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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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Er ergriff ihre beiden Hände und drückte sie
wie im Krampfe in die seinen: "Das muß ich,
Elke."

Sie erhob langsam ihre dunkeln Augen zu
ihm, und ein paar Secunden lang sahen sie sich
an; doch war's wie eine Ewigkeit. "Ja, Hauke,"
sagte das Weib; "ich weiß es wohl, Du mußt!"

Da trabte es draußen vor der Hausthür. Sie
fiel ihm um den Hals, und einen Augenblick war's,
als könne sie ihn nicht lassen; aber auch das war
nur ein Augenblick. "Das ist unser Kampf!"
sprach Hauke; "ihr seid hier sicher; an dies Haus
ist noch keine Fluth gestiegen. Und bet' zu Gott,
daß er auch mit mir sei!"

Hauke hüllte sich in seinen Mantel, und Elke
nahm ein Tuch und wickelte es ihm sorgsam um
den Hals; sie wollte ein Wort sprechen, aber die
zitternden Lippen versagten es ihr.

Draußen wieherte der Schimmel, daß es wie
Trompetenschall in das Heulen des Sturmes hinein-
klang. Elke war mit ihrem Mann hinausgegangen;
die alte Esche knarrte, als ob sie auseinanderstürzen
solle. "Steigt auf, Herr!" rief der Knecht, "der
Schimmel ist wie toll; die Zügel könnten reißen."

Er ergriff ihre beiden Hände und drückte ſie
wie im Krampfe in die ſeinen: „Das muß ich,
Elke.”

Sie erhob langſam ihre dunkeln Augen zu
ihm, und ein paar Secunden lang ſahen ſie ſich
an; doch war's wie eine Ewigkeit. „Ja, Hauke,”
ſagte das Weib; „ich weiß es wohl, Du mußt!”

Da trabte es draußen vor der Hausthür. Sie
fiel ihm um den Hals, und einen Augenblick war's,
als könne ſie ihn nicht laſſen; aber auch das war
nur ein Augenblick. „Das iſt unſer Kampf!”
ſprach Hauke; „ihr ſeid hier ſicher; an dies Haus
iſt noch keine Fluth geſtiegen. Und bet' zu Gott,
daß er auch mit mir ſei!”

Hauke hüllte ſich in ſeinen Mantel, und Elke
nahm ein Tuch und wickelte es ihm ſorgſam um
den Hals; ſie wollte ein Wort ſprechen, aber die
zitternden Lippen verſagten es ihr.

Draußen wieherte der Schimmel, daß es wie
Trompetenſchall in das Heulen des Sturmes hinein-
klang. Elke war mit ihrem Mann hinausgegangen;
die alte Eſche knarrte, als ob ſie auseinanderſtürzen
ſolle. „Steigt auf, Herr!” rief der Knecht, „der
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[204/0216] Er ergriff ihre beiden Hände und drückte ſie wie im Krampfe in die ſeinen: „Das muß ich, Elke.” Sie erhob langſam ihre dunkeln Augen zu ihm, und ein paar Secunden lang ſahen ſie ſich an; doch war's wie eine Ewigkeit. „Ja, Hauke,” ſagte das Weib; „ich weiß es wohl, Du mußt!” Da trabte es draußen vor der Hausthür. Sie fiel ihm um den Hals, und einen Augenblick war's, als könne ſie ihn nicht laſſen; aber auch das war nur ein Augenblick. „Das iſt unſer Kampf!” ſprach Hauke; „ihr ſeid hier ſicher; an dies Haus iſt noch keine Fluth geſtiegen. Und bet' zu Gott, daß er auch mit mir ſei!” Hauke hüllte ſich in ſeinen Mantel, und Elke nahm ein Tuch und wickelte es ihm ſorgſam um den Hals; ſie wollte ein Wort ſprechen, aber die zitternden Lippen verſagten es ihr. Draußen wieherte der Schimmel, daß es wie Trompetenſchall in das Heulen des Sturmes hinein- klang. Elke war mit ihrem Mann hinausgegangen; die alte Eſche knarrte, als ob ſie auseinanderſtürzen ſolle. „Steigt auf, Herr!” rief der Knecht, „der Schimmel iſt wie toll; die Zügel könnten reißen.”

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/216>, abgerufen am 18.04.2024.