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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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schleudern sehen; eine jähe Zornröthe stieg ihm
ins Gesicht. "Halt! Haltet ein!" schrie er zu den
Karren hinunter; denn der nasse Klei wurde unauf-
haltsam aufgeschüttet.

"Warum?" rief eine rauhe Stimme von unten
herauf; "doch um die elende Hunde-Creatur nicht?"

"Halt! sag' ich," schrie Hauke wieder; "bringt
mir den Hund! Bei unserem Werke soll kein
Frevel sein!"

Aber es rührte sich keine Hand; nur ein paar
Spaten zähen Kleis flogen noch neben das
schreiende Thier. Da gab er seinem Schimmel die
Sporen, daß das Thier einen Schrei ausstieß,
und stürmte den Deich hinab, und Alles wich vor
ihm zurück. "Den Hund!" schrie er; "ich will
den Hund!"

Eine Hand schlug sanft auf seine Schulter,
als wäre es die Hand des alten Jewe Manners;
doch als er umsah, war es nur ein Freund des
Alten. "Nehmt Euch in Acht, Deichgraf!" raunte
der ihm zu. "Ihr habt nicht Freunde unter diesen
Leuten; laßt es mit dem Hunde gehen!"

Der Wind pfiff, der Regen klatschte; die Leute
hatten die Spaten in den Grund gesteckt, einige

ſchleudern ſehen; eine jähe Zornröthe ſtieg ihm
ins Geſicht. „Halt! Haltet ein!” ſchrie er zu den
Karren hinunter; denn der naſſe Klei wurde unauf-
haltſam aufgeſchüttet.

„Warum?” rief eine rauhe Stimme von unten
herauf; „doch um die elende Hunde-Creatur nicht?”

„Halt! ſag' ich,” ſchrie Hauke wieder; „bringt
mir den Hund! Bei unſerem Werke ſoll kein
Frevel ſein!”

Aber es rührte ſich keine Hand; nur ein paar
Spaten zähen Kleis flogen noch neben das
ſchreiende Thier. Da gab er ſeinem Schimmel die
Sporen, daß das Thier einen Schrei ausſtieß,
und ſtürmte den Deich hinab, und Alles wich vor
ihm zurück. „Den Hund!” ſchrie er; „ich will
den Hund!”

Eine Hand ſchlug ſanft auf ſeine Schulter,
als wäre es die Hand des alten Jewe Manners;
doch als er umſah, war es nur ein Freund des
Alten. „Nehmt Euch in Acht, Deichgraf!” raunte
der ihm zu. „Ihr habt nicht Freunde unter dieſen
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[160/0172] ſchleudern ſehen; eine jähe Zornröthe ſtieg ihm ins Geſicht. „Halt! Haltet ein!” ſchrie er zu den Karren hinunter; denn der naſſe Klei wurde unauf- haltſam aufgeſchüttet. „Warum?” rief eine rauhe Stimme von unten herauf; „doch um die elende Hunde-Creatur nicht?” „Halt! ſag' ich,” ſchrie Hauke wieder; „bringt mir den Hund! Bei unſerem Werke ſoll kein Frevel ſein!” Aber es rührte ſich keine Hand; nur ein paar Spaten zähen Kleis flogen noch neben das ſchreiende Thier. Da gab er ſeinem Schimmel die Sporen, daß das Thier einen Schrei ausſtieß, und ſtürmte den Deich hinab, und Alles wich vor ihm zurück. „Den Hund!” ſchrie er; „ich will den Hund!” Eine Hand ſchlug ſanft auf ſeine Schulter, als wäre es die Hand des alten Jewe Manners; doch als er umſah, war es nur ein Freund des Alten. „Nehmt Euch in Acht, Deichgraf!” raunte der ihm zu. „Ihr habt nicht Freunde unter dieſen Leuten; laßt es mit dem Hunde gehen!” Der Wind pfiff, der Regen klatſchte; die Leute hatten die Spaten in den Grund geſteckt, einige

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/172>, abgerufen am 25.04.2024.