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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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sie sagt, sie müsse der Vorsehung sehr danken, daß sie
ihre Bestrebungen so unterstüzt und geleitet habe, weil
wohl sonst das Wenigste zu Stande gekommen wäre."

Wir hatten in der Zeit dieses Gespräches nach und
nach die höchste Stelle des Weges erreicht. Vor uns
ging es wieder abwärts. Wir blieben eine Weile
stehen.

"Sagt mir doch," begann Natalie wieder, "wo
liegt denn das Kargrat, in welchem ihr euch in die¬
sem Theile des Sommers aufgehalten habt? Man muß
es ja von hier aus sehen können."

"Freilich kann man es sehen," antwortete ich, "es
liegt fast im äußersten Westen des Theiles der Kette,
der von hier aus sichtbar ist. Wenn ihr von jenen
Schneefeldern, die rechts von der sanftblauen Kuppe,
welche gerade über der Grenzeiche eures Weizenfeldes
sichtbar ist, liegen, und die fast wie zwei gleiche mit
der Spize nach aufwärts gerichtete Dreiecke aussehen,
wieder nach rechts geht, so werdet ihr lichte fast wag¬
recht gehende Stellen in dem graulichen Dämmer des
Gebirges sehen, das sind die Eisfelder des Kargrats."

"Ich sehe sie sehr deutlich," erwiederte sie, "ich
sehe auch die Spizen, die über das Eis empor ragen.
Und auf diesem Eise seid ihr gewesen?"

ſie ſagt, ſie müſſe der Vorſehung ſehr danken, daß ſie
ihre Beſtrebungen ſo unterſtüzt und geleitet habe, weil
wohl ſonſt das Wenigſte zu Stande gekommen wäre.“

Wir hatten in der Zeit dieſes Geſpräches nach und
nach die höchſte Stelle des Weges erreicht. Vor uns
ging es wieder abwärts. Wir blieben eine Weile
ſtehen.

„Sagt mir doch,“ begann Natalie wieder, „wo
liegt denn das Kargrat, in welchem ihr euch in die¬
ſem Theile des Sommers aufgehalten habt? Man muß
es ja von hier aus ſehen können.“

„Freilich kann man es ſehen,“ antwortete ich, „es
liegt faſt im äußerſten Weſten des Theiles der Kette,
der von hier aus ſichtbar iſt. Wenn ihr von jenen
Schneefeldern, die rechts von der ſanftblauen Kuppe,
welche gerade über der Grenzeiche eures Weizenfeldes
ſichtbar iſt, liegen, und die faſt wie zwei gleiche mit
der Spize nach aufwärts gerichtete Dreiecke ausſehen,
wieder nach rechts geht, ſo werdet ihr lichte faſt wag¬
recht gehende Stellen in dem graulichen Dämmer des
Gebirges ſehen, das ſind die Eisfelder des Kargrats.“

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[22/0036] ſie ſagt, ſie müſſe der Vorſehung ſehr danken, daß ſie ihre Beſtrebungen ſo unterſtüzt und geleitet habe, weil wohl ſonſt das Wenigſte zu Stande gekommen wäre.“ Wir hatten in der Zeit dieſes Geſpräches nach und nach die höchſte Stelle des Weges erreicht. Vor uns ging es wieder abwärts. Wir blieben eine Weile ſtehen. „Sagt mir doch,“ begann Natalie wieder, „wo liegt denn das Kargrat, in welchem ihr euch in die¬ ſem Theile des Sommers aufgehalten habt? Man muß es ja von hier aus ſehen können.“ „Freilich kann man es ſehen,“ antwortete ich, „es liegt faſt im äußerſten Weſten des Theiles der Kette, der von hier aus ſichtbar iſt. Wenn ihr von jenen Schneefeldern, die rechts von der ſanftblauen Kuppe, welche gerade über der Grenzeiche eures Weizenfeldes ſichtbar iſt, liegen, und die faſt wie zwei gleiche mit der Spize nach aufwärts gerichtete Dreiecke ausſehen, wieder nach rechts geht, ſo werdet ihr lichte faſt wag¬ recht gehende Stellen in dem graulichen Dämmer des Gebirges ſehen, das ſind die Eisfelder des Kargrats.“ „Ich ſehe ſie ſehr deutlich,“ erwiederte ſie, „ich ſehe auch die Spizen, die über das Eis empor ragen. Und auf dieſem Eiſe ſeid ihr geweſen?“

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/36>, abgerufen am 28.03.2024.