Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Eine Weile schloß er die Augen; dann sagte
er noch: "Es ist nicht viel; doch hast Du mehr
dann, als Du bei mir gewohnt warst. Mög' es
Dir zu Deinem Erdenleben dienen!"

Unter den Dankesworten des Sohnes schlief
der Alte ein. Er hatte nichts mehr zu besorgen;
und schon nach einigen Tagen hatte der dunkle
Engel des Herrn ihm seine Augen für immer zu-
gedrückt, und Hauke trat sein väterliches Erbe an.

-- -- Am Tage nach dem Begräbniß kam
Elke in dessen Haus. "Dank, daß Du einguckst,
Elke!" rief Hauke ihr als Gruß entgegen.

Aber sie erwiderte: "Ich guck' nicht ein; ich
will bei Dir ein wenig Ordnung schaffen, damit
Du ordentlich in Deinem Hause wohnen kannst!
Dein Vater hat vor seinen Zahlen und Rissen
nicht viel um sich gesehen, und auch der Tod
schafft Wirrsal; ich will's Dir wieder ein wenig
lebig machen!"

Er sah aus seinen grauen Augen voll Ver-
trauen auf sie hin: "So schaff' nur Ordnung!"
sagte er; "ich hab's auch lieber."

Und dann begann sie aufzuräumen: das Reiß-
brett, das noch da lag, wurde abgestäubt und auf

Eine Weile ſchloß er die Augen; dann ſagte
er noch: „Es iſt nicht viel; doch haſt Du mehr
dann, als Du bei mir gewohnt warſt. Mög' es
Dir zu Deinem Erdenleben dienen!”

Unter den Dankesworten des Sohnes ſchlief
der Alte ein. Er hatte nichts mehr zu beſorgen;
und ſchon nach einigen Tagen hatte der dunkle
Engel des Herrn ihm ſeine Augen für immer zu-
gedrückt, und Hauke trat ſein väterliches Erbe an.

— — Am Tage nach dem Begräbniß kam
Elke in deſſen Haus. „Dank, daß Du einguckſt,
Elke!” rief Hauke ihr als Gruß entgegen.

Aber ſie erwiderte: „Ich guck' nicht ein; ich
will bei Dir ein wenig Ordnung ſchaffen, damit
Du ordentlich in Deinem Hauſe wohnen kannſt!
Dein Vater hat vor ſeinen Zahlen und Riſſen
nicht viel um ſich geſehen, und auch der Tod
ſchafft Wirrſal; ich will's Dir wieder ein wenig
lebig machen!”

Er ſah aus ſeinen grauen Augen voll Ver-
trauen auf ſie hin: „So ſchaff' nur Ordnung!”
ſagte er; „ich hab's auch lieber.”

Und dann begann ſie aufzuräumen: das Reiß-
brett, das noch da lag, wurde abgeſtäubt und auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0090" n="78"/>
        <p>Eine Weile &#x017F;chloß er die Augen; dann &#x017F;agte<lb/>
er noch: &#x201E;Es i&#x017F;t nicht viel; doch ha&#x017F;t Du mehr<lb/>
dann, als Du bei mir gewohnt war&#x017F;t. Mög' es<lb/>
Dir zu Deinem Erdenleben dienen!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Unter den Dankesworten des Sohnes &#x017F;chlief<lb/>
der Alte ein. Er hatte nichts mehr zu be&#x017F;orgen;<lb/>
und &#x017F;chon nach einigen Tagen hatte der dunkle<lb/>
Engel des Herrn ihm &#x017F;eine Augen für immer zu-<lb/>
gedrückt, und Hauke trat &#x017F;ein väterliches Erbe an.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x2014; Am Tage nach dem Begräbniß kam<lb/>
Elke in de&#x017F;&#x017F;en Haus. &#x201E;Dank, daß Du einguck&#x017F;t,<lb/>
Elke!&#x201D; rief Hauke ihr als Gruß entgegen.</p><lb/>
        <p>Aber &#x017F;ie erwiderte: &#x201E;Ich guck' nicht ein; ich<lb/>
will bei Dir ein wenig Ordnung &#x017F;chaffen, damit<lb/>
Du ordentlich in Deinem Hau&#x017F;e wohnen kann&#x017F;t!<lb/>
Dein Vater hat vor &#x017F;einen Zahlen und Ri&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht viel um &#x017F;ich ge&#x017F;ehen, und auch der Tod<lb/>
&#x017F;chafft Wirr&#x017F;al; ich will's Dir wieder ein wenig<lb/>
lebig machen!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;ah aus &#x017F;einen grauen Augen voll Ver-<lb/>
trauen auf &#x017F;ie hin: &#x201E;So &#x017F;chaff' nur Ordnung!&#x201D;<lb/>
&#x017F;agte er; &#x201E;ich hab's auch lieber.&#x201D;</p><lb/>
        <p>Und dann begann &#x017F;ie aufzuräumen: das Reiß-<lb/>
brett, das noch da lag, wurde abge&#x017F;täubt und auf<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0090] Eine Weile ſchloß er die Augen; dann ſagte er noch: „Es iſt nicht viel; doch haſt Du mehr dann, als Du bei mir gewohnt warſt. Mög' es Dir zu Deinem Erdenleben dienen!” Unter den Dankesworten des Sohnes ſchlief der Alte ein. Er hatte nichts mehr zu beſorgen; und ſchon nach einigen Tagen hatte der dunkle Engel des Herrn ihm ſeine Augen für immer zu- gedrückt, und Hauke trat ſein väterliches Erbe an. — — Am Tage nach dem Begräbniß kam Elke in deſſen Haus. „Dank, daß Du einguckſt, Elke!” rief Hauke ihr als Gruß entgegen. Aber ſie erwiderte: „Ich guck' nicht ein; ich will bei Dir ein wenig Ordnung ſchaffen, damit Du ordentlich in Deinem Hauſe wohnen kannſt! Dein Vater hat vor ſeinen Zahlen und Riſſen nicht viel um ſich geſehen, und auch der Tod ſchafft Wirrſal; ich will's Dir wieder ein wenig lebig machen!” Er ſah aus ſeinen grauen Augen voll Ver- trauen auf ſie hin: „So ſchaff' nur Ordnung!” ſagte er; „ich hab's auch lieber.” Und dann begann ſie aufzuräumen: das Reiß- brett, das noch da lag, wurde abgeſtäubt und auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/90
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/90>, abgerufen am 18.04.2024.