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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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werden, weil der milde Abfall nach der Seeseite
den Wellen keinen Angriffspunkt entgegenstellt, und
so werdet Ihr für Euch und Euere Kinder ein
sicheres Land gewinnen, und das ist es, weshalb
die Herrschaft und der Oberdeichgraf mir den
Daumen halten; das ist es auch, was Ihr zu
Eurem eigenen Vortheil einsehen solltet!"

Als die Versammelten hierauf nicht sogleich
zu antworten bereit waren, erhob sich ein alter
weißhaariger Mann mühsam von seinem Stuhle;
es war Frau Elke's Pathe, Jewe Manners, der
auf Hauke's Bitten noch immer in seinem Gevoll-
mächtigten-Amt verblieben war. "Deichgraf Hauke
Haien," sprach er, "Du machst uns viel Unruhe
und Kosten, und ich wollte, Du hättest damit ge-
wartet, bis mich der Herrgott hätt' zur Ruhe
gehen lassen; aber -- recht hast Du, das kann
nur die Unvernunft bestreiten. Wir haben Gott
mit jedem Tag zu danken, daß er uns trotz unserer
Trägheit das kostbare Stück Vorland gegen Sturm
und Wasserdrang erhalten hat; jetzt aber ist es
wohl die elfte Stunde, in der wir selbst die Hand
anlegen müssen, es auch nach all' unserem Wissen
und Können selber uns zu wahren und auf Gottes

werden, weil der milde Abfall nach der Seeſeite
den Wellen keinen Angriffspunkt entgegenſtellt, und
ſo werdet Ihr für Euch und Euere Kinder ein
ſicheres Land gewinnen, und das iſt es, weshalb
die Herrſchaft und der Oberdeichgraf mir den
Daumen halten; das iſt es auch, was Ihr zu
Eurem eigenen Vortheil einſehen ſolltet!”

Als die Verſammelten hierauf nicht ſogleich
zu antworten bereit waren, erhob ſich ein alter
weißhaariger Mann mühſam von ſeinem Stuhle;
es war Frau Elke's Pathe, Jewe Manners, der
auf Hauke's Bitten noch immer in ſeinem Gevoll-
mächtigten-Amt verblieben war. „Deichgraf Hauke
Haien,” ſprach er, „Du machſt uns viel Unruhe
und Koſten, und ich wollte, Du hätteſt damit ge-
wartet, bis mich der Herrgott hätt' zur Ruhe
gehen laſſen; aber — recht haſt Du, das kann
nur die Unvernunft beſtreiten. Wir haben Gott
mit jedem Tag zu danken, daß er uns trotz unſerer
Trägheit das koſtbare Stück Vorland gegen Sturm
und Waſſerdrang erhalten hat; jetzt aber iſt es
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[135/0147] werden, weil der milde Abfall nach der Seeſeite den Wellen keinen Angriffspunkt entgegenſtellt, und ſo werdet Ihr für Euch und Euere Kinder ein ſicheres Land gewinnen, und das iſt es, weshalb die Herrſchaft und der Oberdeichgraf mir den Daumen halten; das iſt es auch, was Ihr zu Eurem eigenen Vortheil einſehen ſolltet!” Als die Verſammelten hierauf nicht ſogleich zu antworten bereit waren, erhob ſich ein alter weißhaariger Mann mühſam von ſeinem Stuhle; es war Frau Elke's Pathe, Jewe Manners, der auf Hauke's Bitten noch immer in ſeinem Gevoll- mächtigten-Amt verblieben war. „Deichgraf Hauke Haien,” ſprach er, „Du machſt uns viel Unruhe und Koſten, und ich wollte, Du hätteſt damit ge- wartet, bis mich der Herrgott hätt' zur Ruhe gehen laſſen; aber — recht haſt Du, das kann nur die Unvernunft beſtreiten. Wir haben Gott mit jedem Tag zu danken, daß er uns trotz unſerer Trägheit das koſtbare Stück Vorland gegen Sturm und Waſſerdrang erhalten hat; jetzt aber iſt es wohl die elfte Stunde, in der wir ſelbſt die Hand anlegen müſſen, es auch nach all' unſerem Wiſſen und Können ſelber uns zu wahren und auf Gottes

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/147>, abgerufen am 29.03.2024.