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Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

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dreimal gewürztes Frauenzimmer, versicherte er stets nach solcher Probe; nicht einmal die Lisei hab' es so schnell capirt; nur mit dem Singen ginge es nit gar so schön; sie grunze mit ihrer Stimme immer in der Tiefe, was für die schöne Susanne, die das Lied zu singen habe, nicht eben harmonirlich sei.

Endlich war der Tag der Aufführung festgesetzt. Es sollte Alles möglichst reputirlich vor sich gehen; nicht auf dem Schützenhofe, sondern auf dem Rathaussaale, wo auch die Primaner um Michaelis ihre Redeübungen hielten, sollte jetzt der Schauplatz sein; und als am Sonnabend Nachmittags unsere guten Bürger ihr frisches Wochenblättchen aus einander falteten, sprang ihnen in breiten Lettern die Anzeige in die Augen:

"Morgen Sonntag Abend sieben Uhr auf dem Rathaussaale Marionetten-Theater des Mechanikus Joseph Tendler hieselbst.

Die schöne Susanna, Schauspiel mit Gesang in 4 Aufzügen."

Es war aber damals in unserer Stadt nicht mehr die harmlose schaulustige Jugend aus meinen Kinderjahren;

dreimal gewürztes Frauenzimmer, versicherte er stets nach solcher Probe; nicht einmal die Lisei hab’ es so schnell capirt; nur mit dem Singen ginge es nit gar so schön; sie grunze mit ihrer Stimme immer in der Tiefe, was für die schöne Susanne, die das Lied zu singen habe, nicht eben harmonirlich sei.

Endlich war der Tag der Aufführung festgesetzt. Es sollte Alles möglichst reputirlich vor sich gehen; nicht auf dem Schützenhofe, sondern auf dem Rathaussaale, wo auch die Primaner um Michaelis ihre Redeübungen hielten, sollte jetzt der Schauplatz sein; und als am Sonnabend Nachmittags unsere guten Bürger ihr frisches Wochenblättchen aus einander falteten, sprang ihnen in breiten Lettern die Anzeige in die Augen:

„Morgen Sonntag Abend sieben Uhr auf dem Rathaussaale Marionetten-Theater des Mechanikus Joseph Tendler hieselbst.

Die schöne Susanna, Schauspiel mit Gesang in 4 Aufzügen.“

Es war aber damals in unserer Stadt nicht mehr die harmlose schaulustige Jugend aus meinen Kinderjahren;

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[207/0211] dreimal gewürztes Frauenzimmer, versicherte er stets nach solcher Probe; nicht einmal die Lisei hab’ es so schnell capirt; nur mit dem Singen ginge es nit gar so schön; sie grunze mit ihrer Stimme immer in der Tiefe, was für die schöne Susanne, die das Lied zu singen habe, nicht eben harmonirlich sei. Endlich war der Tag der Aufführung festgesetzt. Es sollte Alles möglichst reputirlich vor sich gehen; nicht auf dem Schützenhofe, sondern auf dem Rathaussaale, wo auch die Primaner um Michaelis ihre Redeübungen hielten, sollte jetzt der Schauplatz sein; und als am Sonnabend Nachmittags unsere guten Bürger ihr frisches Wochenblättchen aus einander falteten, sprang ihnen in breiten Lettern die Anzeige in die Augen: „Morgen Sonntag Abend sieben Uhr auf dem Rathaussaale Marionetten-Theater des Mechanikus Joseph Tendler hieselbst. Die schöne Susanna, Schauspiel mit Gesang in 4 Aufzügen.“ Es war aber damals in unserer Stadt nicht mehr die harmlose schaulustige Jugend aus meinen Kinderjahren;

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/211>, abgerufen am 28.03.2024.