Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

"Elke!" mahnte er kaum hörbar.

Da schlug ihr eine heiße Lohe in das An-
gesicht: "Geh!" sagte sie; "was willst Du?" und
schlug die Augen nieder.

Als aber die Freundin jetzt von einem Burschen
zum Tanze fortgezogen wurde, sagte Hauke lauter:
"Ich dachte, Elke, ich hätt' was Besseres gewonnen!"

Noch ein paar Augenblicke suchten ihre Augen
auf dem Boden; dann hob sie sie langsam, und
ein Blick, mit der stillen Kraft ihres Wesens, traf
in die seinen, der ihn wie Sommerluft durch-
strömte. "Thu', wie Dir ums Herz ist, Hauke!"
sprach sie; "wir sollten uns wohl kennen!"

Elke tanzte an diesem Abend nicht mehr, und
als Beide dann nach Hause gingen, hatten sie sich
Hand in Hand gefaßt; aus der Himmelshöhe
funkelten die Sterne über der schweigenden Marsch;
ein leichter Ostwind wehte und brachte strenge
Kälte; die Beiden aber gingen, ohne viel Tücher
und Umhang, dahin, als sei es plötzlich Frühling
worden.


Hauke hatte sich auf ein Ding besonnen,
dessen passende Verwendung zwar in ungewisser

„Elke!” mahnte er kaum hörbar.

Da ſchlug ihr eine heiße Lohe in das An-
geſicht: „Geh!” ſagte ſie; „was willſt Du?” und
ſchlug die Augen nieder.

Als aber die Freundin jetzt von einem Burſchen
zum Tanze fortgezogen wurde, ſagte Hauke lauter:
„Ich dachte, Elke, ich hätt' was Beſſeres gewonnen!”

Noch ein paar Augenblicke ſuchten ihre Augen
auf dem Boden; dann hob ſie ſie langſam, und
ein Blick, mit der ſtillen Kraft ihres Weſens, traf
in die ſeinen, der ihn wie Sommerluft durch-
ſtrömte. „Thu', wie Dir ums Herz iſt, Hauke!”
ſprach ſie; „wir ſollten uns wohl kennen!”

Elke tanzte an dieſem Abend nicht mehr, und
als Beide dann nach Hauſe gingen, hatten ſie ſich
Hand in Hand gefaßt; aus der Himmelshöhe
funkelten die Sterne über der ſchweigenden Marſch;
ein leichter Oſtwind wehte und brachte ſtrenge
Kälte; die Beiden aber gingen, ohne viel Tücher
und Umhang, dahin, als ſei es plötzlich Frühling
worden.


Hauke hatte ſich auf ein Ding beſonnen,
deſſen paſſende Verwendung zwar in ungewiſſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0083" n="71"/>
        <p>&#x201E;Elke!&#x201D; mahnte er kaum hörbar.</p><lb/>
        <p>Da &#x017F;chlug ihr eine heiße Lohe in das An-<lb/>
ge&#x017F;icht: &#x201E;Geh!&#x201D; &#x017F;agte &#x017F;ie; &#x201E;was will&#x017F;t Du?&#x201D; und<lb/>
&#x017F;chlug die Augen nieder.</p><lb/>
        <p>Als aber die Freundin jetzt von einem Bur&#x017F;chen<lb/>
zum Tanze fortgezogen wurde, &#x017F;agte Hauke lauter:<lb/>
&#x201E;Ich dachte, Elke, ich hätt' was Be&#x017F;&#x017F;eres gewonnen!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Noch ein paar Augenblicke &#x017F;uchten ihre Augen<lb/>
auf dem Boden; dann hob &#x017F;ie &#x017F;ie lang&#x017F;am, und<lb/>
ein Blick, mit der &#x017F;tillen Kraft ihres We&#x017F;ens, traf<lb/>
in die &#x017F;einen, der ihn wie Sommerluft durch-<lb/>
&#x017F;trömte. &#x201E;Thu', wie Dir ums Herz i&#x017F;t, Hauke!&#x201D;<lb/>
&#x017F;prach &#x017F;ie; &#x201E;wir &#x017F;ollten uns wohl kennen!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Elke tanzte an die&#x017F;em Abend nicht mehr, und<lb/>
als Beide dann nach Hau&#x017F;e gingen, hatten &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
Hand in Hand gefaßt; aus der Himmelshöhe<lb/>
funkelten die Sterne über der &#x017F;chweigenden Mar&#x017F;ch;<lb/>
ein leichter O&#x017F;twind wehte und brachte &#x017F;trenge<lb/>
Kälte; die Beiden aber gingen, ohne viel Tücher<lb/>
und Umhang, dahin, als &#x017F;ei es plötzlich Frühling<lb/>
worden.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Hauke hatte &#x017F;ich auf ein Ding be&#x017F;onnen,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en pa&#x017F;&#x017F;ende Verwendung zwar in ungewi&#x017F;&#x017F;er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0083] „Elke!” mahnte er kaum hörbar. Da ſchlug ihr eine heiße Lohe in das An- geſicht: „Geh!” ſagte ſie; „was willſt Du?” und ſchlug die Augen nieder. Als aber die Freundin jetzt von einem Burſchen zum Tanze fortgezogen wurde, ſagte Hauke lauter: „Ich dachte, Elke, ich hätt' was Beſſeres gewonnen!” Noch ein paar Augenblicke ſuchten ihre Augen auf dem Boden; dann hob ſie ſie langſam, und ein Blick, mit der ſtillen Kraft ihres Weſens, traf in die ſeinen, der ihn wie Sommerluft durch- ſtrömte. „Thu', wie Dir ums Herz iſt, Hauke!” ſprach ſie; „wir ſollten uns wohl kennen!” Elke tanzte an dieſem Abend nicht mehr, und als Beide dann nach Hauſe gingen, hatten ſie ſich Hand in Hand gefaßt; aus der Himmelshöhe funkelten die Sterne über der ſchweigenden Marſch; ein leichter Oſtwind wehte und brachte ſtrenge Kälte; die Beiden aber gingen, ohne viel Tücher und Umhang, dahin, als ſei es plötzlich Frühling worden. Hauke hatte ſich auf ein Ding beſonnen, deſſen paſſende Verwendung zwar in ungewiſſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/83
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/83>, abgerufen am 29.03.2024.