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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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Der Fremde. Ich sage Dir Dank statt Meister, Gesellen
und Jünger, ich will es fleißig ausrichten.
Altgesell. So mit Verlaub und Gunst, mein Gesellschaft,
so wird Dir verehret -- Groschen etc. und freies Nacht-
lager von den Meistern und von mir und meinen Ge-
sellen und Jüngern, die neben mir in Arbeit stehen,
6 Pfennige zum kleinen Geschenk, damit Du kannst einem
ehrlichen Meister zuziehen und einen unehrlichen meiden,
nimm damit vorlieb, das Kloster ist arm, der Brü-
der sind viel, der Abt trinkt selbst gern
, ich
wünsche Dir Glück zum kleinen Geschenk. So mit
Gunst, der Filz ist mein!

Nun war zwar das Geschäft der Umschau beendiget, beide
Gesellen blieben aber in der Herberge beisammen und der Altge-
selle bewirthete den Fremden in einigen Städten für Rechnung
der in Arbeit stehenden Brüderschaft, in anderen auf eigene
Kosten.

In kleinen Städten, wo keine Innung und Gesellen-Brüder-
schaft (Aeltest und Jüngst) war, gingen die Reisenden selbst zu
den Meistern und baten in vorgeschriebenen Worten um Arbeit
oder das Geschenk, kamen sie Nachmittags um vier Uhr, nur
um Nachtlager, das ihnen dann, so wie ein Abendessen, gewährt
wurde, in neuerer Zeit sollen die Meister sie statt dessen mit
2 Groschen abgefunden haben.

Meine Leser würden ermüden über dem monotonen Wort-
krahm und der ewig wiederkehrenden Tautologie, wollte ich noch
von andern Handwerken dergleichen Gebräuche anführen, was
bei dem nächsten Abschnitt, der Auflage, ohnehin nicht zu
umgehen ist. Ich brauche wohl nicht auf den Unterschied hin-
zuweisen, der zwischen diesem und dem einfach gemüthlichen
Gruß der alten Steinmetze sich hervorthut; und welch ein tiefer
Sinn spricht uns an in den wenigen Bruchstücken des Maurer-
grußes; beide zeugen von hohem Alterthum und von der Würde
der Gewerke, deren die Gesellen sich bewußt waren, während in
dem der übrigen Handwerker bei aller Neigung zu fröhlicher
Sinnlichkeit, die sogar durch einige Poesie gehoben wird, doch

Der Fremde. Ich ſage Dir Dank ſtatt Meiſter, Geſellen
und Jünger, ich will es fleißig ausrichten.
Altgeſell. So mit Verlaub und Gunſt, mein Geſellſchaft,
ſo wird Dir verehret — Groſchen ꝛc. und freies Nacht-
lager von den Meiſtern und von mir und meinen Ge-
ſellen und Jüngern, die neben mir in Arbeit ſtehen,
6 Pfennige zum kleinen Geſchenk, damit Du kannſt einem
ehrlichen Meiſter zuziehen und einen unehrlichen meiden,
nimm damit vorlieb, das Kloſter iſt arm, der Brü-
der ſind viel, der Abt trinkt ſelbſt gern
, ich
wünſche Dir Glück zum kleinen Geſchenk. So mit
Gunſt, der Filz iſt mein!

Nun war zwar das Geſchäft der Umſchau beendiget, beide
Geſellen blieben aber in der Herberge beiſammen und der Altge-
ſelle bewirthete den Fremden in einigen Städten für Rechnung
der in Arbeit ſtehenden Brüderſchaft, in anderen auf eigene
Koſten.

In kleinen Städten, wo keine Innung und Geſellen-Brüder-
ſchaft (Aelteſt und Jüngſt) war, gingen die Reiſenden ſelbſt zu
den Meiſtern und baten in vorgeſchriebenen Worten um Arbeit
oder das Geſchenk, kamen ſie Nachmittags um vier Uhr, nur
um Nachtlager, das ihnen dann, ſo wie ein Abendeſſen, gewährt
wurde, in neuerer Zeit ſollen die Meiſter ſie ſtatt deſſen mit
2 Groſchen abgefunden haben.

Meine Leſer würden ermüden über dem monotonen Wort-
krahm und der ewig wiederkehrenden Tautologie, wollte ich noch
von andern Handwerken dergleichen Gebräuche anführen, was
bei dem nächſten Abſchnitt, der Auflage, ohnehin nicht zu
umgehen iſt. Ich brauche wohl nicht auf den Unterſchied hin-
zuweiſen, der zwiſchen dieſem und dem einfach gemüthlichen
Gruß der alten Steinmetze ſich hervorthut; und welch ein tiefer
Sinn ſpricht uns an in den wenigen Bruchſtücken des Maurer-
grußes; beide zeugen von hohem Alterthum und von der Würde
der Gewerke, deren die Geſellen ſich bewußt waren, während in
dem der übrigen Handwerker bei aller Neigung zu fröhlicher
Sinnlichkeit, die ſogar durch einige Poeſie gehoben wird, doch

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[70/0080] Der Fremde. Ich ſage Dir Dank ſtatt Meiſter, Geſellen und Jünger, ich will es fleißig ausrichten. Altgeſell. So mit Verlaub und Gunſt, mein Geſellſchaft, ſo wird Dir verehret — Groſchen ꝛc. und freies Nacht- lager von den Meiſtern und von mir und meinen Ge- ſellen und Jüngern, die neben mir in Arbeit ſtehen, 6 Pfennige zum kleinen Geſchenk, damit Du kannſt einem ehrlichen Meiſter zuziehen und einen unehrlichen meiden, nimm damit vorlieb, das Kloſter iſt arm, der Brü- der ſind viel, der Abt trinkt ſelbſt gern, ich wünſche Dir Glück zum kleinen Geſchenk. So mit Gunſt, der Filz iſt mein! Nun war zwar das Geſchäft der Umſchau beendiget, beide Geſellen blieben aber in der Herberge beiſammen und der Altge- ſelle bewirthete den Fremden in einigen Städten für Rechnung der in Arbeit ſtehenden Brüderſchaft, in anderen auf eigene Koſten. In kleinen Städten, wo keine Innung und Geſellen-Brüder- ſchaft (Aelteſt und Jüngſt) war, gingen die Reiſenden ſelbſt zu den Meiſtern und baten in vorgeſchriebenen Worten um Arbeit oder das Geſchenk, kamen ſie Nachmittags um vier Uhr, nur um Nachtlager, das ihnen dann, ſo wie ein Abendeſſen, gewährt wurde, in neuerer Zeit ſollen die Meiſter ſie ſtatt deſſen mit 2 Groſchen abgefunden haben. Meine Leſer würden ermüden über dem monotonen Wort- krahm und der ewig wiederkehrenden Tautologie, wollte ich noch von andern Handwerken dergleichen Gebräuche anführen, was bei dem nächſten Abſchnitt, der Auflage, ohnehin nicht zu umgehen iſt. Ich brauche wohl nicht auf den Unterſchied hin- zuweiſen, der zwiſchen dieſem und dem einfach gemüthlichen Gruß der alten Steinmetze ſich hervorthut; und welch ein tiefer Sinn ſpricht uns an in den wenigen Bruchſtücken des Maurer- grußes; beide zeugen von hohem Alterthum und von der Würde der Gewerke, deren die Geſellen ſich bewußt waren, während in dem der übrigen Handwerker bei aller Neigung zu fröhlicher Sinnlichkeit, die ſogar durch einige Poeſie gehoben wird, doch

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/80>, abgerufen am 23.04.2024.