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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Das System der inneren Verwaltung.

Aus den obigen allgemeinen Begriffen entsteht nun das System
der inneren Verwaltung, nicht etwa indem der Begriff und das Wesen
der letzteren weiter untersucht werden, sondern indem das Objekt der-
selben, das Leben der Persönlichkeit in der menschlichen Gemeinschaft,
sich selbst als eine organische, aus sehr verschiedenen Gebieten ein
Ganzes bildende Einheit zeigt. Während die Idee der Verwaltung
nun dieß Ganze im Auge hat, fordert natürlich die Verschiedenheit der
einzelnen Gebiete wieder eine verschiedene, zu Geschichte und Recht sich
selbständig entwickelnde Thätigkeit der Gemeinschaft. Das heißt, jeder
Theil des menschlichen Lebens hat seine Verwaltung. Damit entsteht
ein Reichthum und eine Vielgestaltigkeit des thätigen Daseins der
Menschheit, die jedes andere Leben unendlich übertrifft. Aber in dieser
fast unabsehbaren Mannigfaltigkeit, dem beständigen Wechsel des Ein-
zelnen und der nationalen Gestaltung des Ganzen muß doch die orga-
nische Einheit das letztere beherrschen. Diese nun ist, wissenschaftlich
zum Bewußtsein gebracht, das System. Das System der inneren
Verwaltung erfüllt daher die allgemeine Idee derselben mit seinem
mächtigen Leben voll concreter Kämpfe, voll fest bestimmter, juristisch
zum Ausdruck gebrachter Thatsachen. Und deßhalb ist es selbst nicht
ein Hülfsmittel und nicht eine Sache der Zweckmäßigkeit, sondern eine
absolute Voraussetzung der geistigen Beherrschung dieses so hochwichtigen
Lebensgebietes.

Die Elemente dieses Systemes erscheinen daher ihrerseits als die
elementaren Grundverhältnisse des persönlichen Lebens selbst. Aus dem
rein für sich gesetzten Leben der Person geht der erste Haupttheil, aus
dem wirthschaftlichen Leben derselben der zweite, und aus dem gesell-
schaftlichen Leben der dritte hervor. Jedes dieser Gebiete ist nun wieder
nicht eine einfache Thatsache, sondern zeigt sich alsbald selbst wieder
als ein großes System in einander greifender und doch selbständiger
Lebensverhältnisse, so daß damit die Verwaltungslehre gleichsam in
Einem großen, das ganze Gesammtleben umfassenden und ordnenden

Das Syſtem der inneren Verwaltung.

Aus den obigen allgemeinen Begriffen entſteht nun das Syſtem
der inneren Verwaltung, nicht etwa indem der Begriff und das Weſen
der letzteren weiter unterſucht werden, ſondern indem das Objekt der-
ſelben, das Leben der Perſönlichkeit in der menſchlichen Gemeinſchaft,
ſich ſelbſt als eine organiſche, aus ſehr verſchiedenen Gebieten ein
Ganzes bildende Einheit zeigt. Während die Idee der Verwaltung
nun dieß Ganze im Auge hat, fordert natürlich die Verſchiedenheit der
einzelnen Gebiete wieder eine verſchiedene, zu Geſchichte und Recht ſich
ſelbſtändig entwickelnde Thätigkeit der Gemeinſchaft. Das heißt, jeder
Theil des menſchlichen Lebens hat ſeine Verwaltung. Damit entſteht
ein Reichthum und eine Vielgeſtaltigkeit des thätigen Daſeins der
Menſchheit, die jedes andere Leben unendlich übertrifft. Aber in dieſer
faſt unabſehbaren Mannigfaltigkeit, dem beſtändigen Wechſel des Ein-
zelnen und der nationalen Geſtaltung des Ganzen muß doch die orga-
niſche Einheit das letztere beherrſchen. Dieſe nun iſt, wiſſenſchaftlich
zum Bewußtſein gebracht, das Syſtem. Das Syſtem der inneren
Verwaltung erfüllt daher die allgemeine Idee derſelben mit ſeinem
mächtigen Leben voll concreter Kämpfe, voll feſt beſtimmter, juriſtiſch
zum Ausdruck gebrachter Thatſachen. Und deßhalb iſt es ſelbſt nicht
ein Hülfsmittel und nicht eine Sache der Zweckmäßigkeit, ſondern eine
abſolute Vorausſetzung der geiſtigen Beherrſchung dieſes ſo hochwichtigen
Lebensgebietes.

Die Elemente dieſes Syſtemes erſcheinen daher ihrerſeits als die
elementaren Grundverhältniſſe des perſönlichen Lebens ſelbſt. Aus dem
rein für ſich geſetzten Leben der Perſon geht der erſte Haupttheil, aus
dem wirthſchaftlichen Leben derſelben der zweite, und aus dem geſell-
ſchaftlichen Leben der dritte hervor. Jedes dieſer Gebiete iſt nun wieder
nicht eine einfache Thatſache, ſondern zeigt ſich alsbald ſelbſt wieder
als ein großes Syſtem in einander greifender und doch ſelbſtändiger
Lebensverhältniſſe, ſo daß damit die Verwaltungslehre gleichſam in
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[[54]/0078] Das Syſtem der inneren Verwaltung. Aus den obigen allgemeinen Begriffen entſteht nun das Syſtem der inneren Verwaltung, nicht etwa indem der Begriff und das Weſen der letzteren weiter unterſucht werden, ſondern indem das Objekt der- ſelben, das Leben der Perſönlichkeit in der menſchlichen Gemeinſchaft, ſich ſelbſt als eine organiſche, aus ſehr verſchiedenen Gebieten ein Ganzes bildende Einheit zeigt. Während die Idee der Verwaltung nun dieß Ganze im Auge hat, fordert natürlich die Verſchiedenheit der einzelnen Gebiete wieder eine verſchiedene, zu Geſchichte und Recht ſich ſelbſtändig entwickelnde Thätigkeit der Gemeinſchaft. Das heißt, jeder Theil des menſchlichen Lebens hat ſeine Verwaltung. Damit entſteht ein Reichthum und eine Vielgeſtaltigkeit des thätigen Daſeins der Menſchheit, die jedes andere Leben unendlich übertrifft. Aber in dieſer faſt unabſehbaren Mannigfaltigkeit, dem beſtändigen Wechſel des Ein- zelnen und der nationalen Geſtaltung des Ganzen muß doch die orga- niſche Einheit das letztere beherrſchen. Dieſe nun iſt, wiſſenſchaftlich zum Bewußtſein gebracht, das Syſtem. Das Syſtem der inneren Verwaltung erfüllt daher die allgemeine Idee derſelben mit ſeinem mächtigen Leben voll concreter Kämpfe, voll feſt beſtimmter, juriſtiſch zum Ausdruck gebrachter Thatſachen. Und deßhalb iſt es ſelbſt nicht ein Hülfsmittel und nicht eine Sache der Zweckmäßigkeit, ſondern eine abſolute Vorausſetzung der geiſtigen Beherrſchung dieſes ſo hochwichtigen Lebensgebietes. Die Elemente dieſes Syſtemes erſcheinen daher ihrerſeits als die elementaren Grundverhältniſſe des perſönlichen Lebens ſelbſt. Aus dem rein für ſich geſetzten Leben der Perſon geht der erſte Haupttheil, aus dem wirthſchaftlichen Leben derſelben der zweite, und aus dem geſell- ſchaftlichen Leben der dritte hervor. Jedes dieſer Gebiete iſt nun wieder nicht eine einfache Thatſache, ſondern zeigt ſich alsbald ſelbſt wieder als ein großes Syſtem in einander greifender und doch ſelbſtändiger Lebensverhältniſſe, ſo daß damit die Verwaltungslehre gleichſam in Einem großen, das ganze Geſammtleben umfaſſenden und ordnenden

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. [54]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/78>, abgerufen am 28.03.2024.