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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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rief er nur seinem früheren Knecht entgegen: "Recht,
recht, Hauke, daß Du Deine alten Freunde auf-
suchst! Komm nur näher, immer näher!" Und
als Hauke an seinen Stuhl getreten war, faßte
er dessen Hand mit seinen beiden runden Händen:
"Nun, nun, mein Junge;" sagte er, "sei nur ruhig
jetzt; denn sterben müssen wir Alle, und Dein Vater
war keiner von den Schlechtsten! -- Aber Elke, nun
sorg', daß Du den Braten auf den Tisch kriegst;
wir müssen uns stärken! Es gibt viel Arbeit für
uns, Hauke! Die Herbstschau ist in Anmarsch;
Deich- und Sielrechnungen haushoch; der neuliche
Deichschaden am Westerkoog -- ich weiß nicht,
wo mir der Kopf steht; aber Deiner, Gott Lob,
ist um ein gut Stück jünger; Du bist ein braver
Junge, Hauke!"

Und nach dieser langen Rede, womit der
Alte sein ganzes Herz dargelegt hatte, ließ er sich
in seinen Stuhl zurückfallen und blinzelte sehn-
süchtig nach der Thür, durch welche Elke eben mit
der Bratenschüssel hereintrat. Hauke stand lächelnd
neben ihm. "Nun setz' Dich," sagte der Deich-
graf, "damit wir nicht unnöthig Zeit verspillen;
kalt schmeckt das nicht!"

rief er nur ſeinem früheren Knecht entgegen: „Recht,
recht, Hauke, daß Du Deine alten Freunde auf-
ſuchſt! Komm nur näher, immer näher!” Und
als Hauke an ſeinen Stuhl getreten war, faßte
er deſſen Hand mit ſeinen beiden runden Händen:
„Nun, nun, mein Junge;” ſagte er, „ſei nur ruhig
jetzt; denn ſterben müſſen wir Alle, und Dein Vater
war keiner von den Schlechtſten! — Aber Elke, nun
ſorg', daß Du den Braten auf den Tiſch kriegſt;
wir müſſen uns ſtärken! Es gibt viel Arbeit für
uns, Hauke! Die Herbſtſchau iſt in Anmarſch;
Deich- und Sielrechnungen haushoch; der neuliche
Deichſchaden am Weſterkoog — ich weiß nicht,
wo mir der Kopf ſteht; aber Deiner, Gott Lob,
iſt um ein gut Stück jünger; Du biſt ein braver
Junge, Hauke!”

Und nach dieſer langen Rede, womit der
Alte ſein ganzes Herz dargelegt hatte, ließ er ſich
in ſeinen Stuhl zurückfallen und blinzelte ſehn-
ſüchtig nach der Thür, durch welche Elke eben mit
der Bratenſchüſſel hereintrat. Hauke ſtand lächelnd
neben ihm. „Nun ſetz' Dich,” ſagte der Deich-
graf, „damit wir nicht unnöthig Zeit verſpillen;
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[80/0092] rief er nur ſeinem früheren Knecht entgegen: „Recht, recht, Hauke, daß Du Deine alten Freunde auf- ſuchſt! Komm nur näher, immer näher!” Und als Hauke an ſeinen Stuhl getreten war, faßte er deſſen Hand mit ſeinen beiden runden Händen: „Nun, nun, mein Junge;” ſagte er, „ſei nur ruhig jetzt; denn ſterben müſſen wir Alle, und Dein Vater war keiner von den Schlechtſten! — Aber Elke, nun ſorg', daß Du den Braten auf den Tiſch kriegſt; wir müſſen uns ſtärken! Es gibt viel Arbeit für uns, Hauke! Die Herbſtſchau iſt in Anmarſch; Deich- und Sielrechnungen haushoch; der neuliche Deichſchaden am Weſterkoog — ich weiß nicht, wo mir der Kopf ſteht; aber Deiner, Gott Lob, iſt um ein gut Stück jünger; Du biſt ein braver Junge, Hauke!” Und nach dieſer langen Rede, womit der Alte ſein ganzes Herz dargelegt hatte, ließ er ſich in ſeinen Stuhl zurückfallen und blinzelte ſehn- ſüchtig nach der Thür, durch welche Elke eben mit der Bratenſchüſſel hereintrat. Hauke ſtand lächelnd neben ihm. „Nun ſetz' Dich,” ſagte der Deich- graf, „damit wir nicht unnöthig Zeit verſpillen; kalt ſchmeckt das nicht!”

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/92>, abgerufen am 29.03.2024.