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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Drittes Kapitel. §. 127.
rem Gesez müsse er sterben, da er sich selbst zum nios
theou gemacht habe; eine Bemerkung, welche dem Pilatus
abergläubische Furcht einjagt, wesswegen er Jesum noch-
mals in das Prätorium hineinführt, und nach seiner (ob
wirklich himmlischen?) Abkunft fragt, worauf ihm aber Je-
sus keine Antwort giebt, und, als ihm der Procurator mit
der ihm zustehenden Gewalt über sein Leben Schrecken
einjagen will, ihn auf die höhere Macht, die ihm diese
Gewalt gegeben habe, verweist. Zwar strebte in Folge
dieser Reden Pilatus (noch angelegentlicher als bisher),
Jesum zu befreien: endlich aber fanden nun die Juden das
rechte Mittel, ihn nach ihrem Willen zu stimmen, indem
sie die Bemerkung hinwarfen, wenn er Jesum loslasse,
der sich dem Cäsar als Usurpator gegenüberstellte, sei er
kein philos touKaisaros. So, durch eine mögliche An-
schwärzung bei Tiberius eingeschüchtert, besteigt er den
Richterstuhl, und greift, da er seinen Willen nicht durch-
setzen kann, zum Hohn gegen die Juden, in der Frage,
ob sie denn wollen, dass er ihren König kreuzigen solle?
worauf sie aber, die zulezt mit so sichtbarem Erfolg an-
genommene Stellung behauptend, erklären, von keinem Kö-
nig, als von dem Cäsar, wissen zu wollen. Jezt willigt
der Procurator darein, Jesum zur Kreuzigung führen zu
lassen, zu welchem Behuf man ihm, wie die zwei ersten
Evangelisten bemerken, den Purpurmantel auszog, und sei-
ne eigenen Kleider wieder anlegte.

§. 128.
Die Kreuzigung.

Schon über den Hingang Jesu zum Ort der Kreuzi-
gung differiren die Synoptiker und Johannes, indem dem
lezteren zufolge Jesus das Kreuz selber dahin trug (19, 17.),
während die ersteren melden, man habe es an seiner statt
einem Simon von Cyrene aufgelegt (Matth. 27, 32. parall.).
Die Commentatoren zwar, wie wenn es sich von selbst ver-

Drittes Kapitel. §. 127.
rem Gesez müsse er sterben, da er sich selbst zum νἱὸς
ϑεοῦ gemacht habe; eine Bemerkung, welche dem Pilatus
abergläubische Furcht einjagt, weſswegen er Jesum noch-
mals in das Prätorium hineinführt, und nach seiner (ob
wirklich himmlischen?) Abkunft fragt, worauf ihm aber Je-
sus keine Antwort giebt, und, als ihm der Procurator mit
der ihm zustehenden Gewalt über sein Leben Schrecken
einjagen will, ihn auf die höhere Macht, die ihm diese
Gewalt gegeben habe, verweist. Zwar strebte in Folge
dieser Reden Pilatus (noch angelegentlicher als bisher),
Jesum zu befreien: endlich aber fanden nun die Juden das
rechte Mittel, ihn nach ihrem Willen zu stimmen, indem
sie die Bemerkung hinwarfen, wenn er Jesum loslasse,
der sich dem Cäsar als Usurpator gegenüberstellte, sei er
kein φίλος τοῦΚαίσαρος. So, durch eine mögliche An-
schwärzung bei Tiberius eingeschüchtert, besteigt er den
Richterstuhl, und greift, da er seinen Willen nicht durch-
setzen kann, zum Hohn gegen die Juden, in der Frage,
ob sie denn wollen, daſs er ihren König kreuzigen solle?
worauf sie aber, die zulezt mit so sichtbarem Erfolg an-
genommene Stellung behauptend, erklären, von keinem Kö-
nig, als von dem Cäsar, wissen zu wollen. Jezt willigt
der Procurator darein, Jesum zur Kreuzigung führen zu
lassen, zu welchem Behuf man ihm, wie die zwei ersten
Evangelisten bemerken, den Purpurmantel auszog, und sei-
ne eigenen Kleider wieder anlegte.

§. 128.
Die Kreuzigung.

Schon über den Hingang Jesu zum Ort der Kreuzi-
gung differiren die Synoptiker und Johannes, indem dem
lezteren zufolge Jesus das Kreuz selber dahin trug (19, 17.),
während die ersteren melden, man habe es an seiner statt
einem Simon von Cyrene aufgelegt (Matth. 27, 32. parall.).
Die Commentatoren zwar, wie wenn es sich von selbst ver-

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[527/0546] Drittes Kapitel. §. 127. rem Gesez müsse er sterben, da er sich selbst zum νἱὸς ϑεοῦ gemacht habe; eine Bemerkung, welche dem Pilatus abergläubische Furcht einjagt, weſswegen er Jesum noch- mals in das Prätorium hineinführt, und nach seiner (ob wirklich himmlischen?) Abkunft fragt, worauf ihm aber Je- sus keine Antwort giebt, und, als ihm der Procurator mit der ihm zustehenden Gewalt über sein Leben Schrecken einjagen will, ihn auf die höhere Macht, die ihm diese Gewalt gegeben habe, verweist. Zwar strebte in Folge dieser Reden Pilatus (noch angelegentlicher als bisher), Jesum zu befreien: endlich aber fanden nun die Juden das rechte Mittel, ihn nach ihrem Willen zu stimmen, indem sie die Bemerkung hinwarfen, wenn er Jesum loslasse, der sich dem Cäsar als Usurpator gegenüberstellte, sei er kein φίλος τοῦΚαίσαρος. So, durch eine mögliche An- schwärzung bei Tiberius eingeschüchtert, besteigt er den Richterstuhl, und greift, da er seinen Willen nicht durch- setzen kann, zum Hohn gegen die Juden, in der Frage, ob sie denn wollen, daſs er ihren König kreuzigen solle? worauf sie aber, die zulezt mit so sichtbarem Erfolg an- genommene Stellung behauptend, erklären, von keinem Kö- nig, als von dem Cäsar, wissen zu wollen. Jezt willigt der Procurator darein, Jesum zur Kreuzigung führen zu lassen, zu welchem Behuf man ihm, wie die zwei ersten Evangelisten bemerken, den Purpurmantel auszog, und sei- ne eigenen Kleider wieder anlegte. §. 128. Die Kreuzigung. Schon über den Hingang Jesu zum Ort der Kreuzi- gung differiren die Synoptiker und Johannes, indem dem lezteren zufolge Jesus das Kreuz selber dahin trug (19, 17.), während die ersteren melden, man habe es an seiner statt einem Simon von Cyrene aufgelegt (Matth. 27, 32. parall.). Die Commentatoren zwar, wie wenn es sich von selbst ver-

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/546>, abgerufen am 28.03.2024.