Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

langen Friesengesicht vorwärts nach der Tonne;
in der herabhängenden Hand lag die Kugel.

"Der Vogel ist Dir wohl zu groß," hörte
er in diesem Augenblicke Ole Peters Knarrstimme
dicht vor seinen Ohren: "Sollen wir ihn um
einen grauen Topf vertauschen?"

Hauke wandte sich und blickte ihn mit festen
Augen an: "Ich werfe für die Marsch!" sagte er.
"Wohin gehörst denn Du?"

"Ich denke, auch dahin; Du wirfst doch wohl
für Elke Volkerts!"

"Beiseit!" schrie Hauke und stellte sich wieder
in Positur. Aber Ole drängte mit dem Kopf noch
näher auf ihn zu. Da plötzlich, bevor noch Hauke
selber etwas dagegen unternehmen konnte, packte
den Zudringlichen eine Hand und riß ihn rück-
wärts, daß der Bursche gegen seine lachenden
Kameraden taumelte. Es war keine große Hand
gewesen, die das gethan hatte; denn als Hauke
flüchtig den Kopf wandte, sah er neben sich Elke
Volkerts ihren Aermel zurecht zupfen, und die
dunkeln Brauen standen ihr wie zornig in dem heißen
Antlitz.

Da flog es wie eine Stahlkraft in Hauke's

Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 5

langen Frieſengeſicht vorwärts nach der Tonne;
in der herabhängenden Hand lag die Kugel.

„Der Vogel iſt Dir wohl zu groß,” hörte
er in dieſem Augenblicke Ole Peters Knarrſtimme
dicht vor ſeinen Ohren: „Sollen wir ihn um
einen grauen Topf vertauſchen?”

Hauke wandte ſich und blickte ihn mit feſten
Augen an: „Ich werfe für die Marſch!” ſagte er.
„Wohin gehörſt denn Du?”

„Ich denke, auch dahin; Du wirfſt doch wohl
für Elke Volkerts!”

„Beiſeit!” ſchrie Hauke und ſtellte ſich wieder
in Poſitur. Aber Ole drängte mit dem Kopf noch
näher auf ihn zu. Da plötzlich, bevor noch Hauke
ſelber etwas dagegen unternehmen konnte, packte
den Zudringlichen eine Hand und riß ihn rück-
wärts, daß der Burſche gegen ſeine lachenden
Kameraden taumelte. Es war keine große Hand
geweſen, die das gethan hatte; denn als Hauke
flüchtig den Kopf wandte, ſah er neben ſich Elke
Volkerts ihren Aermel zurecht zupfen, und die
dunkeln Brauen ſtanden ihr wie zornig in dem heißen
Antlitz.

Da flog es wie eine Stahlkraft in Hauke's

Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="65"/>
langen Frie&#x017F;enge&#x017F;icht vorwärts nach der Tonne;<lb/>
in der herabhängenden Hand lag die Kugel.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Vogel i&#x017F;t Dir wohl zu groß,&#x201D; hörte<lb/>
er in die&#x017F;em Augenblicke Ole Peters Knarr&#x017F;timme<lb/>
dicht vor &#x017F;einen Ohren: &#x201E;Sollen wir ihn um<lb/>
einen grauen Topf vertau&#x017F;chen?&#x201D;</p><lb/>
        <p>Hauke wandte &#x017F;ich und blickte ihn mit fe&#x017F;ten<lb/>
Augen an: &#x201E;Ich werfe für die Mar&#x017F;ch!&#x201D; &#x017F;agte er.<lb/>
&#x201E;Wohin gehör&#x017F;t denn Du?&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich denke, auch dahin; Du wirf&#x017F;t doch wohl<lb/>
für Elke Volkerts!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bei&#x017F;eit!&#x201D; &#x017F;chrie Hauke und &#x017F;tellte &#x017F;ich wieder<lb/>
in Po&#x017F;itur. Aber Ole drängte mit dem Kopf noch<lb/>
näher auf ihn zu. Da plötzlich, bevor noch Hauke<lb/>
&#x017F;elber etwas dagegen unternehmen konnte, packte<lb/>
den Zudringlichen eine Hand und riß ihn rück-<lb/>
wärts, daß der Bur&#x017F;che gegen &#x017F;eine lachenden<lb/>
Kameraden taumelte. Es war keine große Hand<lb/>
gewe&#x017F;en, die das gethan hatte; denn als Hauke<lb/>
flüchtig den Kopf wandte, &#x017F;ah er neben &#x017F;ich Elke<lb/>
Volkerts ihren Aermel zurecht zupfen, und die<lb/>
dunkeln Brauen &#x017F;tanden ihr wie zornig in dem heißen<lb/>
Antlitz.</p><lb/>
        <p>Da flog es wie eine Stahlkraft in Hauke's<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Theodor Storm</hi>, Der Schimmelreiter. 5</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0077] langen Frieſengeſicht vorwärts nach der Tonne; in der herabhängenden Hand lag die Kugel. „Der Vogel iſt Dir wohl zu groß,” hörte er in dieſem Augenblicke Ole Peters Knarrſtimme dicht vor ſeinen Ohren: „Sollen wir ihn um einen grauen Topf vertauſchen?” Hauke wandte ſich und blickte ihn mit feſten Augen an: „Ich werfe für die Marſch!” ſagte er. „Wohin gehörſt denn Du?” „Ich denke, auch dahin; Du wirfſt doch wohl für Elke Volkerts!” „Beiſeit!” ſchrie Hauke und ſtellte ſich wieder in Poſitur. Aber Ole drängte mit dem Kopf noch näher auf ihn zu. Da plötzlich, bevor noch Hauke ſelber etwas dagegen unternehmen konnte, packte den Zudringlichen eine Hand und riß ihn rück- wärts, daß der Burſche gegen ſeine lachenden Kameraden taumelte. Es war keine große Hand geweſen, die das gethan hatte; denn als Hauke flüchtig den Kopf wandte, ſah er neben ſich Elke Volkerts ihren Aermel zurecht zupfen, und die dunkeln Brauen ſtanden ihr wie zornig in dem heißen Antlitz. Da flog es wie eine Stahlkraft in Hauke's Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/77
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/77>, abgerufen am 19.04.2024.