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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Corporation der Sache nach in Kirche und Universität enthalten, und in einigen
formalen Resten der alten Zünfte, die aber keinen administrativen Inhalt mehr
haben, sondern nur noch als gesellige Vereine höheren Ranges fungiren. Der
Ausdruck "to-incorporate" und "corporation" bedeutet aber in England nicht
das, was wir unter Corporation verstehen, sondern nichts anderes, als die
gesetzliche Anerkennung der juristischen Persönlichkeit, und findet daher nur auf
die Gemeinden und auf das Vereinswesen Anwendung (Gneist I, §. 124). In
Deutschland ist man wie gesagt auch in den Gesetzen nicht klar, geschweige denn
in der Theorie; denn es kommt wohl vor, daß wie in der kurhessischen Ver-
fassung (Abs. V) die Ueberschrift "von ritterschaftlichen Körperschaften" lautet,
ohne daß von Körperschaften überhaupt die Rede wäre. In Preußen sind
nach der allgemeinen Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 die Reste der
alten Innungen noch als "Corporation" förmlich anerkannt, und auch mit den
entsprechenden Rechten in Betreff des Betriebes (Oberaufsicht über gewisse Ge-
werbeverhältnisse u. s. w.) ausgerüstet (Rönne II, §. 409 ff.). Daneben stehen
die kirchlichen Corporationen. In Bayern sind nur die Universitäten, die
öffentlichen Religionsgesellschaften und die Gemeinden als Corporationen anerkannt
(Pötzl, Verfassungsrecht §. 86). -- Wenn einmal das organische Wesen und
die Besonderheit der Corporationen anerkannt sein wird, wird man auch im
Stande sein, mehr darüber zu sagen; bis jetzt fehlt selbst das Material, mit
Ausnahme der Universitäten und ihrer Rechte.

3) Die Stiftungen und ihre Verwaltung.

Eine Stiftung entsteht, wenn ein Vermögen bestimmt wird, das
für die Verwirklichung eines an sich allgemeinen Zweckes in einer ein-
zelnen Person oder in ganz begränzten Verhältnissen dauernd verwendet
werden soll. Jede Stiftung hat daher beide Momente, das allgemeine
der Verwaltungsaufgabe, und das individuelle des Stifters und seines
persönlichen Willens in sich. Durch das erste gehört sie der Staats-
verwaltung, durch das zweite dem Leben der persönlichen Willkür; sie
ist stets die Erfüllung des Staatszweckes nach der willkürlichen Meinung
des Einzelnen. Das Recht der Stiftungen bestimmt sich mithin nach
beiden Elementen zugleich. Dasselbe fordert zuerst die Anerkennung
des Staats, welche die Erklärung enthält, daß Zweck und Verwendung
des gestifteten Vermögens mit dem Staatszwecke nicht im Widerspruche
stehen. Das Vermögen der Stiftung verliert dadurch den Charakter
des Privateigenthums, und wird ein Theil des öffentlichen Gutes. Es
folgt, daß, wenn der Staat die Stiftung nicht anerkennt, das Ver-
mögen wieder Privateigenthum wird, und dem Erbrecht anheimfällt,
oder herrenloses Gut wird. Es folgt ferner, daß der Staat das Recht
hat, die Stiftung selbst aufzuheben, wenn sie mit den Zwecken seiner
Verwaltung in offenen Widerspruch tritt. Allein so lange sie besteht,

Corporation der Sache nach in Kirche und Univerſität enthalten, und in einigen
formalen Reſten der alten Zünfte, die aber keinen adminiſtrativen Inhalt mehr
haben, ſondern nur noch als geſellige Vereine höheren Ranges fungiren. Der
Ausdruck „to-incorporate“ und „corporation“ bedeutet aber in England nicht
das, was wir unter Corporation verſtehen, ſondern nichts anderes, als die
geſetzliche Anerkennung der juriſtiſchen Perſönlichkeit, und findet daher nur auf
die Gemeinden und auf das Vereinsweſen Anwendung (Gneiſt I, §. 124). In
Deutſchland iſt man wie geſagt auch in den Geſetzen nicht klar, geſchweige denn
in der Theorie; denn es kommt wohl vor, daß wie in der kurheſſiſchen Ver-
faſſung (Abſ. V) die Ueberſchrift „von ritterſchaftlichen Körperſchaften“ lautet,
ohne daß von Körperſchaften überhaupt die Rede wäre. In Preußen ſind
nach der allgemeinen Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 die Reſte der
alten Innungen noch als „Corporation“ förmlich anerkannt, und auch mit den
entſprechenden Rechten in Betreff des Betriebes (Oberaufſicht über gewiſſe Ge-
werbeverhältniſſe u. ſ. w.) ausgerüſtet (Rönne II, §. 409 ff.). Daneben ſtehen
die kirchlichen Corporationen. In Bayern ſind nur die Univerſitäten, die
öffentlichen Religionsgeſellſchaften und die Gemeinden als Corporationen anerkannt
(Pötzl, Verfaſſungsrecht §. 86). — Wenn einmal das organiſche Weſen und
die Beſonderheit der Corporationen anerkannt ſein wird, wird man auch im
Stande ſein, mehr darüber zu ſagen; bis jetzt fehlt ſelbſt das Material, mit
Ausnahme der Univerſitäten und ihrer Rechte.

3) Die Stiftungen und ihre Verwaltung.

Eine Stiftung entſteht, wenn ein Vermögen beſtimmt wird, das
für die Verwirklichung eines an ſich allgemeinen Zweckes in einer ein-
zelnen Perſon oder in ganz begränzten Verhältniſſen dauernd verwendet
werden ſoll. Jede Stiftung hat daher beide Momente, das allgemeine
der Verwaltungsaufgabe, und das individuelle des Stifters und ſeines
perſönlichen Willens in ſich. Durch das erſte gehört ſie der Staats-
verwaltung, durch das zweite dem Leben der perſönlichen Willkür; ſie
iſt ſtets die Erfüllung des Staatszweckes nach der willkürlichen Meinung
des Einzelnen. Das Recht der Stiftungen beſtimmt ſich mithin nach
beiden Elementen zugleich. Daſſelbe fordert zuerſt die Anerkennung
des Staats, welche die Erklärung enthält, daß Zweck und Verwendung
des geſtifteten Vermögens mit dem Staatszwecke nicht im Widerſpruche
ſtehen. Das Vermögen der Stiftung verliert dadurch den Charakter
des Privateigenthums, und wird ein Theil des öffentlichen Gutes. Es
folgt, daß, wenn der Staat die Stiftung nicht anerkennt, das Ver-
mögen wieder Privateigenthum wird, und dem Erbrecht anheimfällt,
oder herrenloſes Gut wird. Es folgt ferner, daß der Staat das Recht
hat, die Stiftung ſelbſt aufzuheben, wenn ſie mit den Zwecken ſeiner
Verwaltung in offenen Widerſpruch tritt. Allein ſo lange ſie beſteht,

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[517/0541] Corporation der Sache nach in Kirche und Univerſität enthalten, und in einigen formalen Reſten der alten Zünfte, die aber keinen adminiſtrativen Inhalt mehr haben, ſondern nur noch als geſellige Vereine höheren Ranges fungiren. Der Ausdruck „to-incorporate“ und „corporation“ bedeutet aber in England nicht das, was wir unter Corporation verſtehen, ſondern nichts anderes, als die geſetzliche Anerkennung der juriſtiſchen Perſönlichkeit, und findet daher nur auf die Gemeinden und auf das Vereinsweſen Anwendung (Gneiſt I, §. 124). In Deutſchland iſt man wie geſagt auch in den Geſetzen nicht klar, geſchweige denn in der Theorie; denn es kommt wohl vor, daß wie in der kurheſſiſchen Ver- faſſung (Abſ. V) die Ueberſchrift „von ritterſchaftlichen Körperſchaften“ lautet, ohne daß von Körperſchaften überhaupt die Rede wäre. In Preußen ſind nach der allgemeinen Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 die Reſte der alten Innungen noch als „Corporation“ förmlich anerkannt, und auch mit den entſprechenden Rechten in Betreff des Betriebes (Oberaufſicht über gewiſſe Ge- werbeverhältniſſe u. ſ. w.) ausgerüſtet (Rönne II, §. 409 ff.). Daneben ſtehen die kirchlichen Corporationen. In Bayern ſind nur die Univerſitäten, die öffentlichen Religionsgeſellſchaften und die Gemeinden als Corporationen anerkannt (Pötzl, Verfaſſungsrecht §. 86). — Wenn einmal das organiſche Weſen und die Beſonderheit der Corporationen anerkannt ſein wird, wird man auch im Stande ſein, mehr darüber zu ſagen; bis jetzt fehlt ſelbſt das Material, mit Ausnahme der Univerſitäten und ihrer Rechte. 3) Die Stiftungen und ihre Verwaltung. Eine Stiftung entſteht, wenn ein Vermögen beſtimmt wird, das für die Verwirklichung eines an ſich allgemeinen Zweckes in einer ein- zelnen Perſon oder in ganz begränzten Verhältniſſen dauernd verwendet werden ſoll. Jede Stiftung hat daher beide Momente, das allgemeine der Verwaltungsaufgabe, und das individuelle des Stifters und ſeines perſönlichen Willens in ſich. Durch das erſte gehört ſie der Staats- verwaltung, durch das zweite dem Leben der perſönlichen Willkür; ſie iſt ſtets die Erfüllung des Staatszweckes nach der willkürlichen Meinung des Einzelnen. Das Recht der Stiftungen beſtimmt ſich mithin nach beiden Elementen zugleich. Daſſelbe fordert zuerſt die Anerkennung des Staats, welche die Erklärung enthält, daß Zweck und Verwendung des geſtifteten Vermögens mit dem Staatszwecke nicht im Widerſpruche ſtehen. Das Vermögen der Stiftung verliert dadurch den Charakter des Privateigenthums, und wird ein Theil des öffentlichen Gutes. Es folgt, daß, wenn der Staat die Stiftung nicht anerkennt, das Ver- mögen wieder Privateigenthum wird, und dem Erbrecht anheimfällt, oder herrenloſes Gut wird. Es folgt ferner, daß der Staat das Recht hat, die Stiftung ſelbſt aufzuheben, wenn ſie mit den Zwecken ſeiner Verwaltung in offenen Widerſpruch tritt. Allein ſo lange ſie beſteht,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/541>, abgerufen am 18.04.2024.