Lehre von der vollziehenden Gewalt ſind
einzelne Momente derſelben, welche wir die Vollzugsgewalten
nennen. Dieſe Momente ſind nichts, als die Auflöſung des abſtrakten
Begriffes der That in die einzelnen Momente, deren Vorhandenſein die
Bedingung jeder Thätigkeit iſt, und die nur im Staate ſelbſtändig zur
Erſcheinung gelangen. Das erſte iſt der auf die Thätigkeit ſelbſt ge-
richtete ſelbſtändige Wille, den wir als Willen der vollziehenden Gewalt
die Verordnung nennen, von der ſich wieder die Verfügung
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[[14]/0038] Die vollziehende Gewalt. Begriff und Weſen. Die vollziehende Gewalt iſt demnach die, vermöge der höher ent wickelten Perſönlichkeit des Staats ſelbſtändig erſcheinende, mit eigenem Organismus und eigenem Recht verſehene That des Staats, deren Inhalt eben die Verwaltung iſt. Sie iſt als ſolche die große, den ganzen Staat durchziehende, auf jedem Punkte thätige Vermittlung zwiſchen dem Willen des Staats und ſeinen wirklichen, natürlichen und perſönlichen Zuſtänden. Sie kommt in allen Gebieten des Staatslebens beſtändig zur Erſcheinung; allerdings aber tritt ſie in der inneren Ver- waltung bei weitem am deutlichſten hervor, ſo daß die letztere ohne ſie nie ganz erkannt werden kann. Von ihr als von einem ſelbſtän- digen Theile der Staatswiſſenſchaft iſt daher auszugehen. Die Lehre von der vollziehenden Gewalt zerfällt in den allgemeinen Theil mit der Darſtellung der Vollzugsgewalten, der Organiſa- tion und dem Recht derſelben, und den beſondern mit der Anwen- dung dieſer Grundbegriffe auf die drei Grundformen der Regierung, der Selbſtverwaltung und des Vereinsweſens. Allgemeiner Theil. I. Die Vollzugsgewalten und die Staatsgewalt. Die Grundlage der Lehre von der vollziehenden Gewalt ſind einzelne Momente derſelben, welche wir die Vollzugsgewalten nennen. Dieſe Momente ſind nichts, als die Auflöſung des abſtrakten Begriffes der That in die einzelnen Momente, deren Vorhandenſein die Bedingung jeder Thätigkeit iſt, und die nur im Staate ſelbſtändig zur Erſcheinung gelangen. Das erſte iſt der auf die Thätigkeit ſelbſt ge- richtete ſelbſtändige Wille, den wir als Willen der vollziehenden Gewalt die Verordnung nennen, von der ſich wieder die Verfügung ſcheidet als der Vollzugswille der niederen Organe. Das zweite iſt die

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. [14]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/38>, abgerufen am 18.04.2024.