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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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hinausgelaufen; man sah vom Zimmer aus, wie
ihr die Röcke flogen; aber als sie die Klammern
gelöst hatte, riß ihr der Sturm den Laden aus
der Hand und warf ihn gegen die Fenster, daß
ein paar Scheiben zersplittert in die Stube flogen
und eins der Lichter qualmend auslosch. Hauke
mußte selbst hinaus, zu helfen, und nur mit Noth
kamen allmälig die Luken vor die Fenster. Als
sie beim Wiedereintritt in das Haus die Thür
aufrissen, fuhr eine Böe hinterdrein, daß Glas
und Silber im Wandschrank durcheinander klirrten;
oben im Hause über ihren Köpfen zitterten und
krachten die Balken, als wolle der Sturm das Dach
von den Mauern reißen. Aber Hauke kam nicht
wieder in das Zimmer; Elke hörte, wie er durch
die Tenne nach dem Stalle schritt. "Den Schimmel!
Den Schimmel, John! Rasch!" So hörte sie ihn
rufen; dann kam er wieder in die Stube, das
Haar zerzaust, aber die grauen Augen leuchtend.
"Der Wind ist umgesprungen!" rief er --, "nach
Nordwest, auf halber Springfluth! Kein Wind; --
wir haben solchen Sturm noch nicht erlebt!"

Elke war todtenblaß geworden: "Und Du
mußt noch einmal hinaus?"

hinausgelaufen; man ſah vom Zimmer aus, wie
ihr die Röcke flogen; aber als ſie die Klammern
gelöſt hatte, riß ihr der Sturm den Laden aus
der Hand und warf ihn gegen die Fenſter, daß
ein paar Scheiben zerſplittert in die Stube flogen
und eins der Lichter qualmend ausloſch. Hauke
mußte ſelbſt hinaus, zu helfen, und nur mit Noth
kamen allmälig die Luken vor die Fenſter. Als
ſie beim Wiedereintritt in das Haus die Thür
aufriſſen, fuhr eine Böe hinterdrein, daß Glas
und Silber im Wandſchrank durcheinander klirrten;
oben im Hauſe über ihren Köpfen zitterten und
krachten die Balken, als wolle der Sturm das Dach
von den Mauern reißen. Aber Hauke kam nicht
wieder in das Zimmer; Elke hörte, wie er durch
die Tenne nach dem Stalle ſchritt. „Den Schimmel!
Den Schimmel, John! Raſch!” So hörte ſie ihn
rufen; dann kam er wieder in die Stube, das
Haar zerzauſt, aber die grauen Augen leuchtend.
„Der Wind iſt umgeſprungen!” rief er —, „nach
Nordweſt, auf halber Springfluth! Kein Wind; —
wir haben ſolchen Sturm noch nicht erlebt!”

Elke war todtenblaß geworden: „Und Du
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[203/0215] hinausgelaufen; man ſah vom Zimmer aus, wie ihr die Röcke flogen; aber als ſie die Klammern gelöſt hatte, riß ihr der Sturm den Laden aus der Hand und warf ihn gegen die Fenſter, daß ein paar Scheiben zerſplittert in die Stube flogen und eins der Lichter qualmend ausloſch. Hauke mußte ſelbſt hinaus, zu helfen, und nur mit Noth kamen allmälig die Luken vor die Fenſter. Als ſie beim Wiedereintritt in das Haus die Thür aufriſſen, fuhr eine Böe hinterdrein, daß Glas und Silber im Wandſchrank durcheinander klirrten; oben im Hauſe über ihren Köpfen zitterten und krachten die Balken, als wolle der Sturm das Dach von den Mauern reißen. Aber Hauke kam nicht wieder in das Zimmer; Elke hörte, wie er durch die Tenne nach dem Stalle ſchritt. „Den Schimmel! Den Schimmel, John! Raſch!” So hörte ſie ihn rufen; dann kam er wieder in die Stube, das Haar zerzauſt, aber die grauen Augen leuchtend. „Der Wind iſt umgeſprungen!” rief er —, „nach Nordweſt, auf halber Springfluth! Kein Wind; — wir haben ſolchen Sturm noch nicht erlebt!” Elke war todtenblaß geworden: „Und Du mußt noch einmal hinaus?”

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/215>, abgerufen am 29.03.2024.