Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

des Erzstifts Magdeburg von 1593, *) desgleichen soll auch
ein junger Gesell, so er sich des Montags verfeyert,
also daß er früh vor 7 Schlägen ohne ehrhafte Ver-
hinderung nicht in des Meisters Werkstatt ist, der
soll in einem Jahr weder zu Egeln, Hadtmersle-
ben, Wanzleben noch auf den Dörfern arbeiten
.
Die Gesellen waren zwar verbunden, alle Aufträge ihrer Meister
auszuführen, aber in ihren Gewohnheiten lag, daß diese immer in
den Grenzen ihres Fachs bleiben sollten, sie vermieden daher alle
übrigen häuslichen Verrichtungen und mochten es wohl hin und
wieder zu genau damit nehmen; wo aber Bescheidenheit und
richtige Ansicht von wahrer Ehre mit einem längern Aufenthalt
in der Familie sich verband, da schwand auch alle bizarre Hand-
werksgewohnheit, und es bildete sich jenes schöne patriarchalische
Verhältniß zwischen der Familie und dem Gesellen, von dem wir
so viel in Kinderschriften und selbst in Romanen gehört haben.

Die Gesellen bei den wirklichen Innungen, z. B.
den Schuhmachern, Fleischern, Maurern, Zimmerleuten etc. blie-
ben bei ihren Meistern eine bestimmte Zeit, nehmlich von einem
Wand erziel bis zum andern
, welches gewöhnlich ein hal-
bes Jahr umfaßte; der Meister war verbunden, den Gesellen,
wenn er ihm nach den ersten 14 Probetagen gefiel, eben so lange
zu behalten oder bei ausgehender Arbeit ihn bei einem andern
Meister unterzubringen. Bei den übrigen war es statutarischer
Gebrauch, daß man sich 14 Tage vorher den Dienst aufsagte,
was indeß vielleicht schon im ganzen verflossenen Jahrhundert
nicht mehr gehalten worden ist, weil man sich gegenseitig nicht
mehr in dem Grade achtete, als in frühern Zeiten; vielmehr
konnte der Gesell jeden Sonntag abgehen oder verabschiedet wer-
den. So wie übrigens das ganze Betragen der Gesellen durch
Statuten und Handwerksgewohnheiten geordnet wurde und da-
durch einen ganz eigenthümlichen Typus bekam: so war auch
das Aufsagen des Dienstes ihrer Seites an bestimmte Förmlich-
keiten gebunden, welche sie, die Buchbinder und einige andere

*) Erzst. Innungs-Sachen Nr. 6.

des Erzſtifts Magdeburg von 1593, *) desgleichen ſoll auch
ein junger Geſell, ſo er ſich des Montags verfeyert,
alſo daß er früh vor 7 Schlägen ohne ehrhafte Ver-
hinderung nicht in des Meiſters Werkſtatt iſt, der
ſoll in einem Jahr weder zu Egeln, Hadtmersle-
ben, Wanzleben noch auf den Dörfern arbeiten
.
Die Geſellen waren zwar verbunden, alle Aufträge ihrer Meiſter
auszuführen, aber in ihren Gewohnheiten lag, daß dieſe immer in
den Grenzen ihres Fachs bleiben ſollten, ſie vermieden daher alle
übrigen häuslichen Verrichtungen und mochten es wohl hin und
wieder zu genau damit nehmen; wo aber Beſcheidenheit und
richtige Anſicht von wahrer Ehre mit einem längern Aufenthalt
in der Familie ſich verband, da ſchwand auch alle bizarre Hand-
werksgewohnheit, und es bildete ſich jenes ſchöne patriarchaliſche
Verhältniß zwiſchen der Familie und dem Geſellen, von dem wir
ſo viel in Kinderſchriften und ſelbſt in Romanen gehört haben.

Die Geſellen bei den wirklichen Innungen, z. B.
den Schuhmachern, Fleiſchern, Maurern, Zimmerleuten ꝛc. blie-
ben bei ihren Meiſtern eine beſtimmte Zeit, nehmlich von einem
Wand erziel bis zum andern
, welches gewöhnlich ein hal-
bes Jahr umfaßte; der Meiſter war verbunden, den Geſellen,
wenn er ihm nach den erſten 14 Probetagen gefiel, eben ſo lange
zu behalten oder bei ausgehender Arbeit ihn bei einem andern
Meiſter unterzubringen. Bei den übrigen war es ſtatutariſcher
Gebrauch, daß man ſich 14 Tage vorher den Dienſt aufſagte,
was indeß vielleicht ſchon im ganzen verfloſſenen Jahrhundert
nicht mehr gehalten worden iſt, weil man ſich gegenſeitig nicht
mehr in dem Grade achtete, als in frühern Zeiten; vielmehr
konnte der Geſell jeden Sonntag abgehen oder verabſchiedet wer-
den. So wie übrigens das ganze Betragen der Geſellen durch
Statuten und Handwerksgewohnheiten geordnet wurde und da-
durch einen ganz eigenthümlichen Typus bekam: ſo war auch
das Aufſagen des Dienſtes ihrer Seites an beſtimmte Förmlich-
keiten gebunden, welche ſie, die Buchbinder und einige andere

*) Erzſt. Innungs-Sachen Nr. 6.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0025" n="15"/>
des Erz&#x017F;tifts Magdeburg von 1593, <note place="foot" n="*)">Erz&#x017F;t. Innungs-Sachen Nr. 6.</note> <hi rendition="#g">desgleichen &#x017F;oll auch<lb/>
ein junger Ge&#x017F;ell, &#x017F;o er &#x017F;ich des Montags verfeyert,<lb/>
al&#x017F;o daß er früh vor 7 Schlägen ohne ehrhafte Ver-<lb/>
hinderung nicht in des Mei&#x017F;ters Werk&#x017F;tatt i&#x017F;t, der<lb/>
&#x017F;oll in einem Jahr weder zu Egeln, Hadtmersle-<lb/>
ben, Wanzleben noch auf den Dörfern arbeiten</hi>.<lb/>
Die Ge&#x017F;ellen waren zwar verbunden, alle Aufträge ihrer Mei&#x017F;ter<lb/>
auszuführen, aber in ihren Gewohnheiten lag, daß die&#x017F;e immer in<lb/>
den Grenzen ihres Fachs bleiben &#x017F;ollten, &#x017F;ie vermieden daher alle<lb/>
übrigen häuslichen Verrichtungen und mochten es wohl hin und<lb/>
wieder zu genau damit nehmen; wo aber Be&#x017F;cheidenheit und<lb/>
richtige An&#x017F;icht von wahrer Ehre mit einem längern Aufenthalt<lb/>
in der Familie &#x017F;ich verband, da &#x017F;chwand auch alle bizarre Hand-<lb/>
werksgewohnheit, und es bildete &#x017F;ich jenes &#x017F;chöne patriarchali&#x017F;che<lb/>
Verhältniß zwi&#x017F;chen der Familie und dem Ge&#x017F;ellen, von dem wir<lb/>
&#x017F;o viel in Kinder&#x017F;chriften und &#x017F;elb&#x017F;t in Romanen gehört haben.</p><lb/>
            <p>Die Ge&#x017F;ellen bei den <hi rendition="#g">wirklichen Innungen</hi>, z. B.<lb/>
den Schuhmachern, Flei&#x017F;chern, Maurern, Zimmerleuten &#xA75B;c. blie-<lb/>
ben bei ihren Mei&#x017F;tern eine be&#x017F;timmte Zeit, nehmlich <hi rendition="#g">von einem<lb/>
Wand erziel bis zum andern</hi>, welches gewöhnlich ein hal-<lb/>
bes Jahr umfaßte; der Mei&#x017F;ter war verbunden, den Ge&#x017F;ellen,<lb/>
wenn er ihm nach den er&#x017F;ten 14 Probetagen gefiel, eben &#x017F;o lange<lb/>
zu behalten oder bei ausgehender Arbeit ihn bei einem andern<lb/>
Mei&#x017F;ter unterzubringen. Bei den übrigen war es &#x017F;tatutari&#x017F;cher<lb/>
Gebrauch, daß man &#x017F;ich 14 Tage vorher den Dien&#x017F;t auf&#x017F;agte,<lb/>
was indeß vielleicht &#x017F;chon im ganzen verflo&#x017F;&#x017F;enen Jahrhundert<lb/>
nicht mehr gehalten worden i&#x017F;t, weil man &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig nicht<lb/>
mehr in dem Grade achtete, als in frühern Zeiten; vielmehr<lb/>
konnte der Ge&#x017F;ell jeden Sonntag abgehen oder verab&#x017F;chiedet wer-<lb/>
den. So wie übrigens das ganze Betragen der Ge&#x017F;ellen durch<lb/>
Statuten und Handwerksgewohnheiten geordnet wurde und da-<lb/>
durch einen ganz eigenthümlichen Typus bekam: &#x017F;o war auch<lb/>
das Auf&#x017F;agen des Dien&#x017F;tes ihrer Seites an be&#x017F;timmte Förmlich-<lb/>
keiten gebunden, welche &#x017F;ie, die Buchbinder und einige andere<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0025] des Erzſtifts Magdeburg von 1593, *) desgleichen ſoll auch ein junger Geſell, ſo er ſich des Montags verfeyert, alſo daß er früh vor 7 Schlägen ohne ehrhafte Ver- hinderung nicht in des Meiſters Werkſtatt iſt, der ſoll in einem Jahr weder zu Egeln, Hadtmersle- ben, Wanzleben noch auf den Dörfern arbeiten. Die Geſellen waren zwar verbunden, alle Aufträge ihrer Meiſter auszuführen, aber in ihren Gewohnheiten lag, daß dieſe immer in den Grenzen ihres Fachs bleiben ſollten, ſie vermieden daher alle übrigen häuslichen Verrichtungen und mochten es wohl hin und wieder zu genau damit nehmen; wo aber Beſcheidenheit und richtige Anſicht von wahrer Ehre mit einem längern Aufenthalt in der Familie ſich verband, da ſchwand auch alle bizarre Hand- werksgewohnheit, und es bildete ſich jenes ſchöne patriarchaliſche Verhältniß zwiſchen der Familie und dem Geſellen, von dem wir ſo viel in Kinderſchriften und ſelbſt in Romanen gehört haben. Die Geſellen bei den wirklichen Innungen, z. B. den Schuhmachern, Fleiſchern, Maurern, Zimmerleuten ꝛc. blie- ben bei ihren Meiſtern eine beſtimmte Zeit, nehmlich von einem Wand erziel bis zum andern, welches gewöhnlich ein hal- bes Jahr umfaßte; der Meiſter war verbunden, den Geſellen, wenn er ihm nach den erſten 14 Probetagen gefiel, eben ſo lange zu behalten oder bei ausgehender Arbeit ihn bei einem andern Meiſter unterzubringen. Bei den übrigen war es ſtatutariſcher Gebrauch, daß man ſich 14 Tage vorher den Dienſt aufſagte, was indeß vielleicht ſchon im ganzen verfloſſenen Jahrhundert nicht mehr gehalten worden iſt, weil man ſich gegenſeitig nicht mehr in dem Grade achtete, als in frühern Zeiten; vielmehr konnte der Geſell jeden Sonntag abgehen oder verabſchiedet wer- den. So wie übrigens das ganze Betragen der Geſellen durch Statuten und Handwerksgewohnheiten geordnet wurde und da- durch einen ganz eigenthümlichen Typus bekam: ſo war auch das Aufſagen des Dienſtes ihrer Seites an beſtimmte Förmlich- keiten gebunden, welche ſie, die Buchbinder und einige andere *) Erzſt. Innungs-Sachen Nr. 6.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/25
Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/25>, abgerufen am 19.04.2024.