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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Erster Theil.
Das Recht der vollziehenden Gewalt.
A. System der vollziehenden Gewalt.

Wenn nunmehr nach dem Obigen der Begriff der vollziehenden
Gewalt feststeht, so ist der einfache Begriff des Rechts derselben nicht
schwierig. Es ist das Recht der, als selbständig gedachten Kraft und
Thätigkeit des Staats innerhalb der Staatsorganismus, also sowohl
dem Gebiete der gesetzgebenden Organe, als der einzelnen selbständigen
Persönlichkeit gegenüber, oder mit einem Worte der Staatsgewalt
im weitesten Sinne
.

Allein dieser einfache Begriff reicht nicht aus; und zwar darum
nicht, weil zwar im einzelnen Menschen die Kraft etwas Einfaches ist,
nicht aber im Staate. Im Staate zeigt sich vielmehr, daß diese Kraft
selbst wieder ganz bestimmt geschiedene Momente hat, die zwar zusam-
men ein Ganzes bilden, aber dennoch als selbständige erscheinen, und
auch von jedermann als solche anerkannt werden. Das Recht der Kraft
des Staats hat daher seinen Inhalt erst an diesen selbständigen Mo-
menten derselben, und zwar in der Weise, daß die Natur dieser Mo-
mente so viel Recht sich selber schafft, als sie fordern müssen, um ihre
organische Funktion vollziehen zu können. Das Recht der vollziehenden
Gewalt wird daher zur Consequenz dieser organischen Natur jener Ele-
mente, und in der That ergibt sich wie wir sehen werden, nur auf
dieser Grundlage ein wirkliches Rechtssystem für die vollziehende Ge-
walt, das seinerseits sich als eines der Hauptgebiete des öffentlichen
Rechts betrachten darf. Nur muß man dabei festhalten, daß auch diese
Momente nicht etwa eine für sich daseiende, abstrakte Erscheinung haben,
sondern nur in der eigentlichen, wirklichen Verwaltung zur concreten
Geltung kommen. Alle folgenden Begriffe sind daher Grundsätze und
Rechtsbestimmungen für die vollziehende Gewalt in der praktischen Thä-
tigkeit der wirklichen Verwaltung, also in Finanzen, Rechtspflege

Erſter Theil.
Das Recht der vollziehenden Gewalt.
A. Syſtem der vollziehenden Gewalt.

Wenn nunmehr nach dem Obigen der Begriff der vollziehenden
Gewalt feſtſteht, ſo iſt der einfache Begriff des Rechts derſelben nicht
ſchwierig. Es iſt das Recht der, als ſelbſtändig gedachten Kraft und
Thätigkeit des Staats innerhalb der Staatsorganismus, alſo ſowohl
dem Gebiete der geſetzgebenden Organe, als der einzelnen ſelbſtändigen
Perſönlichkeit gegenüber, oder mit einem Worte der Staatsgewalt
im weiteſten Sinne
.

Allein dieſer einfache Begriff reicht nicht aus; und zwar darum
nicht, weil zwar im einzelnen Menſchen die Kraft etwas Einfaches iſt,
nicht aber im Staate. Im Staate zeigt ſich vielmehr, daß dieſe Kraft
ſelbſt wieder ganz beſtimmt geſchiedene Momente hat, die zwar zuſam-
men ein Ganzes bilden, aber dennoch als ſelbſtändige erſcheinen, und
auch von jedermann als ſolche anerkannt werden. Das Recht der Kraft
des Staats hat daher ſeinen Inhalt erſt an dieſen ſelbſtändigen Mo-
menten derſelben, und zwar in der Weiſe, daß die Natur dieſer Mo-
mente ſo viel Recht ſich ſelber ſchafft, als ſie fordern müſſen, um ihre
organiſche Funktion vollziehen zu können. Das Recht der vollziehenden
Gewalt wird daher zur Conſequenz dieſer organiſchen Natur jener Ele-
mente, und in der That ergibt ſich wie wir ſehen werden, nur auf
dieſer Grundlage ein wirkliches Rechtsſyſtem für die vollziehende Ge-
walt, das ſeinerſeits ſich als eines der Hauptgebiete des öffentlichen
Rechts betrachten darf. Nur muß man dabei feſthalten, daß auch dieſe
Momente nicht etwa eine für ſich daſeiende, abſtrakte Erſcheinung haben,
ſondern nur in der eigentlichen, wirklichen Verwaltung zur concreten
Geltung kommen. Alle folgenden Begriffe ſind daher Grundſätze und
Rechtsbeſtimmungen für die vollziehende Gewalt in der praktiſchen Thä-
tigkeit der wirklichen Verwaltung, alſo in Finanzen, Rechtspflege

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[[39]/0063] Erſter Theil. Das Recht der vollziehenden Gewalt. A. Syſtem der vollziehenden Gewalt. Wenn nunmehr nach dem Obigen der Begriff der vollziehenden Gewalt feſtſteht, ſo iſt der einfache Begriff des Rechts derſelben nicht ſchwierig. Es iſt das Recht der, als ſelbſtändig gedachten Kraft und Thätigkeit des Staats innerhalb der Staatsorganismus, alſo ſowohl dem Gebiete der geſetzgebenden Organe, als der einzelnen ſelbſtändigen Perſönlichkeit gegenüber, oder mit einem Worte der Staatsgewalt im weiteſten Sinne. Allein dieſer einfache Begriff reicht nicht aus; und zwar darum nicht, weil zwar im einzelnen Menſchen die Kraft etwas Einfaches iſt, nicht aber im Staate. Im Staate zeigt ſich vielmehr, daß dieſe Kraft ſelbſt wieder ganz beſtimmt geſchiedene Momente hat, die zwar zuſam- men ein Ganzes bilden, aber dennoch als ſelbſtändige erſcheinen, und auch von jedermann als ſolche anerkannt werden. Das Recht der Kraft des Staats hat daher ſeinen Inhalt erſt an dieſen ſelbſtändigen Mo- menten derſelben, und zwar in der Weiſe, daß die Natur dieſer Mo- mente ſo viel Recht ſich ſelber ſchafft, als ſie fordern müſſen, um ihre organiſche Funktion vollziehen zu können. Das Recht der vollziehenden Gewalt wird daher zur Conſequenz dieſer organiſchen Natur jener Ele- mente, und in der That ergibt ſich wie wir ſehen werden, nur auf dieſer Grundlage ein wirkliches Rechtsſyſtem für die vollziehende Ge- walt, das ſeinerſeits ſich als eines der Hauptgebiete des öffentlichen Rechts betrachten darf. Nur muß man dabei feſthalten, daß auch dieſe Momente nicht etwa eine für ſich daſeiende, abſtrakte Erſcheinung haben, ſondern nur in der eigentlichen, wirklichen Verwaltung zur concreten Geltung kommen. Alle folgenden Begriffe ſind daher Grundſätze und Rechtsbeſtimmungen für die vollziehende Gewalt in der praktiſchen Thä- tigkeit der wirklichen Verwaltung, alſo in Finanzen, Rechtspflege

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. [39]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/63>, abgerufen am 28.03.2024.