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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
auch hier der Widerspruch, so scheint im Innern beider
entgegengesezten Angaben kein Grund zur Entscheidung
für die eine oder andere zu liegen 15).

§. 132.
Die Wache am Grabe Jesu.

Am folgenden Tag, als am Sabbat 1), sollen nun nach
Matthäus (27, 62 ff.) die Hohenpriester und Pharisäer bei
Pilatus zusammengekommen sein, und ihn, mit Rücksicht
auf die Voraussage Jesu, er werde nach dreien Tagen auf-
erstehen, gebeten haben, eine Wache an sein Grab zu stel-
len, damit nicht seine Anhänger von der durch jene Vor-
aussage erregten Erwartung Gelegenheit nehmen, seinen
Leichnam zu stehlen, und ihn sofort für auferstanden aus-
zugeben. Pilatus gewährt ihre Bitte, und so gehen sie hin,
versiegeln den Stein, und stellen die Wache vor das Grab.
Als nun (diess muss hier anticipirt werden) die Auferste-
hung Jesu erfolgte, sezte die mit derselben verbundene
Engelerscheinung die Wächter so in Furcht, dass sie osei
nekroi wurden, übrigens doch sofort in die Stadt eilten,
und den Hohenpriestern die Anzeige von dem Vorfall mach-
ten. Diese, nachdem sie sich in einer Versammlung darü-

15) Aus einer Verwechslung des dem Richtplaz benachbarten
kepos, wo Jesus, nach Johannes, begraben wurde, und des
Gartens Gethsemane, wo er gefangen worden war, scheint
die Angabe des evang. Nicodemi geflossen zu sein, Jesus sei
gekreuzigt worden en to kepo, opou epiasthe. C. 9, p. 580.
bei Thilo.
1) Te epaurion, etis esi meta ten paraskeuen, ist freilich eine
wunderliche Umschreibung des Sabbats, da es eine Verkeh-
rung ist, einen feierlichen Tag als den Tag nach dem Vor-
tag zu bezeichnen: doch muss man bei dieser Deutung blei-
ben, so lange man derselben nicht auf natürlichere Weise,
als Schneckenburger in seiner Chronologie der Leidenswoche,
Beiträge S. 3 ff., auszuweichen weiss.

Dritter Abschnitt.
auch hier der Widerspruch, so scheint im Innern beider
entgegengesezten Angaben kein Grund zur Entscheidung
für die eine oder andere zu liegen 15).

§. 132.
Die Wache am Grabe Jesu.

Am folgenden Tag, als am Sabbat 1), sollen nun nach
Matthäus (27, 62 ff.) die Hohenpriester und Pharisäer bei
Pilatus zusammengekommen sein, und ihn, mit Rücksicht
auf die Voraussage Jesu, er werde nach dreien Tagen auf-
erstehen, gebeten haben, eine Wache an sein Grab zu stel-
len, damit nicht seine Anhänger von der durch jene Vor-
aussage erregten Erwartung Gelegenheit nehmen, seinen
Leichnam zu stehlen, und ihn sofort für auferstanden aus-
zugeben. Pilatus gewährt ihre Bitte, und so gehen sie hin,
versiegeln den Stein, und stellen die Wache vor das Grab.
Als nun (dieſs muſs hier anticipirt werden) die Auferste-
hung Jesu erfolgte, sezte die mit derselben verbundene
Engelerscheinung die Wächter so in Furcht, daſs sie ὡσεὶ
νεκροὶ wurden, übrigens doch sofort in die Stadt eilten,
und den Hohenpriestern die Anzeige von dem Vorfall mach-
ten. Diese, nachdem sie sich in einer Versammlung darü-

15) Aus einer Verwechslung des dem Richtplaz benachbarten
κῆπος, wo Jesus, nach Johannes, begraben wurde, und des
Gartens Gethsemane, wo er gefangen worden war, scheint
die Angabe des evang. Nicodemi geflossen zu sein, Jesus sei
gekreuzigt worden ἐν τῷ κήπῳ, ὅπου ἐπιάσϑη. C. 9, p. 580.
bei Thilo.
1) Τῇ ῆπαύριον, ἥτις ἐςὶ μετὰ τὴν παρασκευὴν, ist freilich eine
wunderliche Umschreibung des Sabbats, da es eine Verkeh-
rung ist, einen feierlichen Tag als den Tag nach dem Vor-
tag zu bezeichnen: doch muss man bei dieser Deutung blei-
ben, so lange man derselben nicht auf natürlichere Weise,
als Schneckenburger in seiner Chronologie der Leidenswoche,
Beiträge S. 3 ff., auszuweichen weiss.
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[582/0601] Dritter Abschnitt. auch hier der Widerspruch, so scheint im Innern beider entgegengesezten Angaben kein Grund zur Entscheidung für die eine oder andere zu liegen 15). §. 132. Die Wache am Grabe Jesu. Am folgenden Tag, als am Sabbat 1), sollen nun nach Matthäus (27, 62 ff.) die Hohenpriester und Pharisäer bei Pilatus zusammengekommen sein, und ihn, mit Rücksicht auf die Voraussage Jesu, er werde nach dreien Tagen auf- erstehen, gebeten haben, eine Wache an sein Grab zu stel- len, damit nicht seine Anhänger von der durch jene Vor- aussage erregten Erwartung Gelegenheit nehmen, seinen Leichnam zu stehlen, und ihn sofort für auferstanden aus- zugeben. Pilatus gewährt ihre Bitte, und so gehen sie hin, versiegeln den Stein, und stellen die Wache vor das Grab. Als nun (dieſs muſs hier anticipirt werden) die Auferste- hung Jesu erfolgte, sezte die mit derselben verbundene Engelerscheinung die Wächter so in Furcht, daſs sie ὡσεὶ νεκροὶ wurden, übrigens doch sofort in die Stadt eilten, und den Hohenpriestern die Anzeige von dem Vorfall mach- ten. Diese, nachdem sie sich in einer Versammlung darü- 15) Aus einer Verwechslung des dem Richtplaz benachbarten κῆπος, wo Jesus, nach Johannes, begraben wurde, und des Gartens Gethsemane, wo er gefangen worden war, scheint die Angabe des evang. Nicodemi geflossen zu sein, Jesus sei gekreuzigt worden ἐν τῷ κήπῳ, ὅπου ἐπιάσϑη. C. 9, p. 580. bei Thilo. 1) Τῇ ῆπαύριον, ἥτις ἐςὶ μετὰ τὴν παρασκευὴν, ist freilich eine wunderliche Umschreibung des Sabbats, da es eine Verkeh- rung ist, einen feierlichen Tag als den Tag nach dem Vor- tag zu bezeichnen: doch muss man bei dieser Deutung blei- ben, so lange man derselben nicht auf natürlichere Weise, als Schneckenburger in seiner Chronologie der Leidenswoche, Beiträge S. 3 ff., auszuweichen weiss.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/601>, abgerufen am 24.04.2024.