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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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und du könntest dich verlaufen, der zweiten, die übers Wasser
fliegt, folge auch nicht, denn das Wasser hat keine Balken, folge
der, die gerade aus fliegt. Dann wirst du kommen an einen
grünen Wald und müde seyn, lege dich aber nicht nieder zum
Schlafen, es möchte ein Ungerufener kommen und nähme dir
dein Bündel, mein Schmied, was wolltest du da machen! Laufe
immer fort. Dann wirst du kommen an eine Mühle, so wirst
du denken "willst hinein gehen, und um einen Zehrpfennig bit-
ten", das thue nicht, die Müller sind grobe Leute, sie möchten
dich beschimpfen und deinen ehrlichen Namen vergessen. Dann
wirst du kommen an einen Teich, in dem werden Frösche sitzen
und schreien: arg, arg. Ja, wirst du denken, ich hab es wohl
arg gemacht bei meinem Lehrmeister -- eine Schüssel voll Sauer-
kraut und Schweinekopf, daß ich kaum mit einer Wagenstange
darüber springen konnte, laß dir dabei das Heimweh nicht ein-
fallen. Dann wirst du kommen an einen Bach, da werden
Enten und Gänse laufen, da wirst du starken Appetit kriegen
und meinen, du wolltest eine todtschlagen, damit du auf den
Abend einen Braten habest; mein Schmied, das thue nicht, es
möchte einer dazukommen und schlüge dir die Haut voll und
vergäße deinen ehrlichen Ramen, du dürftest dich nicht mehr
unter ehrlichen Gesellen sehen lassen, drum laß einem Jeden das
Seine; laufe immer fort, laufe ein Loch in die Welt hinein,
daß man es nicht mit zehn Fuder Heu zustopfen kann etc.

Das Gesellenmachen der Glaser ist in neuerer Zeit ohne
große Förmlichkeiten geschehen, es wurden dem jungen Gesellen
vor versammeltem Handwerk folgende Gesellenartikel vorgelesen,
denen er nachzuleben mit einem Handschlag versprechen mußte.

I. Sollt Ihr meiden alle Jungen, mit welchen Ihr vor
diesen conversiret habt, denn solches stehet einem ehr-
lichen Glasergesellen nicht an.
II. Sollt Ihr nicht gehen auf der Gassen ohne Mantel,
Rock, Stock und Degen, oder etwas von Handwerks-
zeug tragen, auch nicht den Mantel ums Maul
schlagen und nicht aus der Taschen naschen, denn
solches stehet der Ehrbarkeit nicht wohl an.

und du könnteſt dich verlaufen, der zweiten, die übers Waſſer
fliegt, folge auch nicht, denn das Waſſer hat keine Balken, folge
der, die gerade aus fliegt. Dann wirſt du kommen an einen
grünen Wald und müde ſeyn, lege dich aber nicht nieder zum
Schlafen, es möchte ein Ungerufener kommen und nähme dir
dein Bündel, mein Schmied, was wollteſt du da machen! Laufe
immer fort. Dann wirſt du kommen an eine Mühle, ſo wirſt
du denken „willſt hinein gehen, und um einen Zehrpfennig bit-
ten“, das thue nicht, die Müller ſind grobe Leute, ſie möchten
dich beſchimpfen und deinen ehrlichen Namen vergeſſen. Dann
wirſt du kommen an einen Teich, in dem werden Fröſche ſitzen
und ſchreien: arg, arg. Ja, wirſt du denken, ich hab es wohl
arg gemacht bei meinem Lehrmeiſter — eine Schüſſel voll Sauer-
kraut und Schweinekopf, daß ich kaum mit einer Wagenſtange
darüber ſpringen konnte, laß dir dabei das Heimweh nicht ein-
fallen. Dann wirſt du kommen an einen Bach, da werden
Enten und Gänſe laufen, da wirſt du ſtarken Appetit kriegen
und meinen, du wollteſt eine todtſchlagen, damit du auf den
Abend einen Braten habeſt; mein Schmied, das thue nicht, es
möchte einer dazukommen und ſchlüge dir die Haut voll und
vergäße deinen ehrlichen Ramen, du dürfteſt dich nicht mehr
unter ehrlichen Geſellen ſehen laſſen, drum laß einem Jeden das
Seine; laufe immer fort, laufe ein Loch in die Welt hinein,
daß man es nicht mit zehn Fuder Heu zuſtopfen kann ꝛc.

Das Geſellenmachen der Glaſer iſt in neuerer Zeit ohne
große Förmlichkeiten geſchehen, es wurden dem jungen Geſellen
vor verſammeltem Handwerk folgende Geſellenartikel vorgeleſen,
denen er nachzuleben mit einem Handſchlag verſprechen mußte.

I. Sollt Ihr meiden alle Jungen, mit welchen Ihr vor
dieſen converſiret habt, denn ſolches ſtehet einem ehr-
lichen Glaſergeſellen nicht an.
II. Sollt Ihr nicht gehen auf der Gaſſen ohne Mantel,
Rock, Stock und Degen, oder etwas von Handwerks-
zeug tragen, auch nicht den Mantel ums Maul
ſchlagen und nicht aus der Taſchen naſchen, denn
ſolches ſtehet der Ehrbarkeit nicht wohl an.
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[32/0042] und du könnteſt dich verlaufen, der zweiten, die übers Waſſer fliegt, folge auch nicht, denn das Waſſer hat keine Balken, folge der, die gerade aus fliegt. Dann wirſt du kommen an einen grünen Wald und müde ſeyn, lege dich aber nicht nieder zum Schlafen, es möchte ein Ungerufener kommen und nähme dir dein Bündel, mein Schmied, was wollteſt du da machen! Laufe immer fort. Dann wirſt du kommen an eine Mühle, ſo wirſt du denken „willſt hinein gehen, und um einen Zehrpfennig bit- ten“, das thue nicht, die Müller ſind grobe Leute, ſie möchten dich beſchimpfen und deinen ehrlichen Namen vergeſſen. Dann wirſt du kommen an einen Teich, in dem werden Fröſche ſitzen und ſchreien: arg, arg. Ja, wirſt du denken, ich hab es wohl arg gemacht bei meinem Lehrmeiſter — eine Schüſſel voll Sauer- kraut und Schweinekopf, daß ich kaum mit einer Wagenſtange darüber ſpringen konnte, laß dir dabei das Heimweh nicht ein- fallen. Dann wirſt du kommen an einen Bach, da werden Enten und Gänſe laufen, da wirſt du ſtarken Appetit kriegen und meinen, du wollteſt eine todtſchlagen, damit du auf den Abend einen Braten habeſt; mein Schmied, das thue nicht, es möchte einer dazukommen und ſchlüge dir die Haut voll und vergäße deinen ehrlichen Ramen, du dürfteſt dich nicht mehr unter ehrlichen Geſellen ſehen laſſen, drum laß einem Jeden das Seine; laufe immer fort, laufe ein Loch in die Welt hinein, daß man es nicht mit zehn Fuder Heu zuſtopfen kann ꝛc. Das Geſellenmachen der Glaſer iſt in neuerer Zeit ohne große Förmlichkeiten geſchehen, es wurden dem jungen Geſellen vor verſammeltem Handwerk folgende Geſellenartikel vorgeleſen, denen er nachzuleben mit einem Handſchlag verſprechen mußte. I. Sollt Ihr meiden alle Jungen, mit welchen Ihr vor dieſen converſiret habt, denn ſolches ſtehet einem ehr- lichen Glaſergeſellen nicht an. II. Sollt Ihr nicht gehen auf der Gaſſen ohne Mantel, Rock, Stock und Degen, oder etwas von Handwerks- zeug tragen, auch nicht den Mantel ums Maul ſchlagen und nicht aus der Taſchen naſchen, denn ſolches ſtehet der Ehrbarkeit nicht wohl an.

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/42>, abgerufen am 19.04.2024.