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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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"Das kommt von Eurem klugen Deichgrafen,"
rief einer von den Geestleuten, "der immer grübeln
geht und seine Finger dann in Alles steckt!"

"Ja, Marten," sagte Ole Peters, der dem
Sprecher gegenüber saß; "recht hast Du, er ist
hinterspinnig und sucht beim Oberdeichgraf sich 'nen
weißen Fuß zu machen; aber wir haben ihn nun
einmal!"

"Warum habt Ihr ihn Euch aufhucken lassen?"
sagte der Andre; "nun müßt Ihr's baar be-
zahlen."

Ole Peters lachte. "Ja, Marten Fedders,
das ist nun so bei uns, und davon ist nichts
abzukratzen: der alte wurde Deichgraf von seines
Vaters, der neue von seines Weibes wegen."
Das Gelächter, das jetzt um den Tisch lief,
zeigte, welchen Beifall das geprägte Wort gefunden
hatte.

Aber es war an öffentlicher Wirthstafel ge-
sprochen worden, es blieb nicht da, es lief bald
um im Geest- wie unten in dem Marschdorf; so
kam es auch an Hauke. Und wieder ging vor
seinem inneren Auge die Reihe übelwollender Ge-
sichter vorüber, und noch höhnischer, als es ge-

„Das kommt von Eurem klugen Deichgrafen,”
rief einer von den Geeſtleuten, „der immer grübeln
geht und ſeine Finger dann in Alles ſteckt!”

„Ja, Marten,” ſagte Ole Peters, der dem
Sprecher gegenüber ſaß; „recht haſt Du, er iſt
hinterſpinnig und ſucht beim Oberdeichgraf ſich 'nen
weißen Fuß zu machen; aber wir haben ihn nun
einmal!”

„Warum habt Ihr ihn Euch aufhucken laſſen?”
ſagte der Andre; „nun müßt Ihr's baar be-
zahlen.”

Ole Peters lachte. „Ja, Marten Fedders,
das iſt nun ſo bei uns, und davon iſt nichts
abzukratzen: der alte wurde Deichgraf von ſeines
Vaters, der neue von ſeines Weibes wegen.”
Das Gelächter, das jetzt um den Tiſch lief,
zeigte, welchen Beifall das geprägte Wort gefunden
hatte.

Aber es war an öffentlicher Wirthstafel ge-
ſprochen worden, es blieb nicht da, es lief bald
um im Geeſt- wie unten in dem Marſchdorf; ſo
kam es auch an Hauke. Und wieder ging vor
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[101/0113] „Das kommt von Eurem klugen Deichgrafen,” rief einer von den Geeſtleuten, „der immer grübeln geht und ſeine Finger dann in Alles ſteckt!” „Ja, Marten,” ſagte Ole Peters, der dem Sprecher gegenüber ſaß; „recht haſt Du, er iſt hinterſpinnig und ſucht beim Oberdeichgraf ſich 'nen weißen Fuß zu machen; aber wir haben ihn nun einmal!” „Warum habt Ihr ihn Euch aufhucken laſſen?” ſagte der Andre; „nun müßt Ihr's baar be- zahlen.” Ole Peters lachte. „Ja, Marten Fedders, das iſt nun ſo bei uns, und davon iſt nichts abzukratzen: der alte wurde Deichgraf von ſeines Vaters, der neue von ſeines Weibes wegen.” Das Gelächter, das jetzt um den Tiſch lief, zeigte, welchen Beifall das geprägte Wort gefunden hatte. Aber es war an öffentlicher Wirthstafel ge- ſprochen worden, es blieb nicht da, es lief bald um im Geeſt- wie unten in dem Marſchdorf; ſo kam es auch an Hauke. Und wieder ging vor ſeinem inneren Auge die Reihe übelwollender Ge- ſichter vorüber, und noch höhniſcher, als es ge-

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/113>, abgerufen am 24.04.2024.