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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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unter die rein bürgerlichen Grundsätze des Privatrechts; sowie aber
die Gesellschaft sich zum Verein erhebt, sei es unmittelbar durch ihren
Zweck, sei es durch ihre Kapitalsbildung vermöge der Aktie, so tritt
ein zweites Verhältniß ein. Jene Diener der gesellschaftlichen Vereine
treten in eine bestimmte Beziehung zum Staat in seiner Verwaltung,
und jetzt erst, bei dem Vereinswesen im Gegensatz zum Gesellschafts-
wesen, kann man von Angestellten und ihrem Rechte reden.

Die Angestellten des Vereinswesens haben nämlich alle bis zu einem
gewissen Grade öffentliche Zwecke zu vollziehen, da jeder Vereinszweck
ein öffentlicher ist. Ja es kann in manchen Fällen die amtliche Polizei
und selbst ein Theil der Verordnungsgewalt auf sie übertragen werden,
wie bei Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. Dennoch sind sie niemals
Beamtete. Und zwar darum nicht, weil die Uebernahme eines Dienstes
kein Lebensberuf, sondern ein wirthschaftlicher Erwerb ist. Der Zweck
des Vereins kann an und für sich das geistige Leben keiner Persönlichkeit
ausfüllen, weil alles was mit ihm zusammenhängt und geistiges Interesse
erweckt, eben außerhalb des eigentlichen Vereinszwecks liegt, während
der Staatszweck, dessen Organ auch der unterste Beamtete ist, durch
seine Unendlichkeit den Dienst zum Berufe macht. Daher hat der
Vereinsdienst niemals den Charakter der öffentlichen Ehre, wie das
Amt; und es würde das Wesen der Vereine ändern, wenn dieß anders
und dem Vereinsangestellten ein öffentlicher Rang gegeben würde. Das
ganze Verhältniß ist daher nicht das ethische des Beamtenthums,
sondern das wirthschaftliche des Mandats. Und dieser Gesichts-
punkt wirkt entscheidend für das ganze Rechtsverhältniß der Angestellten
im Vereinswesen.

Geht man davon aus, so charakterisirt sich auch der Unterschied der
Direktion und der Angestellten in den Rechtsverhältnissen, welche zwischen
ihnen und dem Vereine entstehen.

a) Die Direktion.

Die Mitglieder der Direktion bekommen ihre Anstellung so gut wie
die Bediensteten durch einen Vertrag; allein es ist weder nöthig noch
möglich, in dem Dienstvertrage die Aufgaben der Direktion genau zu
bestimmen. Jeder solcher Vertrag enthält im Gegentheil die Voraus-
setzung, daß der Direktor, als Fachmann, selbst die fachmäßig noth-
wendigen Aufgaben kennen muß. Die Annahme einer Stellung als
Direktor macht denselben daher an und für sich dafür verantwortlich,
daß er sich selbst im Geiste des Vereinszwecks und seiner fachmännischen
Bedürfnisse seine speziellen Aufgaben bestimmen werde; deßhalb haftet
der Direktor dafür persönlich, daß er dieß thue, sowie für den Schaden,

unter die rein bürgerlichen Grundſätze des Privatrechts; ſowie aber
die Geſellſchaft ſich zum Verein erhebt, ſei es unmittelbar durch ihren
Zweck, ſei es durch ihre Kapitalsbildung vermöge der Aktie, ſo tritt
ein zweites Verhältniß ein. Jene Diener der geſellſchaftlichen Vereine
treten in eine beſtimmte Beziehung zum Staat in ſeiner Verwaltung,
und jetzt erſt, bei dem Vereinsweſen im Gegenſatz zum Geſellſchafts-
weſen, kann man von Angeſtellten und ihrem Rechte reden.

Die Angeſtellten des Vereinsweſens haben nämlich alle bis zu einem
gewiſſen Grade öffentliche Zwecke zu vollziehen, da jeder Vereinszweck
ein öffentlicher iſt. Ja es kann in manchen Fällen die amtliche Polizei
und ſelbſt ein Theil der Verordnungsgewalt auf ſie übertragen werden,
wie bei Eiſenbahnen, Bergwerken u. ſ. w. Dennoch ſind ſie niemals
Beamtete. Und zwar darum nicht, weil die Uebernahme eines Dienſtes
kein Lebensberuf, ſondern ein wirthſchaftlicher Erwerb iſt. Der Zweck
des Vereins kann an und für ſich das geiſtige Leben keiner Perſönlichkeit
ausfüllen, weil alles was mit ihm zuſammenhängt und geiſtiges Intereſſe
erweckt, eben außerhalb des eigentlichen Vereinszwecks liegt, während
der Staatszweck, deſſen Organ auch der unterſte Beamtete iſt, durch
ſeine Unendlichkeit den Dienſt zum Berufe macht. Daher hat der
Vereinsdienſt niemals den Charakter der öffentlichen Ehre, wie das
Amt; und es würde das Weſen der Vereine ändern, wenn dieß anders
und dem Vereinsangeſtellten ein öffentlicher Rang gegeben würde. Das
ganze Verhältniß iſt daher nicht das ethiſche des Beamtenthums,
ſondern das wirthſchaftliche des Mandats. Und dieſer Geſichts-
punkt wirkt entſcheidend für das ganze Rechtsverhältniß der Angeſtellten
im Vereinsweſen.

Geht man davon aus, ſo charakteriſirt ſich auch der Unterſchied der
Direktion und der Angeſtellten in den Rechtsverhältniſſen, welche zwiſchen
ihnen und dem Vereine entſtehen.

a) Die Direktion.

Die Mitglieder der Direktion bekommen ihre Anſtellung ſo gut wie
die Bedienſteten durch einen Vertrag; allein es iſt weder nöthig noch
möglich, in dem Dienſtvertrage die Aufgaben der Direktion genau zu
beſtimmen. Jeder ſolcher Vertrag enthält im Gegentheil die Voraus-
ſetzung, daß der Direktor, als Fachmann, ſelbſt die fachmäßig noth-
wendigen Aufgaben kennen muß. Die Annahme einer Stellung als
Direktor macht denſelben daher an und für ſich dafür verantwortlich,
daß er ſich ſelbſt im Geiſte des Vereinszwecks und ſeiner fachmänniſchen
Bedürfniſſe ſeine ſpeziellen Aufgaben beſtimmen werde; deßhalb haftet
der Direktor dafür perſönlich, daß er dieß thue, ſowie für den Schaden,

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[606/0630] unter die rein bürgerlichen Grundſätze des Privatrechts; ſowie aber die Geſellſchaft ſich zum Verein erhebt, ſei es unmittelbar durch ihren Zweck, ſei es durch ihre Kapitalsbildung vermöge der Aktie, ſo tritt ein zweites Verhältniß ein. Jene Diener der geſellſchaftlichen Vereine treten in eine beſtimmte Beziehung zum Staat in ſeiner Verwaltung, und jetzt erſt, bei dem Vereinsweſen im Gegenſatz zum Geſellſchafts- weſen, kann man von Angeſtellten und ihrem Rechte reden. Die Angeſtellten des Vereinsweſens haben nämlich alle bis zu einem gewiſſen Grade öffentliche Zwecke zu vollziehen, da jeder Vereinszweck ein öffentlicher iſt. Ja es kann in manchen Fällen die amtliche Polizei und ſelbſt ein Theil der Verordnungsgewalt auf ſie übertragen werden, wie bei Eiſenbahnen, Bergwerken u. ſ. w. Dennoch ſind ſie niemals Beamtete. Und zwar darum nicht, weil die Uebernahme eines Dienſtes kein Lebensberuf, ſondern ein wirthſchaftlicher Erwerb iſt. Der Zweck des Vereins kann an und für ſich das geiſtige Leben keiner Perſönlichkeit ausfüllen, weil alles was mit ihm zuſammenhängt und geiſtiges Intereſſe erweckt, eben außerhalb des eigentlichen Vereinszwecks liegt, während der Staatszweck, deſſen Organ auch der unterſte Beamtete iſt, durch ſeine Unendlichkeit den Dienſt zum Berufe macht. Daher hat der Vereinsdienſt niemals den Charakter der öffentlichen Ehre, wie das Amt; und es würde das Weſen der Vereine ändern, wenn dieß anders und dem Vereinsangeſtellten ein öffentlicher Rang gegeben würde. Das ganze Verhältniß iſt daher nicht das ethiſche des Beamtenthums, ſondern das wirthſchaftliche des Mandats. Und dieſer Geſichts- punkt wirkt entſcheidend für das ganze Rechtsverhältniß der Angeſtellten im Vereinsweſen. Geht man davon aus, ſo charakteriſirt ſich auch der Unterſchied der Direktion und der Angeſtellten in den Rechtsverhältniſſen, welche zwiſchen ihnen und dem Vereine entſtehen. a) Die Direktion. Die Mitglieder der Direktion bekommen ihre Anſtellung ſo gut wie die Bedienſteten durch einen Vertrag; allein es iſt weder nöthig noch möglich, in dem Dienſtvertrage die Aufgaben der Direktion genau zu beſtimmen. Jeder ſolcher Vertrag enthält im Gegentheil die Voraus- ſetzung, daß der Direktor, als Fachmann, ſelbſt die fachmäßig noth- wendigen Aufgaben kennen muß. Die Annahme einer Stellung als Direktor macht denſelben daher an und für ſich dafür verantwortlich, daß er ſich ſelbſt im Geiſte des Vereinszwecks und ſeiner fachmänniſchen Bedürfniſſe ſeine ſpeziellen Aufgaben beſtimmen werde; deßhalb haftet der Direktor dafür perſönlich, daß er dieß thue, ſowie für den Schaden,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/630>, abgerufen am 28.03.2024.