Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Alte rieb sich das bärtige Kinn mit seiner Hand. "Aber ich werde Sie einschließen müssen; ich muß dem Herrn Doctor selbst den Schlüssel überliefern."

"Schließen Sie nur, Herr Inspector!"

"Hm!" - Soll ich Ihnen auch den Phylax hier lassen?"

"Den Phylax? Weshalb das? Da könnt's am Ende doch noch auf eine Hungersnoth hinauslaufen."

"Nun, nun, ich dachte nur, er ist so unterhaltsam."

"Aber ich habe keine lange Weile."

"Ja, ja; Sie haben Recht."

"Also, Herr Inspector!"

"Also, Mamsellchen, soll ich schließen?"

Sie nickte ernsthaft; dann, ruhig hinter ihm her schreitend, begleitete sie den Alten auf den Hof hinab. Als dieser aus der Ringmauer hinausgetreten und das schwere Thor hinter ihr abgeschlossen war, flog sie behende in das Haus zurück. Mit dem Kopf an den Fensterbalken lehnend, blickte sie droben vom Wohnzimmer aus dem Fortgehenden nach, der eben durch die Kräuter an der jenseitigen Höhe emporschritt. Als

Der Alte rieb sich das bärtige Kinn mit seiner Hand. „Aber ich werde Sie einschließen müssen; ich muß dem Herrn Doctor selbst den Schlüssel überliefern.“

„Schließen Sie nur, Herr Inspector!“

„Hm!“ – Soll ich Ihnen auch den Phylax hier lassen?“

„Den Phylax? Weshalb das? Da könnt’s am Ende doch noch auf eine Hungersnoth hinauslaufen.“

„Nun, nun, ich dachte nur, er ist so unterhaltsam.“

„Aber ich habe keine lange Weile.“

„Ja, ja; Sie haben Recht.“

„Also, Herr Inspector!“

„Also, Mamsellchen, soll ich schließen?“

Sie nickte ernsthaft; dann, ruhig hinter ihm her schreitend, begleitete sie den Alten auf den Hof hinab. Als dieser aus der Ringmauer hinausgetreten und das schwere Thor hinter ihr abgeschlossen war, flog sie behende in das Haus zurück. Mit dem Kopf an den Fensterbalken lehnend, blickte sie droben vom Wohnzimmer aus dem Fortgehenden nach, der eben durch die Kräuter an der jenseitigen Höhe emporschritt. Als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0034" n="30"/>
        <p>Der Alte rieb sich das bärtige Kinn mit seiner Hand. &#x201E;Aber ich werde Sie einschließen müssen; ich muß dem Herrn Doctor selbst den Schlüssel überliefern.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Schließen Sie nur, Herr Inspector!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Hm!&#x201C; &#x2013; Soll ich Ihnen auch den Phylax hier lassen?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Den Phylax? Weshalb das? Da könnt&#x2019;s am Ende doch noch auf eine Hungersnoth hinauslaufen.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Nun, nun, ich dachte nur, er ist so unterhaltsam.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Aber ich habe keine lange Weile.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ja, ja; Sie haben Recht.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Also, Herr Inspector!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Also, Mamsellchen, soll ich schließen?&#x201C;</p>
        <p>Sie nickte ernsthaft; dann, ruhig hinter ihm her schreitend, begleitete sie den Alten auf den Hof hinab. Als dieser aus der Ringmauer hinausgetreten und das schwere Thor hinter ihr abgeschlossen war, flog sie behende in das Haus zurück. Mit dem Kopf an den Fensterbalken lehnend, blickte sie droben vom Wohnzimmer aus dem Fortgehenden nach, der eben durch die Kräuter an der jenseitigen Höhe emporschritt. Als
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0034] Der Alte rieb sich das bärtige Kinn mit seiner Hand. „Aber ich werde Sie einschließen müssen; ich muß dem Herrn Doctor selbst den Schlüssel überliefern.“ „Schließen Sie nur, Herr Inspector!“ „Hm!“ – Soll ich Ihnen auch den Phylax hier lassen?“ „Den Phylax? Weshalb das? Da könnt’s am Ende doch noch auf eine Hungersnoth hinauslaufen.“ „Nun, nun, ich dachte nur, er ist so unterhaltsam.“ „Aber ich habe keine lange Weile.“ „Ja, ja; Sie haben Recht.“ „Also, Herr Inspector!“ „Also, Mamsellchen, soll ich schließen?“ Sie nickte ernsthaft; dann, ruhig hinter ihm her schreitend, begleitete sie den Alten auf den Hof hinab. Als dieser aus der Ringmauer hinausgetreten und das schwere Thor hinter ihr abgeschlossen war, flog sie behende in das Haus zurück. Mit dem Kopf an den Fensterbalken lehnend, blickte sie droben vom Wohnzimmer aus dem Fortgehenden nach, der eben durch die Kräuter an der jenseitigen Höhe emporschritt. Als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (Waldwinkel, Pole Poppenspäler).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/34
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/34>, abgerufen am 29.03.2024.