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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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mit ihrem Morgenbrot haufenweis beisammen auf
der Erde lagen, dann ritt Hauke an den verlassenen
Werken entlang, und seine Augen waren scharf,
wo liederliche Hände den Spaten geführt hatten.
Wenn er aber zu den Leuten ritt und ihnen aus-
einandersetzte, wie die Arbeit müsse beschafft werden,
sahen sie wohl zu ihm auf und kauten geduldig
an ihrem Brote weiter; aber eine Zustimmung
oder auch nur eine Aeußerung hörte er nicht von
ihnen. Einmal zu solcher Tageszeit, es war schon
spät, da er an einer Deichstelle die Arbeit in
besonderer Ordnung gefunden hatte, ritt er zu dem
nächsten Haufen der Frühstückenden, sprang von
seinem Schimmel und frug heiter, wer dort so
sauberes Tagewerk verrichtet hätte; aber sie sahen
ihn nur scheu und düster an, und nur langsam
und wie widerwillig wurden ein paar Namen ge-
nannt. Der Mensch, dem er sein Pferd gegeben
hatte, das ruhig wie ein Lamm stand, hielt es
mit beiden Händen und blickte wie angstvoll nach
den schönen Augen des Thieres, die es, wie ge-
wöhnlich, auf seinen Herrn gerichtet hielt.

"Nun, Marten!" rief Hauke; "was stehst Du,
als ob Dir der Donner in die Beine gefahren sei?"

Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 10

mit ihrem Morgenbrot haufenweis beiſammen auf
der Erde lagen, dann ritt Hauke an den verlaſſenen
Werken entlang, und ſeine Augen waren ſcharf,
wo liederliche Hände den Spaten geführt hatten.
Wenn er aber zu den Leuten ritt und ihnen aus-
einanderſetzte, wie die Arbeit müſſe beſchafft werden,
ſahen ſie wohl zu ihm auf und kauten geduldig
an ihrem Brote weiter; aber eine Zuſtimmung
oder auch nur eine Aeußerung hörte er nicht von
ihnen. Einmal zu ſolcher Tageszeit, es war ſchon
ſpät, da er an einer Deichſtelle die Arbeit in
beſonderer Ordnung gefunden hatte, ritt er zu dem
nächſten Haufen der Frühſtückenden, ſprang von
ſeinem Schimmel und frug heiter, wer dort ſo
ſauberes Tagewerk verrichtet hätte; aber ſie ſahen
ihn nur ſcheu und düſter an, und nur langſam
und wie widerwillig wurden ein paar Namen ge-
nannt. Der Menſch, dem er ſein Pferd gegeben
hatte, das ruhig wie ein Lamm ſtand, hielt es
mit beiden Händen und blickte wie angſtvoll nach
den ſchönen Augen des Thieres, die es, wie ge-
wöhnlich, auf ſeinen Herrn gerichtet hielt.

„Nun, Marten!” rief Hauke; „was ſtehſt Du,
als ob Dir der Donner in die Beine gefahren ſei?”

Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 10
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[145/0157] mit ihrem Morgenbrot haufenweis beiſammen auf der Erde lagen, dann ritt Hauke an den verlaſſenen Werken entlang, und ſeine Augen waren ſcharf, wo liederliche Hände den Spaten geführt hatten. Wenn er aber zu den Leuten ritt und ihnen aus- einanderſetzte, wie die Arbeit müſſe beſchafft werden, ſahen ſie wohl zu ihm auf und kauten geduldig an ihrem Brote weiter; aber eine Zuſtimmung oder auch nur eine Aeußerung hörte er nicht von ihnen. Einmal zu ſolcher Tageszeit, es war ſchon ſpät, da er an einer Deichſtelle die Arbeit in beſonderer Ordnung gefunden hatte, ritt er zu dem nächſten Haufen der Frühſtückenden, ſprang von ſeinem Schimmel und frug heiter, wer dort ſo ſauberes Tagewerk verrichtet hätte; aber ſie ſahen ihn nur ſcheu und düſter an, und nur langſam und wie widerwillig wurden ein paar Namen ge- nannt. Der Menſch, dem er ſein Pferd gegeben hatte, das ruhig wie ein Lamm ſtand, hielt es mit beiden Händen und blickte wie angſtvoll nach den ſchönen Augen des Thieres, die es, wie ge- wöhnlich, auf ſeinen Herrn gerichtet hielt. „Nun, Marten!” rief Hauke; „was ſtehſt Du, als ob Dir der Donner in die Beine gefahren ſei?” Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 10

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/157>, abgerufen am 24.04.2024.