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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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und Pferd und ist dazu der klügste Mann im
Dorf!"

"Aber, wenn er's dennoch fertig bringt?"

Sie sah ihn halb lächelnd aus ihren dunkeln
Augen an. "Dann," sagte sie, "soll er sich den
Mund wischen, wenn er Abends mit seines Wirths
Tochter zu tanzen denkt!" -- Da hatte Hauke ihr
muthig zugenickt.

Nun standen die jungen Leute, die noch in
das Spiel hineinwollten, frierend und fußtrampelnd
vor dem Kirchspielskrug und sahen nach der Spitze
des aus Felsblöcken gebauten Kirchthurms hinauf,
neben dem das Krughaus lag. Des Pastors
Tauben, die sich im Sommer auf den Feldern
des Dorfes nährten, kamen eben von den Höfen
und Scheuern der Bauern zurück, wo sie sich jetzt
ihre Körner gesucht hatten und verschwanden unter
den Schindeln des Thurmes, hinter welchen sie
ihre Nester hatten; im Westen über dem Haf stand
ein glühendes Abendroth.

"Wird gut Wetter morgen!" sagte der eine
der jungen Burschen und begann heftig auf und
ab zu wandern; "aber kalt! kalt!" Ein zweiter, als
er keine Taube mehr fliegen sah, ging in das

und Pferd und iſt dazu der klügſte Mann im
Dorf!”

„Aber, wenn er's dennoch fertig bringt?”

Sie ſah ihn halb lächelnd aus ihren dunkeln
Augen an. „Dann,” ſagte ſie, „ſoll er ſich den
Mund wiſchen, wenn er Abends mit ſeines Wirths
Tochter zu tanzen denkt!” — Da hatte Hauke ihr
muthig zugenickt.

Nun ſtanden die jungen Leute, die noch in
das Spiel hineinwollten, frierend und fußtrampelnd
vor dem Kirchſpielskrug und ſahen nach der Spitze
des aus Felsblöcken gebauten Kirchthurms hinauf,
neben dem das Krughaus lag. Des Paſtors
Tauben, die ſich im Sommer auf den Feldern
des Dorfes nährten, kamen eben von den Höfen
und Scheuern der Bauern zurück, wo ſie ſich jetzt
ihre Körner geſucht hatten und verſchwanden unter
den Schindeln des Thurmes, hinter welchen ſie
ihre Neſter hatten; im Weſten über dem Haf ſtand
ein glühendes Abendroth.

„Wird gut Wetter morgen!” ſagte der eine
der jungen Burſchen und begann heftig auf und
ab zu wandern; „aber kalt! kalt!” Ein zweiter, als
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[55/0067] und Pferd und iſt dazu der klügſte Mann im Dorf!” „Aber, wenn er's dennoch fertig bringt?” Sie ſah ihn halb lächelnd aus ihren dunkeln Augen an. „Dann,” ſagte ſie, „ſoll er ſich den Mund wiſchen, wenn er Abends mit ſeines Wirths Tochter zu tanzen denkt!” — Da hatte Hauke ihr muthig zugenickt. Nun ſtanden die jungen Leute, die noch in das Spiel hineinwollten, frierend und fußtrampelnd vor dem Kirchſpielskrug und ſahen nach der Spitze des aus Felsblöcken gebauten Kirchthurms hinauf, neben dem das Krughaus lag. Des Paſtors Tauben, die ſich im Sommer auf den Feldern des Dorfes nährten, kamen eben von den Höfen und Scheuern der Bauern zurück, wo ſie ſich jetzt ihre Körner geſucht hatten und verſchwanden unter den Schindeln des Thurmes, hinter welchen ſie ihre Neſter hatten; im Weſten über dem Haf ſtand ein glühendes Abendroth. „Wird gut Wetter morgen!” ſagte der eine der jungen Burſchen und begann heftig auf und ab zu wandern; „aber kalt! kalt!” Ein zweiter, als er keine Taube mehr fliegen ſah, ging in das

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/67>, abgerufen am 25.04.2024.