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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erster Abschnitt.
dritten, zehnten Wiederholung desselben, wo sie sich längst
darein gefunden haben sollten, immer noch staunen und
nichtverstehen, -- natürlich, um durch diese fortdauernde
Unfasslichkeit das sich mittheilende Göttliche desto erhabe-
ner darzustellen. So wird, um aus der späteren Geschich-
te Jesu ein Beispiel hieherzuholen, der göttliche Rath-
schluss des Leidens und Sterbens Jesu in den evangelischen
Erzählungen dadurch in seiner ganzen Erhabenheit geltend
gemacht, dass auch die wiederholten deutlichen Eröffnun-
gen über denselben von Seiten Jesu den Jüngern durchaus
unverständlich bleiben: wie hier das Mysterium von Jesu
Messianität überhaupt dadurch noch gehoben wird, dass
seine Eltern, so oft und klar es ihnen auch verkündigt
worden war, doch bei jeder neuen, dasselbe betreffenden
Rede auf's Neue erstaunen und nicht begreifen.

Auch die doppelte Schlussformel, dass Jesu Mutter alle
diese Worte in ihrem Herzen bewahrt (V. 51.), und dass
der Knabe forthin an Alter und Weisheit u. s. f. zugenom-
men (V. 52.), haben wir schon oben als beliebte Schluss-
und Übergangsformeln der hebräischen Heldensage kennen
gelernt; besonders die das Heranwachsen betreffende Schluss-
formel, wie sie oben zweimal schon aus der Geschichte
Simsons genommen schien, so ist sie diessmal beinahe gleich-
lautend mit der in Bezug auf Samuel gebrauchten 20).

§. 37.
Auch dieses Stück noch mythisch.

Müssen wir nach dem Bisherigen auch hier den Ein-
fluss der Sage anerkennen, so könnten wir, da der Grund-

20) 1. Sam. 2, 26 (LXX): kai to paidarion Samouel eporeueto
megalunomenon, kai agathon kai meta Kuriou kai meta
anthropon.
Luc. 2, 52: kai Iesous proekopte sophia kai elikia,
kai khariti para theo kai anthropois. Vergl. hiezu noch,
was Josephus Antiq. 2, 9, 6. von der kharis paidike des
Moses zu sagen weiss.

Erster Abschnitt.
dritten, zehnten Wiederholung desselben, wo sie sich längst
darein gefunden haben sollten, immer noch staunen und
nichtverstehen, — natürlich, um durch diese fortdauernde
Unfaſslichkeit das sich mittheilende Göttliche desto erhabe-
ner darzustellen. So wird, um aus der späteren Geschich-
te Jesu ein Beispiel hieherzuholen, der göttliche Rath-
schluſs des Leidens und Sterbens Jesu in den evangelischen
Erzählungen dadurch in seiner ganzen Erhabenheit geltend
gemacht, daſs auch die wiederholten deutlichen Eröffnun-
gen über denselben von Seiten Jesu den Jüngern durchaus
unverständlich bleiben: wie hier das Mysterium von Jesu
Messianität überhaupt dadurch noch gehoben wird, daſs
seine Eltern, so oft und klar es ihnen auch verkündigt
worden war, doch bei jeder neuen, dasselbe betreffenden
Rede auf's Neue erstaunen und nicht begreifen.

Auch die doppelte Schluſsformel, daſs Jesu Mutter alle
diese Worte in ihrem Herzen bewahrt (V. 51.), und daſs
der Knabe forthin an Alter und Weisheit u. s. f. zugenom-
men (V. 52.), haben wir schon oben als beliebte Schluſs-
und Übergangsformeln der hebräischen Heldensage kennen
gelernt; besonders die das Heranwachsen betreffende Schluſs-
formel, wie sie oben zweimal schon aus der Geschichte
Simsons genommen schien, so ist sie dieſsmal beinahe gleich-
lautend mit der in Bezug auf Samuel gebrauchten 20).

§. 37.
Auch dieses Stück noch mythisch.

Müssen wir nach dem Bisherigen auch hier den Ein-
fluſs der Sage anerkennen, so könnten wir, da der Grund-

20) 1. Sam. 2, 26 (LXX): καὶ τὸ παιδάριον Σαμουὴλ ἐπορεύετο
μεγαλυνόμενον, καὶ ἀγαϑὸν καὶ μετὰ Κυρίου καὶ μετὰ
ἀνϑρώπων.
Luc. 2, 52: καὶ Ἰησοῦς προέκοπτε σοφίᾳ καὶ ἡλικίᾳ,
καὶ χάριτι παρὰ ϑεῷ καὶ ἀνϑρώποις. Vergl. hiezu noch,
was Josephus Antiq. 2, 9, 6. von der χαρις παιδικὴ des
Moses zu sagen weiss.
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[288/0312] Erster Abschnitt. dritten, zehnten Wiederholung desselben, wo sie sich längst darein gefunden haben sollten, immer noch staunen und nichtverstehen, — natürlich, um durch diese fortdauernde Unfaſslichkeit das sich mittheilende Göttliche desto erhabe- ner darzustellen. So wird, um aus der späteren Geschich- te Jesu ein Beispiel hieherzuholen, der göttliche Rath- schluſs des Leidens und Sterbens Jesu in den evangelischen Erzählungen dadurch in seiner ganzen Erhabenheit geltend gemacht, daſs auch die wiederholten deutlichen Eröffnun- gen über denselben von Seiten Jesu den Jüngern durchaus unverständlich bleiben: wie hier das Mysterium von Jesu Messianität überhaupt dadurch noch gehoben wird, daſs seine Eltern, so oft und klar es ihnen auch verkündigt worden war, doch bei jeder neuen, dasselbe betreffenden Rede auf's Neue erstaunen und nicht begreifen. Auch die doppelte Schluſsformel, daſs Jesu Mutter alle diese Worte in ihrem Herzen bewahrt (V. 51.), und daſs der Knabe forthin an Alter und Weisheit u. s. f. zugenom- men (V. 52.), haben wir schon oben als beliebte Schluſs- und Übergangsformeln der hebräischen Heldensage kennen gelernt; besonders die das Heranwachsen betreffende Schluſs- formel, wie sie oben zweimal schon aus der Geschichte Simsons genommen schien, so ist sie dieſsmal beinahe gleich- lautend mit der in Bezug auf Samuel gebrauchten 20). §. 37. Auch dieses Stück noch mythisch. Müssen wir nach dem Bisherigen auch hier den Ein- fluſs der Sage anerkennen, so könnten wir, da der Grund- 20) 1. Sam. 2, 26 (LXX): καὶ τὸ παιδάριον Σαμουὴλ ἐπορεύετο μεγαλυνόμενον, καὶ ἀγαϑὸν καὶ μετὰ Κυρίου καὶ μετὰ ἀνϑρώπων. Luc. 2, 52: καὶ Ἰησοῦς προέκοπτε σοφίᾳ καὶ ἡλικίᾳ, καὶ χάριτι παρὰ ϑεῷ καὶ ἀνϑρώποις. Vergl. hiezu noch, was Josephus Antiq. 2, 9, 6. von der χαρις παιδικὴ des Moses zu sagen weiss.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/312>, abgerufen am 18.04.2024.