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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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gedeckt, und alles zum Morgenmahle in Bereitschaft
gesezt. Nachdem ich eine Weile gewartet hatte, kam
Mathilde mit Natalie zugleich in das Zimmer. Na¬
talie hatte sich umgekleidet, sie hatte jezt ein festlicheres
Kleid an, als sie beim Morgenspaziergange getragen
hatte, weil sie gleich Mathilden bei Tische einen Gast
durch ein besseres Kleid ehrte. Mit der gewöhnlichen
Ruhe und Heiterkeit, aber mit einer fast noch größe¬
ren Freundlichkeit als sonst, begrüßte mich Mathilde,
und wies mir meinen Plaz an. Wir sezten uns. Wir
waren nun bei dem Frühmahle, wie wir es die meh¬
reren Tage her gewohnt waren. Dieselben Gegen¬
stände befanden sich auf dem Tische, und derselbe Vor¬
gang wurde befolgt wie immer. Obgleich nur ein
Dienstmädchen ab und zu ging, und wir in den
Zwischenzeiten allein waren, indem Mathilde nach
ihrer Gepflogenheit manche Handlungen, die bei einem
solchen Frühmahle nöthig sind, an dem Tische selbst
verrichtete, so wurde doch über unsere besonderen An¬
gelegenheiten auch jezt nicht gesprochen. Gewöhnliche
Dinge, wie sie sich an gewöhnlichen Tagen darbiethen,
bildeten den Inhalt der Gespräche. Theils Kunst
theils die schönen Tage der Jahreszeit, die eben war,
und theils ein Abschnitt des Aufenthaltes während

gedeckt, und alles zum Morgenmahle in Bereitſchaft
geſezt. Nachdem ich eine Weile gewartet hatte, kam
Mathilde mit Natalie zugleich in das Zimmer. Na¬
talie hatte ſich umgekleidet, ſie hatte jezt ein feſtlicheres
Kleid an, als ſie beim Morgenſpaziergange getragen
hatte, weil ſie gleich Mathilden bei Tiſche einen Gaſt
durch ein beſſeres Kleid ehrte. Mit der gewöhnlichen
Ruhe und Heiterkeit, aber mit einer faſt noch größe¬
ren Freundlichkeit als ſonſt, begrüßte mich Mathilde,
und wies mir meinen Plaz an. Wir ſezten uns. Wir
waren nun bei dem Frühmahle, wie wir es die meh¬
reren Tage her gewohnt waren. Dieſelben Gegen¬
ſtände befanden ſich auf dem Tiſche, und derſelbe Vor¬
gang wurde befolgt wie immer. Obgleich nur ein
Dienſtmädchen ab und zu ging, und wir in den
Zwiſchenzeiten allein waren, indem Mathilde nach
ihrer Gepflogenheit manche Handlungen, die bei einem
ſolchen Frühmahle nöthig ſind, an dem Tiſche ſelbſt
verrichtete, ſo wurde doch über unſere beſonderen An¬
gelegenheiten auch jezt nicht geſprochen. Gewöhnliche
Dinge, wie ſie ſich an gewöhnlichen Tagen darbiethen,
bildeten den Inhalt der Geſpräche. Theils Kunſt
theils die ſchönen Tage der Jahreszeit, die eben war,
und theils ein Abſchnitt des Aufenthaltes während

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[28/0042] gedeckt, und alles zum Morgenmahle in Bereitſchaft geſezt. Nachdem ich eine Weile gewartet hatte, kam Mathilde mit Natalie zugleich in das Zimmer. Na¬ talie hatte ſich umgekleidet, ſie hatte jezt ein feſtlicheres Kleid an, als ſie beim Morgenſpaziergange getragen hatte, weil ſie gleich Mathilden bei Tiſche einen Gaſt durch ein beſſeres Kleid ehrte. Mit der gewöhnlichen Ruhe und Heiterkeit, aber mit einer faſt noch größe¬ ren Freundlichkeit als ſonſt, begrüßte mich Mathilde, und wies mir meinen Plaz an. Wir ſezten uns. Wir waren nun bei dem Frühmahle, wie wir es die meh¬ reren Tage her gewohnt waren. Dieſelben Gegen¬ ſtände befanden ſich auf dem Tiſche, und derſelbe Vor¬ gang wurde befolgt wie immer. Obgleich nur ein Dienſtmädchen ab und zu ging, und wir in den Zwiſchenzeiten allein waren, indem Mathilde nach ihrer Gepflogenheit manche Handlungen, die bei einem ſolchen Frühmahle nöthig ſind, an dem Tiſche ſelbſt verrichtete, ſo wurde doch über unſere beſonderen An¬ gelegenheiten auch jezt nicht geſprochen. Gewöhnliche Dinge, wie ſie ſich an gewöhnlichen Tagen darbiethen, bildeten den Inhalt der Geſpräche. Theils Kunſt theils die ſchönen Tage der Jahreszeit, die eben war, und theils ein Abſchnitt des Aufenthaltes während

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/42>, abgerufen am 28.03.2024.