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Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

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man wollte ihn eben auch noch mit dem Gottesdienst an unserem Landeszuchthaus hier betrauen."

"Was ist mit ihm?" fragte der improvisirte Actuarius, der schon seine Feder geschnitzt und den gebrochenen Bogen vor sich hingelegt hatte. "Ich entsinne mich eigentlich nur seines abgetragenen Frackes und seiner großen rothen Hände."

"Du wirst ihn gleich erscheinen sehen," sagte der Bürgermeister, mit der einen Hand den über dem grünen Tisch hängenden Glockenstrang erfassend; "er hatte die Vormundschaft über ein elternloses Mädchen; sie ist Jahre lang in seinem Hause gewesen, und er hat sie theilweise mit durch seine Schule laufen lassen. Jetzt ist er eines versuchten Verbrechens gegen dieses Mädchen auf das Kläglichste verdächtig; es handelt sich heut' nur noch um eine Gegenüberstellung Beider."

Der Bürgermeister zog die Klingel, und der eintretende Gefangenwärter erhielt Befehl, den Magister vorzuführen.

Es war eine widerwärtige Erscheinung, die sich jetzt, dem an der Thür zurückbleibenden Gefängnißwärter

man wollte ihn eben auch noch mit dem Gottesdienst an unserem Landeszuchthaus hier betrauen.“

„Was ist mit ihm?“ fragte der improvisirte Actuarius, der schon seine Feder geschnitzt und den gebrochenen Bogen vor sich hingelegt hatte. „Ich entsinne mich eigentlich nur seines abgetragenen Frackes und seiner großen rothen Hände.“

„Du wirst ihn gleich erscheinen sehen,“ sagte der Bürgermeister, mit der einen Hand den über dem grünen Tisch hängenden Glockenstrang erfassend; „er hatte die Vormundschaft über ein elternloses Mädchen; sie ist Jahre lang in seinem Hause gewesen, und er hat sie theilweise mit durch seine Schule laufen lassen. Jetzt ist er eines versuchten Verbrechens gegen dieses Mädchen auf das Kläglichste verdächtig; es handelt sich heut’ nur noch um eine Gegenüberstellung Beider.“

Der Bürgermeister zog die Klingel, und der eintretende Gefangenwärter erhielt Befehl, den Magister vorzuführen.

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[9/0013] man wollte ihn eben auch noch mit dem Gottesdienst an unserem Landeszuchthaus hier betrauen.“ „Was ist mit ihm?“ fragte der improvisirte Actuarius, der schon seine Feder geschnitzt und den gebrochenen Bogen vor sich hingelegt hatte. „Ich entsinne mich eigentlich nur seines abgetragenen Frackes und seiner großen rothen Hände.“ „Du wirst ihn gleich erscheinen sehen,“ sagte der Bürgermeister, mit der einen Hand den über dem grünen Tisch hängenden Glockenstrang erfassend; „er hatte die Vormundschaft über ein elternloses Mädchen; sie ist Jahre lang in seinem Hause gewesen, und er hat sie theilweise mit durch seine Schule laufen lassen. Jetzt ist er eines versuchten Verbrechens gegen dieses Mädchen auf das Kläglichste verdächtig; es handelt sich heut’ nur noch um eine Gegenüberstellung Beider.“ Der Bürgermeister zog die Klingel, und der eintretende Gefangenwärter erhielt Befehl, den Magister vorzuführen. Es war eine widerwärtige Erscheinung, die sich jetzt, dem an der Thür zurückbleibenden Gefängnißwärter

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/13>, abgerufen am 29.03.2024.