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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Schließung, nebst Strafbestimmungen. Dann ward wieder der Bundes-
beschluß von 1854 durch die Verordnung vom 30. Januar 1855 publi-
cirt; die Verordnung vom 31. Januar 1855 enthält die Ausführungs-
bestimmungen. (Vergl. Funke, V. S. 118--124.)

2) Die Polizei der öffentlichen Versammlungen.

Da die gewöhnliche Auffassung und selbst die Gesetzgebungen nicht
immer zwischen Vereinen und Versammlungen hinreichend unterscheiden,
obwohl das Recht derselben ein nicht unwesentlich verschiedenes ist, so
muß hier eine juristische Definition vorausgehen, welche zugleich als
Basis des sicherheitspolizeilichen Rechts zu dienen hat.

Indem nämlich ein Verein nicht ohne eine Versammlung seiner
Mitglieder gedacht werden kann, so folgt, daß die Vereinsversammlungen
und ihr Recht bereits in dem Vereinsrecht enthalten sind. Von diesen
wesentlich verschieden sind die öffentlichen Versammlungen. Oef-
fentliche Versammlungen sind solche, die von bestimmten Personen ver-
anlaßt, für einen bestimmten Zweck veranstaltet, und in ihrer Bethei-
ligung nicht durch das Angehören an einen Verein beschränkt sind.
Es scheint nicht nothwendig, daß jeder Theilnehmer das Recht zur Rede
oder zur Stimmesabgabe habe, da dieß von den Leitern der Versamm-
lung vorher bestimmt werden kann. Daher ist eine Vereinsversammlung
als eine öffentliche anzusehen, sowie sie eine unbestimmte Zahl auch
nur von Zuhörern zuläßt, während die Zulassung von vorausbestimmten
Personen, wie von Berichterstattern etc., den Vereinsversammlungen
nicht den Charakter der Oeffentlichkeit gibt. Denn gerade in der Un-
bestimmtheit der Theilnehmer liegt das, was für die öffentlichen Ver-
sammlungen ihr eigenthümliches Recht erzeugt hat.

Offenbar nämlich erzeugt jede Versammlung mit unbestimmter Zahl
und daher auch unbekannten Mitgliedern eine an sich unmeßbare, gleich-
sam elementare Gewalt, deren Bewegung nicht mehr ganz in der Macht
der leitenden Personen ist, und bei denen daher auch keine Gewähr
gegeben werden kann, daß sie durch das Bewußtsein des Rechts oder
durch den Einfluß von einzelnen Persönlichkeiten von Störungen der
öffentlichen Rechtsordnung abgehalten werden können. Natürlich hängt
mithin die Gefahr für die letztern, welche in solchen öffentlichen Ver-
sammlungen liegt, vielfach von den Zeitverhältnissen, und selbst von dem
Orte ab, an dem sie gehalten werden. Es ist daher ganz erklärlich, daß
die Versammlungen in geschlossenen Räumen einen andern Charakter
haben als die unter freiem Himmel, und daß eine Versammlung mit
Waffen etwas anderes bedeutet, als eine waffenlose. Es ist eben so

Schließung, nebſt Strafbeſtimmungen. Dann ward wieder der Bundes-
beſchluß von 1854 durch die Verordnung vom 30. Januar 1855 publi-
cirt; die Verordnung vom 31. Januar 1855 enthält die Ausführungs-
beſtimmungen. (Vergl. Funke, V. S. 118—124.)

2) Die Polizei der öffentlichen Verſammlungen.

Da die gewöhnliche Auffaſſung und ſelbſt die Geſetzgebungen nicht
immer zwiſchen Vereinen und Verſammlungen hinreichend unterſcheiden,
obwohl das Recht derſelben ein nicht unweſentlich verſchiedenes iſt, ſo
muß hier eine juriſtiſche Definition vorausgehen, welche zugleich als
Baſis des ſicherheitspolizeilichen Rechts zu dienen hat.

Indem nämlich ein Verein nicht ohne eine Verſammlung ſeiner
Mitglieder gedacht werden kann, ſo folgt, daß die Vereinsverſammlungen
und ihr Recht bereits in dem Vereinsrecht enthalten ſind. Von dieſen
weſentlich verſchieden ſind die öffentlichen Verſammlungen. Oef-
fentliche Verſammlungen ſind ſolche, die von beſtimmten Perſonen ver-
anlaßt, für einen beſtimmten Zweck veranſtaltet, und in ihrer Bethei-
ligung nicht durch das Angehören an einen Verein beſchränkt ſind.
Es ſcheint nicht nothwendig, daß jeder Theilnehmer das Recht zur Rede
oder zur Stimmesabgabe habe, da dieß von den Leitern der Verſamm-
lung vorher beſtimmt werden kann. Daher iſt eine Vereinsverſammlung
als eine öffentliche anzuſehen, ſowie ſie eine unbeſtimmte Zahl auch
nur von Zuhörern zuläßt, während die Zulaſſung von vorausbeſtimmten
Perſonen, wie von Berichterſtattern ꝛc., den Vereinsverſammlungen
nicht den Charakter der Oeffentlichkeit gibt. Denn gerade in der Un-
beſtimmtheit der Theilnehmer liegt das, was für die öffentlichen Ver-
ſammlungen ihr eigenthümliches Recht erzeugt hat.

Offenbar nämlich erzeugt jede Verſammlung mit unbeſtimmter Zahl
und daher auch unbekannten Mitgliedern eine an ſich unmeßbare, gleich-
ſam elementare Gewalt, deren Bewegung nicht mehr ganz in der Macht
der leitenden Perſonen iſt, und bei denen daher auch keine Gewähr
gegeben werden kann, daß ſie durch das Bewußtſein des Rechts oder
durch den Einfluß von einzelnen Perſönlichkeiten von Störungen der
öffentlichen Rechtsordnung abgehalten werden können. Natürlich hängt
mithin die Gefahr für die letztern, welche in ſolchen öffentlichen Ver-
ſammlungen liegt, vielfach von den Zeitverhältniſſen, und ſelbſt von dem
Orte ab, an dem ſie gehalten werden. Es iſt daher ganz erklärlich, daß
die Verſammlungen in geſchloſſenen Räumen einen andern Charakter
haben als die unter freiem Himmel, und daß eine Verſammlung mit
Waffen etwas anderes bedeutet, als eine waffenloſe. Es iſt eben ſo

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[115/0137] Schließung, nebſt Strafbeſtimmungen. Dann ward wieder der Bundes- beſchluß von 1854 durch die Verordnung vom 30. Januar 1855 publi- cirt; die Verordnung vom 31. Januar 1855 enthält die Ausführungs- beſtimmungen. (Vergl. Funke, V. S. 118—124.) 2) Die Polizei der öffentlichen Verſammlungen. Da die gewöhnliche Auffaſſung und ſelbſt die Geſetzgebungen nicht immer zwiſchen Vereinen und Verſammlungen hinreichend unterſcheiden, obwohl das Recht derſelben ein nicht unweſentlich verſchiedenes iſt, ſo muß hier eine juriſtiſche Definition vorausgehen, welche zugleich als Baſis des ſicherheitspolizeilichen Rechts zu dienen hat. Indem nämlich ein Verein nicht ohne eine Verſammlung ſeiner Mitglieder gedacht werden kann, ſo folgt, daß die Vereinsverſammlungen und ihr Recht bereits in dem Vereinsrecht enthalten ſind. Von dieſen weſentlich verſchieden ſind die öffentlichen Verſammlungen. Oef- fentliche Verſammlungen ſind ſolche, die von beſtimmten Perſonen ver- anlaßt, für einen beſtimmten Zweck veranſtaltet, und in ihrer Bethei- ligung nicht durch das Angehören an einen Verein beſchränkt ſind. Es ſcheint nicht nothwendig, daß jeder Theilnehmer das Recht zur Rede oder zur Stimmesabgabe habe, da dieß von den Leitern der Verſamm- lung vorher beſtimmt werden kann. Daher iſt eine Vereinsverſammlung als eine öffentliche anzuſehen, ſowie ſie eine unbeſtimmte Zahl auch nur von Zuhörern zuläßt, während die Zulaſſung von vorausbeſtimmten Perſonen, wie von Berichterſtattern ꝛc., den Vereinsverſammlungen nicht den Charakter der Oeffentlichkeit gibt. Denn gerade in der Un- beſtimmtheit der Theilnehmer liegt das, was für die öffentlichen Ver- ſammlungen ihr eigenthümliches Recht erzeugt hat. Offenbar nämlich erzeugt jede Verſammlung mit unbeſtimmter Zahl und daher auch unbekannten Mitgliedern eine an ſich unmeßbare, gleich- ſam elementare Gewalt, deren Bewegung nicht mehr ganz in der Macht der leitenden Perſonen iſt, und bei denen daher auch keine Gewähr gegeben werden kann, daß ſie durch das Bewußtſein des Rechts oder durch den Einfluß von einzelnen Perſönlichkeiten von Störungen der öffentlichen Rechtsordnung abgehalten werden können. Natürlich hängt mithin die Gefahr für die letztern, welche in ſolchen öffentlichen Ver- ſammlungen liegt, vielfach von den Zeitverhältniſſen, und ſelbſt von dem Orte ab, an dem ſie gehalten werden. Es iſt daher ganz erklärlich, daß die Verſammlungen in geſchloſſenen Räumen einen andern Charakter haben als die unter freiem Himmel, und daß eine Verſammlung mit Waffen etwas anderes bedeutet, als eine waffenloſe. Es iſt eben ſo

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/137>, abgerufen am 19.04.2024.