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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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legung des Beckerschen Princips und seiner ersten Folgen noch
ausführlicher nachweisen.

2. Unorganischer Charakter der Beckerschen
Sprachbetrachtung
.

Wir haben das Zurücksinken Beckers in eine durchaus
unorganische Anschauung von der Sprache schon im Allgemei-
nen erkannt und auch im Einzelnen wiedergefunden. Es ist aber
der allgemeine Charakter dieses unorganisch aufgefaßten Sprach-
wesens näher zu bestimmen. Wir verfolgen hierbei nur Be-
ckers Darstellung. Was er selbst als den eigentlich unterschei-
denden Charakter seiner, vermeintlich organischen, Entwickelung
bezeichnet, wird sich uns als der bezeichnende Zug des Unor-
ganischen offenbaren. Diesen Grundzug haben wir sogar schon
enthüllt: es ist der Gegensatz, der von Becker als Grund-
lage seiner Entwickelung angegeben wird, aber nur die elemen-
tare Besonderung der unorganischen Kräfte darstellt. Hier ha-
ben wir diesen Punkt weiter zu verfolgen.

a) Kategorie des Gegensatzes und der Einheit.
§. 16. Trendelenburg über den Gegensatz.

Vor allem: was ist Gegensatz? Wenden wir uns mit die-
ser Frage an Trendelenburg. Warum gerade an ihn, das
werden wir später angeben. Dieser Philosoph nun lehrt (Logi-
sche Untersuchungen II, x. 2), die Verneinung und der Wider-
spruch sei durchaus logisch. Statt ihrer "tritt real der Begriff
des Andern oder Verschiedenen auf, der sich bis zum Begriff
des Gegensatzes spannt. Aber Verneinung und Gegensatz sind
nicht einerlei. Die reine Verneinung, die Schärfe des Geistes,
hat sich in dem Gegensatz gleichsam verkörpert, jedoch durch
das individuelle Substrat von der Allgemeinheit eingebüßt. Be-
ziehung und Verneinung desselben Begriffs schließen sich ein-
ander aus ohne alle Aussicht eines Vertrages. Gegensätze indessen
haben, inwiefern sie bestehen, auch wesentlich etwas Gemeinsa-
mes, worin sie zusammenkommen können." Hier hat Trende-
lenburg den Ausdruck Gegensatz etwas lose und unbestimmt
genommen. um das Verschiedene oder Andere einzuschließen;
sonst, nämlich wenn der Gegensatz streng genommen und aus
dem bloß Verschiedenen herausgehoben werden sollte, müßte es
statt des "können" am Schlusse des Satzes, "müssen" lauten.

legung des Beckerschen Princips und seiner ersten Folgen noch
ausführlicher nachweisen.

2. Unorganischer Charakter der Beckerschen
Sprachbetrachtung
.

Wir haben das Zurücksinken Beckers in eine durchaus
unorganische Anschauung von der Sprache schon im Allgemei-
nen erkannt und auch im Einzelnen wiedergefunden. Es ist aber
der allgemeine Charakter dieses unorganisch aufgefaßten Sprach-
wesens näher zu bestimmen. Wir verfolgen hierbei nur Be-
ckers Darstellung. Was er selbst als den eigentlich unterschei-
denden Charakter seiner, vermeintlich organischen, Entwickelung
bezeichnet, wird sich uns als der bezeichnende Zug des Unor-
ganischen offenbaren. Diesen Grundzug haben wir sogar schon
enthüllt: es ist der Gegensatz, der von Becker als Grund-
lage seiner Entwickelung angegeben wird, aber nur die elemen-
tare Besonderung der unorganischen Kräfte darstellt. Hier ha-
ben wir diesen Punkt weiter zu verfolgen.

a) Kategorie des Gegensatzes und der Einheit.
§. 16. Trendelenburg über den Gegensatz.

Vor allem: was ist Gegensatz? Wenden wir uns mit die-
ser Frage an Trendelenburg. Warum gerade an ihn, das
werden wir später angeben. Dieser Philosoph nun lehrt (Logi-
sche Untersuchungen II, x. 2), die Verneinung und der Wider-
spruch sei durchaus logisch. Statt ihrer „tritt real der Begriff
des Andern oder Verschiedenen auf, der sich bis zum Begriff
des Gegensatzes spannt. Aber Verneinung und Gegensatz sind
nicht einerlei. Die reine Verneinung, die Schärfe des Geistes,
hat sich in dem Gegensatz gleichsam verkörpert, jedoch durch
das individuelle Substrat von der Allgemeinheit eingebüßt. Be-
ziehung und Verneinung desselben Begriffs schließen sich ein-
ander aus ohne alle Aussicht eines Vertrages. Gegensätze indessen
haben, inwiefern sie bestehen, auch wesentlich etwas Gemeinsa-
mes, worin sie zusammenkommen können.“ Hier hat Trende-
lenburg den Ausdruck Gegensatz etwas lose und unbestimmt
genommen. um das Verschiedene oder Andere einzuschließen;
sonst, nämlich wenn der Gegensatz streng genommen und aus
dem bloß Verschiedenen herausgehoben werden sollte, müßte es
statt des „können“ am Schlusse des Satzes, „müssen“ lauten.

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[41/0079] legung des Beckerschen Princips und seiner ersten Folgen noch ausführlicher nachweisen. 2. Unorganischer Charakter der Beckerschen Sprachbetrachtung. Wir haben das Zurücksinken Beckers in eine durchaus unorganische Anschauung von der Sprache schon im Allgemei- nen erkannt und auch im Einzelnen wiedergefunden. Es ist aber der allgemeine Charakter dieses unorganisch aufgefaßten Sprach- wesens näher zu bestimmen. Wir verfolgen hierbei nur Be- ckers Darstellung. Was er selbst als den eigentlich unterschei- denden Charakter seiner, vermeintlich organischen, Entwickelung bezeichnet, wird sich uns als der bezeichnende Zug des Unor- ganischen offenbaren. Diesen Grundzug haben wir sogar schon enthüllt: es ist der Gegensatz, der von Becker als Grund- lage seiner Entwickelung angegeben wird, aber nur die elemen- tare Besonderung der unorganischen Kräfte darstellt. Hier ha- ben wir diesen Punkt weiter zu verfolgen. a) Kategorie des Gegensatzes und der Einheit. §. 16. Trendelenburg über den Gegensatz. Vor allem: was ist Gegensatz? Wenden wir uns mit die- ser Frage an Trendelenburg. Warum gerade an ihn, das werden wir später angeben. Dieser Philosoph nun lehrt (Logi- sche Untersuchungen II, x. 2), die Verneinung und der Wider- spruch sei durchaus logisch. Statt ihrer „tritt real der Begriff des Andern oder Verschiedenen auf, der sich bis zum Begriff des Gegensatzes spannt. Aber Verneinung und Gegensatz sind nicht einerlei. Die reine Verneinung, die Schärfe des Geistes, hat sich in dem Gegensatz gleichsam verkörpert, jedoch durch das individuelle Substrat von der Allgemeinheit eingebüßt. Be- ziehung und Verneinung desselben Begriffs schließen sich ein- ander aus ohne alle Aussicht eines Vertrages. Gegensätze indessen haben, inwiefern sie bestehen, auch wesentlich etwas Gemeinsa- mes, worin sie zusammenkommen können.“ Hier hat Trende- lenburg den Ausdruck Gegensatz etwas lose und unbestimmt genommen. um das Verschiedene oder Andere einzuschließen; sonst, nämlich wenn der Gegensatz streng genommen und aus dem bloß Verschiedenen herausgehoben werden sollte, müßte es statt des „können“ am Schlusse des Satzes, „müssen“ lauten.

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/79>, abgerufen am 25.04.2024.