Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

-- "Ja, ja; Du hast ein Weib, Du kommst
ins warme Bett! Bei mir ist auch in meiner
Kammer lauter Märzenluft!"

"Gut' Nacht denn!" rief der Tagelöhner
zurück, während er auf dem Deich nach Hause trabte.
Der Knecht sah sich ein paar Mal nach dem Fort-
laufenden um; aber die Begier, Unheimliches zu
schauen, hielt ihn noch fest. Da kam eine unter-
setzte, dunkle Gestalt auf dem Deich vom Dorf her
gegen ihn heran; es war der Dienstjunge des
Deichgrafen. "Was willst Du, Carsten?" rief
ihm der Knecht entgegen.

"Ich? -- nichts," sagte der Junge; "aber
unser Wirth will Dich sprechen, Iven Johns!"

Der Knecht hatte die Augen schon wieder nach
der Hallig: "Gleich; ich komme gleich!" sagte er.

-- "Wonach guckst Du denn so?" frug der
Junge.

Der Knecht hob den Arm und wies stumm nach
der Hallig. "Oha!" flüsterte der Junge; "da geht
ein Pferd -- ein Schimmel -- das muß der Teufel
reiten -- wie kommt ein Pferd nach Jevershallig?"

-- "Weiß nicht, Carsten; wenn's nur ein
richtiges Pferd ist!"

8*

— „Ja, ja; Du haſt ein Weib, Du kommſt
ins warme Bett! Bei mir iſt auch in meiner
Kammer lauter Märzenluft!”

„Gut' Nacht denn!” rief der Tagelöhner
zurück, während er auf dem Deich nach Hauſe trabte.
Der Knecht ſah ſich ein paar Mal nach dem Fort-
laufenden um; aber die Begier, Unheimliches zu
ſchauen, hielt ihn noch feſt. Da kam eine unter-
ſetzte, dunkle Geſtalt auf dem Deich vom Dorf her
gegen ihn heran; es war der Dienſtjunge des
Deichgrafen. „Was willſt Du, Carſten?” rief
ihm der Knecht entgegen.

„Ich? — nichts,” ſagte der Junge; „aber
unſer Wirth will Dich ſprechen, Iven Johns!”

Der Knecht hatte die Augen ſchon wieder nach
der Hallig: „Gleich; ich komme gleich!” ſagte er.

— „Wonach guckſt Du denn ſo?” frug der
Junge.

Der Knecht hob den Arm und wies ſtumm nach
der Hallig. „Oha!” flüſterte der Junge; „da geht
ein Pferd — ein Schimmel — das muß der Teufel
reiten — wie kommt ein Pferd nach Jevershallig?”

— „Weiß nicht, Carſten; wenn's nur ein
richtiges Pferd iſt!”

8*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0127" n="115"/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Ja, ja; Du ha&#x017F;t ein Weib, Du komm&#x017F;t<lb/>
ins warme Bett! Bei mir i&#x017F;t auch in meiner<lb/>
Kammer lauter Märzenluft!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gut' Nacht denn!&#x201D; rief der Tagelöhner<lb/>
zurück, während er auf dem Deich nach Hau&#x017F;e trabte.<lb/>
Der Knecht &#x017F;ah &#x017F;ich ein paar Mal nach dem Fort-<lb/>
laufenden um; aber die Begier, Unheimliches zu<lb/>
&#x017F;chauen, hielt ihn noch fe&#x017F;t. Da kam eine unter-<lb/>
&#x017F;etzte, dunkle Ge&#x017F;talt auf dem Deich vom Dorf her<lb/>
gegen ihn heran; es war der Dien&#x017F;tjunge des<lb/>
Deichgrafen. &#x201E;Was will&#x017F;t Du, Car&#x017F;ten?&#x201D; rief<lb/>
ihm der Knecht entgegen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich? &#x2014; nichts,&#x201D; &#x017F;agte der Junge; &#x201E;aber<lb/>
un&#x017F;er Wirth will Dich &#x017F;prechen, Iven Johns!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Der Knecht hatte die Augen &#x017F;chon wieder nach<lb/>
der Hallig: &#x201E;Gleich; ich komme gleich!&#x201D; &#x017F;agte er.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Wonach guck&#x017F;t Du denn &#x017F;o?&#x201D; frug der<lb/>
Junge.</p><lb/>
        <p>Der Knecht hob den Arm und wies &#x017F;tumm nach<lb/>
der Hallig. &#x201E;Oha!&#x201D; flü&#x017F;terte der Junge; &#x201E;da geht<lb/>
ein Pferd &#x2014; ein Schimmel &#x2014; das muß der Teufel<lb/>
reiten &#x2014; wie kommt ein Pferd nach Jevershallig?&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Weiß nicht, Car&#x017F;ten; wenn's nur ein<lb/>
richtiges Pferd i&#x017F;t!&#x201D;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">8*</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0127] — „Ja, ja; Du haſt ein Weib, Du kommſt ins warme Bett! Bei mir iſt auch in meiner Kammer lauter Märzenluft!” „Gut' Nacht denn!” rief der Tagelöhner zurück, während er auf dem Deich nach Hauſe trabte. Der Knecht ſah ſich ein paar Mal nach dem Fort- laufenden um; aber die Begier, Unheimliches zu ſchauen, hielt ihn noch feſt. Da kam eine unter- ſetzte, dunkle Geſtalt auf dem Deich vom Dorf her gegen ihn heran; es war der Dienſtjunge des Deichgrafen. „Was willſt Du, Carſten?” rief ihm der Knecht entgegen. „Ich? — nichts,” ſagte der Junge; „aber unſer Wirth will Dich ſprechen, Iven Johns!” Der Knecht hatte die Augen ſchon wieder nach der Hallig: „Gleich; ich komme gleich!” ſagte er. — „Wonach guckſt Du denn ſo?” frug der Junge. Der Knecht hob den Arm und wies ſtumm nach der Hallig. „Oha!” flüſterte der Junge; „da geht ein Pferd — ein Schimmel — das muß der Teufel reiten — wie kommt ein Pferd nach Jevershallig?” — „Weiß nicht, Carſten; wenn's nur ein richtiges Pferd iſt!” 8*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/127
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/127>, abgerufen am 24.04.2024.