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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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ans Absurde streiften. Wir dürfen es nicht verschmähen, uns
einige Augenblicke von einigen dieser Gebräuche zu unterhalten *)
und wollen mit den Maurern anfangen, wiewohl das, was der
Verfasser nach vielem Fragen und Forschen von ihnen hat erhal-
ten können, nur Stückwerk ist.

Der Lehrmeister stellte den bisherigen Diener oder Lehrling
dem versammelten Handwerk gewöhnlich mit folgender Anrede
vor:
Mit Gunst und Erlaubniß ehrsames Handwerk, Meister
und Gesellen. **)

Das Handwerk:
Gunst genug!

Der Lehrmeister:
Einem ehrsamen Handwerk, Meister und Gesellen wollte
ich nach Handwerksgebrauch und Gewohnheit und meiner
Schuldigkeit melden, daß der bei dem ehrsamen Hand-
werke vor drei Jahren als Lehrling eingeschriebene N.
seine Lehrjahre ehrlich und treu ausgestanden und nun
wünscht als Geselle aufgenommen zu werden.

Hierauf trat der Lehrling mit folgenden Worten ein:
Mit Gunst und Verlaub, daß ich meinen ehrlichen Ein-
tritt nehmen mag vor ehrbaren Meistern, ehrbaren Altge-
sellen, ehrbaren Cassenschreibern, so wie sie hier vor offener
Lade versammelt sind, also mit Gunst!

Hatte das Gewerk nichts gegen ihn zu erinnern, so erfolgte
seine Freisprechung oder Ausweisung, im andern Fall wurden
ihm seine Fehler zuvor ernstlich verwiesen. Darauf trank der
Obermeister aus dem Willkommen die Gesundheit des neuen
Gesellen, nach ihm der Altgesell, dann trank der junge Gesell
indem er sich zugleich für die ihm erwiesene Ehre bedankte.

*) Ich habe mir die vollständigen Handwerksgebräuche der Gesellen meh-
rerer Handwerke von alten Meistern und gereisten Gesellen zu ver-
schaffen gesucht und würde sie gehörig geordnet abdrucken lassen, wenn
sie nicht gar zu weitläufig und vielfältig übereinstimmend wären, hier
aber nur eine gedrängte Uebersicht Platz finden kann. D. V.
**) Unter den Gesellen werden nur die Altgesellen als Deputirte der
Brüderschaft verstanden.

ans Abſurde ſtreiften. Wir dürfen es nicht verſchmähen, uns
einige Augenblicke von einigen dieſer Gebräuche zu unterhalten *)
und wollen mit den Maurern anfangen, wiewohl das, was der
Verfaſſer nach vielem Fragen und Forſchen von ihnen hat erhal-
ten können, nur Stückwerk iſt.

Der Lehrmeiſter ſtellte den bisherigen Diener oder Lehrling
dem verſammelten Handwerk gewöhnlich mit folgender Anrede
vor:
Mit Gunſt und Erlaubniß ehrſames Handwerk, Meiſter
und Geſellen. **)

Das Handwerk:
Gunſt genug!

Der Lehrmeiſter:
Einem ehrſamen Handwerk, Meiſter und Geſellen wollte
ich nach Handwerksgebrauch und Gewohnheit und meiner
Schuldigkeit melden, daß der bei dem ehrſamen Hand-
werke vor drei Jahren als Lehrling eingeſchriebene N.
ſeine Lehrjahre ehrlich und treu ausgeſtanden und nun
wünſcht als Geſelle aufgenommen zu werden.

Hierauf trat der Lehrling mit folgenden Worten ein:
Mit Gunſt und Verlaub, daß ich meinen ehrlichen Ein-
tritt nehmen mag vor ehrbaren Meiſtern, ehrbaren Altge-
ſellen, ehrbaren Caſſenſchreibern, ſo wie ſie hier vor offener
Lade verſammelt ſind, alſo mit Gunſt!

Hatte das Gewerk nichts gegen ihn zu erinnern, ſo erfolgte
ſeine Freiſprechung oder Ausweiſung, im andern Fall wurden
ihm ſeine Fehler zuvor ernſtlich verwieſen. Darauf trank der
Obermeiſter aus dem Willkommen die Geſundheit des neuen
Geſellen, nach ihm der Altgeſell, dann trank der junge Geſell
indem er ſich zugleich für die ihm erwieſene Ehre bedankte.

*) Ich habe mir die vollſtändigen Handwerksgebräuche der Geſellen meh-
rerer Handwerke von alten Meiſtern und gereiſten Geſellen zu ver-
ſchaffen geſucht und würde ſie gehörig geordnet abdrucken laſſen, wenn
ſie nicht gar zu weitläufig und vielfältig übereinſtimmend wären, hier
aber nur eine gedrängte Ueberſicht Platz finden kann. D. V.
**) Unter den Geſellen werden nur die Altgeſellen als Deputirte der
Brüderſchaft verſtanden.
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[22/0032] ans Abſurde ſtreiften. Wir dürfen es nicht verſchmähen, uns einige Augenblicke von einigen dieſer Gebräuche zu unterhalten *) und wollen mit den Maurern anfangen, wiewohl das, was der Verfaſſer nach vielem Fragen und Forſchen von ihnen hat erhal- ten können, nur Stückwerk iſt. Der Lehrmeiſter ſtellte den bisherigen Diener oder Lehrling dem verſammelten Handwerk gewöhnlich mit folgender Anrede vor: Mit Gunſt und Erlaubniß ehrſames Handwerk, Meiſter und Geſellen. **) Das Handwerk: Gunſt genug! Der Lehrmeiſter: Einem ehrſamen Handwerk, Meiſter und Geſellen wollte ich nach Handwerksgebrauch und Gewohnheit und meiner Schuldigkeit melden, daß der bei dem ehrſamen Hand- werke vor drei Jahren als Lehrling eingeſchriebene N. ſeine Lehrjahre ehrlich und treu ausgeſtanden und nun wünſcht als Geſelle aufgenommen zu werden. Hierauf trat der Lehrling mit folgenden Worten ein: Mit Gunſt und Verlaub, daß ich meinen ehrlichen Ein- tritt nehmen mag vor ehrbaren Meiſtern, ehrbaren Altge- ſellen, ehrbaren Caſſenſchreibern, ſo wie ſie hier vor offener Lade verſammelt ſind, alſo mit Gunſt! Hatte das Gewerk nichts gegen ihn zu erinnern, ſo erfolgte ſeine Freiſprechung oder Ausweiſung, im andern Fall wurden ihm ſeine Fehler zuvor ernſtlich verwieſen. Darauf trank der Obermeiſter aus dem Willkommen die Geſundheit des neuen Geſellen, nach ihm der Altgeſell, dann trank der junge Geſell indem er ſich zugleich für die ihm erwieſene Ehre bedankte. *) Ich habe mir die vollſtändigen Handwerksgebräuche der Geſellen meh- rerer Handwerke von alten Meiſtern und gereiſten Geſellen zu ver- ſchaffen geſucht und würde ſie gehörig geordnet abdrucken laſſen, wenn ſie nicht gar zu weitläufig und vielfältig übereinſtimmend wären, hier aber nur eine gedrängte Ueberſicht Platz finden kann. D. V. **) Unter den Geſellen werden nur die Altgeſellen als Deputirte der Brüderſchaft verſtanden.

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/32>, abgerufen am 25.04.2024.