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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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so stillen Augen merken können. "Geduld, Elke,"
sagte er, da ihm einmal war, als ob sein Weib
ihn nicht lassen könne; "ich muß erst selbst im
Reinen sein, bevor ich meinen Antrag stelle!" Da
nickte sie und ließ ihn gehen. Der Ritte in die
Stadt zum Oberdeichgrafen wurden auch nicht
wenige, und allem diesen und den Mühen in
Haus- und Landwirthschaft folgten immer wieder
die Arbeiten in die Nacht hinein. Sein Verkehr
mit anderen Menschen außer in Arbeit und Ge-
schäft verschwand fast ganz; der selbst mit seinem
Weibe wurde immer weniger. "Es sind schlimme
Zeiten, und sie werden noch lange dauern,"
sprach Elke bei sich selber, und ging an ihre
Arbeit.

Endlich, Sonne und Frühlingswinde hatten
schon überall das Eis gebrochen, war auch die
letzte Vorarbeit gethan; die Eingabe an den Ober-
deichgrafen zur Befürwortung an höherem Orte,
enthaltend den Vorschlag einer Bedeichung des er-
wähnten Vorlandes, zur Förderung des öffentlichen
Besten, infonders des Kooges, wie nicht weniger
der Herrschaftlichen Kasse, da höchstderselben in
kurzen Jahren die Abgaben von ca. 1000 Demath

ſo ſtillen Augen merken können. „Geduld, Elke,”
ſagte er, da ihm einmal war, als ob ſein Weib
ihn nicht laſſen könne; „ich muß erſt ſelbſt im
Reinen ſein, bevor ich meinen Antrag ſtelle!” Da
nickte ſie und ließ ihn gehen. Der Ritte in die
Stadt zum Oberdeichgrafen wurden auch nicht
wenige, und allem dieſen und den Mühen in
Haus- und Landwirthſchaft folgten immer wieder
die Arbeiten in die Nacht hinein. Sein Verkehr
mit anderen Menſchen außer in Arbeit und Ge-
ſchäft verſchwand faſt ganz; der ſelbſt mit ſeinem
Weibe wurde immer weniger. „Es ſind ſchlimme
Zeiten, und ſie werden noch lange dauern,”
ſprach Elke bei ſich ſelber, und ging an ihre
Arbeit.

Endlich, Sonne und Frühlingswinde hatten
ſchon überall das Eis gebrochen, war auch die
letzte Vorarbeit gethan; die Eingabe an den Ober-
deichgrafen zur Befürwortung an höherem Orte,
enthaltend den Vorſchlag einer Bedeichung des er-
wähnten Vorlandes, zur Förderung des öffentlichen
Beſten, infonders des Kooges, wie nicht weniger
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[111/0123] ſo ſtillen Augen merken können. „Geduld, Elke,” ſagte er, da ihm einmal war, als ob ſein Weib ihn nicht laſſen könne; „ich muß erſt ſelbſt im Reinen ſein, bevor ich meinen Antrag ſtelle!” Da nickte ſie und ließ ihn gehen. Der Ritte in die Stadt zum Oberdeichgrafen wurden auch nicht wenige, und allem dieſen und den Mühen in Haus- und Landwirthſchaft folgten immer wieder die Arbeiten in die Nacht hinein. Sein Verkehr mit anderen Menſchen außer in Arbeit und Ge- ſchäft verſchwand faſt ganz; der ſelbſt mit ſeinem Weibe wurde immer weniger. „Es ſind ſchlimme Zeiten, und ſie werden noch lange dauern,” ſprach Elke bei ſich ſelber, und ging an ihre Arbeit. Endlich, Sonne und Frühlingswinde hatten ſchon überall das Eis gebrochen, war auch die letzte Vorarbeit gethan; die Eingabe an den Ober- deichgrafen zur Befürwortung an höherem Orte, enthaltend den Vorſchlag einer Bedeichung des er- wähnten Vorlandes, zur Förderung des öffentlichen Beſten, infonders des Kooges, wie nicht weniger der Herrſchaftlichen Kaſſe, da höchſtderſelben in kurzen Jahren die Abgaben von ca. 1000 Demath

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/123>, abgerufen am 29.03.2024.