Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte ihm vorgehalten: "dann geht auch Hauke,
Vater!" Da war dem Alten bange geworden, und
Hauke war zum Großknecht aufgerückt, hatte aber
trotz dessen nach wie vor auch an der Deichgraf-
schaft mitgeholfen.

Nach einem andern Jahr aber begann er gegen
Elke davon zu reden, sein Vater werde kümmer-
lich, und die paar Tage, die der Wirth ihn im
Sommer in dessen Wirthschaft lasse, thäten's nun
nicht mehr; der Alte quäle sich, er dürfe das nicht
länger anseh'n. -- Es war ein Sommerabend; die
beiden standen im Dämmerschein unter der großen
Esche vor der Hausthür. Das Mädchen sah eine
Weile stumm in die Zweige des Baumes hinauf;
dann entgegnete sie: "Ich hab's nicht sagen wollen,
Hauke; ich dachte, Du würdest selber wohl das
Rechte treffen."

"Ich muß dann fort aus Eurem Hause,"
sagte er, "und kann nicht wiederkommen."

Sie schwiegen eine Weile und sahen in das
Abendroth, das drüben hinterm Deiche in das
Meer versank. "Du mußt es wissen," sagte sie;
"ich war heut' Morgen noch bei Deinem Vater
und fand ihn in seinem Lehnstuhl eingeschlafen;

hatte ihm vorgehalten: „dann geht auch Hauke,
Vater!” Da war dem Alten bange geworden, und
Hauke war zum Großknecht aufgerückt, hatte aber
trotz deſſen nach wie vor auch an der Deichgraf-
ſchaft mitgeholfen.

Nach einem andern Jahr aber begann er gegen
Elke davon zu reden, ſein Vater werde kümmer-
lich, und die paar Tage, die der Wirth ihn im
Sommer in deſſen Wirthſchaft laſſe, thäten's nun
nicht mehr; der Alte quäle ſich, er dürfe das nicht
länger anſeh'n. — Es war ein Sommerabend; die
beiden ſtanden im Dämmerſchein unter der großen
Eſche vor der Hausthür. Das Mädchen ſah eine
Weile ſtumm in die Zweige des Baumes hinauf;
dann entgegnete ſie: „Ich hab's nicht ſagen wollen,
Hauke; ich dachte, Du würdeſt ſelber wohl das
Rechte treffen.”

„Ich muß dann fort aus Eurem Hauſe,”
ſagte er, „und kann nicht wiederkommen.”

Sie ſchwiegen eine Weile und ſahen in das
Abendroth, das drüben hinterm Deiche in das
Meer verſank. „Du mußt es wiſſen,” ſagte ſie;
„ich war heut' Morgen noch bei Deinem Vater
und fand ihn in ſeinem Lehnſtuhl eingeſchlafen;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0086" n="74"/>
hatte ihm vorgehalten: &#x201E;dann geht auch Hauke,<lb/>
Vater!&#x201D; Da war dem Alten bange geworden, und<lb/>
Hauke war zum Großknecht aufgerückt, hatte aber<lb/>
trotz de&#x017F;&#x017F;en nach wie vor auch an der Deichgraf-<lb/>
&#x017F;chaft mitgeholfen.</p><lb/>
        <p>Nach einem andern Jahr aber begann er gegen<lb/>
Elke davon zu reden, &#x017F;ein Vater werde kümmer-<lb/>
lich, und die paar Tage, die der Wirth ihn im<lb/>
Sommer in de&#x017F;&#x017F;en Wirth&#x017F;chaft la&#x017F;&#x017F;e, thäten's nun<lb/>
nicht mehr; der Alte quäle &#x017F;ich, er dürfe das nicht<lb/>
länger an&#x017F;eh'n. &#x2014; Es war ein Sommerabend; die<lb/>
beiden &#x017F;tanden im Dämmer&#x017F;chein unter der großen<lb/>
E&#x017F;che vor der Hausthür. Das Mädchen &#x017F;ah eine<lb/>
Weile &#x017F;tumm in die Zweige des Baumes hinauf;<lb/>
dann entgegnete &#x017F;ie: &#x201E;Ich hab's nicht &#x017F;agen wollen,<lb/>
Hauke; ich dachte, Du würde&#x017F;t &#x017F;elber wohl das<lb/>
Rechte treffen.&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich muß dann fort aus Eurem Hau&#x017F;e,&#x201D;<lb/>
&#x017F;agte er, &#x201E;und kann nicht wiederkommen.&#x201D;</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;chwiegen eine Weile und &#x017F;ahen in das<lb/>
Abendroth, das drüben hinterm Deiche in das<lb/>
Meer ver&#x017F;ank. &#x201E;Du mußt es wi&#x017F;&#x017F;en,&#x201D; &#x017F;agte &#x017F;ie;<lb/>
&#x201E;ich war heut' Morgen noch bei Deinem Vater<lb/>
und fand ihn in &#x017F;einem Lehn&#x017F;tuhl einge&#x017F;chlafen;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0086] hatte ihm vorgehalten: „dann geht auch Hauke, Vater!” Da war dem Alten bange geworden, und Hauke war zum Großknecht aufgerückt, hatte aber trotz deſſen nach wie vor auch an der Deichgraf- ſchaft mitgeholfen. Nach einem andern Jahr aber begann er gegen Elke davon zu reden, ſein Vater werde kümmer- lich, und die paar Tage, die der Wirth ihn im Sommer in deſſen Wirthſchaft laſſe, thäten's nun nicht mehr; der Alte quäle ſich, er dürfe das nicht länger anſeh'n. — Es war ein Sommerabend; die beiden ſtanden im Dämmerſchein unter der großen Eſche vor der Hausthür. Das Mädchen ſah eine Weile ſtumm in die Zweige des Baumes hinauf; dann entgegnete ſie: „Ich hab's nicht ſagen wollen, Hauke; ich dachte, Du würdeſt ſelber wohl das Rechte treffen.” „Ich muß dann fort aus Eurem Hauſe,” ſagte er, „und kann nicht wiederkommen.” Sie ſchwiegen eine Weile und ſahen in das Abendroth, das drüben hinterm Deiche in das Meer verſank. „Du mußt es wiſſen,” ſagte ſie; „ich war heut' Morgen noch bei Deinem Vater und fand ihn in ſeinem Lehnſtuhl eingeſchlafen;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/86
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/86>, abgerufen am 19.04.2024.