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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Spo
Wenn einige Spondeen nach einander kommen, so
geben sie dem Vers einen langsamen, feyerlichen
Gang. Daher dieser Fuß besonders zum Hexame-
ter, wo der Dichter etwas langsames und majestä-
tisches auch so ausdruken will, sehr dienlich ist. Un-
sre Dichter, welche die griechischen Sylbenmaaße
nachahmen, klagen darüber, daß die deutsche Sprache
wenig recht gute Spondeen hat. Wir können des-
wegen die Majestät des Ganges im Hexameter nicht
so oft in der Vollkommenheit erreichen, wie es die
Alten konnten. Bisweilen brauchen unsre Dichter
die Spondeen da, wo sie Trochäen nöthig hätten;
aber wenn der Spondeus recht rein ist, so macht
dieses doch etwas Anstoß.

Spott.
(Schöne Künste.)

Jch stehe bey mir selbst an, ob ich dieses Wort brau-
chen könne, um das auszudrüken, was das latei-
nisch-griechische Wort Ironia bedeutet; denn es
scheinet, daß der Spott ohne Jronie seyn könne,
und daß die Jronie nicht immer spotte. Jndessen
haben wir für jenen Fall, die Worte auslachen und
böhnen, und das Wort Spaß scheinet das leztere
auszudrüken. Wie dem nun sey, so ist hier von
der Jronie die Rede, die man braucht, um Perso-
nen, oder Sachen lächerlich zu machen: sie besteht
darin, daß man etwas spricht oder thut, das unter
dem unmittelbaren Schein des Beyfalls, oder Lobes,
gerade das Gegentheil bewürket. Cicero speiste bey
einem gewissen Damasippus, der seinen Gästen
ziemlich schlechten und noch jungen und herben Wein
vorsezte. "Trinken sie doch meine Herren, sagte
der Wirth, es ist vierzigjähriger Falerner. Cicero
kostet ihn, und sagt: Jn der That der hat ein ge-
sundes und frisches Alter. (*) Dies ist Spott. Denn
unter dem Schein, das vorgegebene Alter des Wei-
nes zu bestätigen, sagt er gerade das Gegentheil,
um den Wirth desto lächerlicher zu machen.

Der Spott ist demnach eine besondere Art des
Scherzes, der aus Zweydeutigkeit entsteht. Man
giebt Beyfall oder Lob, wo man tadeln will; man
stellt sich ernsthaft, wo man lachen, dumm wo man
wizig seyn will. Er ist aber von vielerley Art, oder
Kraft. Der gemäßigte Spott, der ohne ernstlichere
Absichten blos zur Belustigung dienet, um ernsthaf-
ten Geschäften und Unterredungen etwas fröhliches
zu geben. Er bewürkt blos ein sanftes Lächeln,
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Spo
und warnet die, gegen welche er gerichtet ist, mehr
freundschaftlich, als drohend. Dergleichen mischte
Sokrates sehr häufig in seine Gespräche, in dem
er sich stellte, als ob er denen, die er belehren wollte,
in ihren ganz unrichtigen Begriffen völlig beypflich-
tete. Diesem ist auch die Verstellung ähnlich, die
den Fabulisten und andern Erzählern gewöhnlich ist,
wenn sie ihre Schalkheit und Lust zu tadeln unter
einen Ton der treuherzigen Einfalt versteken, wo-
von man bald in jeder Fabel des La Fontaine Bey-
spiehle findet.

Lustig ist der Spott, wenn man bloß scherzet,
ohne beleidigen zu wollen. Als Cicero seinen Schwie-
gersohn Lentulus, der ein kleiner Mann war, mit
einem großen Degen an der Seite sah, fragte er:
Wer mag meinen Schwiegersohn an dies Schwerdt
angebunden haben?
Ueber solchen Spott, beson-
ders, wenn die Sach etwas übetrieben ist, und
man merkt, daß es auf keine würkliche Beschim-
pfung abgesehen ist, lacht allenfalls der, den er trift,
auch noch mit.

So bald man aber die Absicht hat, würklich zu
beleidigen, Personen und Sachen verächtlich zu ma-
chen, wird der Spott schon beißend, auch wol bitter,
wenn man gewahr wird, daß der Spottende etwas
aufgebracht ist.

Fein ist der Spott, wenn die Verstellung, die
immer bey dem Spottenden ist, höchst natürlich und
wahrscheinlich ist, so daß nur etwas Scharfsinnigere
sie entdeken, oder wenn der Hauptbegriff, darin ei-
gentlich die Zweydeutigkeit liegt, ohne Scharfsinn
nicht zu merken ist. Frostig aber, oder stumpf ist
er, wenn er nicht trift, oder nicht haftet; wenn
das, was man damit lächerlich, oder verächtlich
machen will, es nicht ist, oder sich doch durch den
Spott nicht so zeiget.

Da das blos belustigende Spotten zum Scherz
gehört, von dem wir gesprochen haben; so betrach-
ten wir hier blos den beißenden Spott, der ernstli-
che Absichten hat.

Menschen von einigem Gefühl ist nichts schmerz-
hafter und unerträglicher, als sich verachtet zu sehen.
Wer sich sonst für nichts mehr fürchtet, hat doch
noch Schenh für die Gefahr verachtet, und verlacht
zu werden. Daher ist die Verachtung eine der em-
pfindlichsten Strafen, womit man drohen, oder
würklich züchtigen kann. Jst aber an einem Nar-
ren, oder Böswicht gar nichts mehr zu bessern; so

ist
(*) Bene
fert geta-
tem. Ma-
crob. Sat.
L II. c.
3.
Zweyter Theil. X x x x x x

[Spaltenumbruch]

Spo
Wenn einige Spondeen nach einander kommen, ſo
geben ſie dem Vers einen langſamen, feyerlichen
Gang. Daher dieſer Fuß beſonders zum Hexame-
ter, wo der Dichter etwas langſames und majeſtaͤ-
tiſches auch ſo ausdruken will, ſehr dienlich iſt. Un-
ſre Dichter, welche die griechiſchen Sylbenmaaße
nachahmen, klagen daruͤber, daß die deutſche Sprache
wenig recht gute Spondeen hat. Wir koͤnnen des-
wegen die Majeſtaͤt des Ganges im Hexameter nicht
ſo oft in der Vollkommenheit erreichen, wie es die
Alten konnten. Bisweilen brauchen unſre Dichter
die Spondeen da, wo ſie Trochaͤen noͤthig haͤtten;
aber wenn der Spondeus recht rein iſt, ſo macht
dieſes doch etwas Anſtoß.

Spott.
(Schoͤne Kuͤnſte.)

Jch ſtehe bey mir ſelbſt an, ob ich dieſes Wort brau-
chen koͤnne, um das auszudruͤken, was das latei-
niſch-griechiſche Wort Ironia bedeutet; denn es
ſcheinet, daß der Spott ohne Jronie ſeyn koͤnne,
und daß die Jronie nicht immer ſpotte. Jndeſſen
haben wir fuͤr jenen Fall, die Worte auslachen und
boͤhnen, und das Wort Spaß ſcheinet das leztere
auszudruͤken. Wie dem nun ſey, ſo iſt hier von
der Jronie die Rede, die man braucht, um Perſo-
nen, oder Sachen laͤcherlich zu machen: ſie beſteht
darin, daß man etwas ſpricht oder thut, das unter
dem unmittelbaren Schein des Beyfalls, oder Lobes,
gerade das Gegentheil bewuͤrket. Cicero ſpeiſte bey
einem gewiſſen Damaſippus, der ſeinen Gaͤſten
ziemlich ſchlechten und noch jungen und herben Wein
vorſezte. „Trinken ſie doch meine Herren, ſagte
der Wirth, es iſt vierzigjaͤhriger Falerner. Cicero
koſtet ihn, und ſagt: Jn der That der hat ein ge-
ſundes und friſches Alter. (*) Dies iſt Spott. Denn
unter dem Schein, das vorgegebene Alter des Wei-
nes zu beſtaͤtigen, ſagt er gerade das Gegentheil,
um den Wirth deſto laͤcherlicher zu machen.

Der Spott iſt demnach eine beſondere Art des
Scherzes, der aus Zweydeutigkeit entſteht. Man
giebt Beyfall oder Lob, wo man tadeln will; man
ſtellt ſich ernſthaft, wo man lachen, dumm wo man
wizig ſeyn will. Er iſt aber von vielerley Art, oder
Kraft. Der gemaͤßigte Spott, der ohne ernſtlichere
Abſichten blos zur Beluſtigung dienet, um ernſthaf-
ten Geſchaͤften und Unterredungen etwas froͤhliches
zu geben. Er bewuͤrkt blos ein ſanftes Laͤcheln,
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Spo
und warnet die, gegen welche er gerichtet iſt, mehr
freundſchaftlich, als drohend. Dergleichen miſchte
Sokrates ſehr haͤufig in ſeine Geſpraͤche, in dem
er ſich ſtellte, als ob er denen, die er belehren wollte,
in ihren ganz unrichtigen Begriffen voͤllig beypflich-
tete. Dieſem iſt auch die Verſtellung aͤhnlich, die
den Fabuliſten und andern Erzaͤhlern gewoͤhnlich iſt,
wenn ſie ihre Schalkheit und Luſt zu tadeln unter
einen Ton der treuherzigen Einfalt verſteken, wo-
von man bald in jeder Fabel des La Fontaine Bey-
ſpiehle findet.

Luſtig iſt der Spott, wenn man bloß ſcherzet,
ohne beleidigen zu wollen. Als Cicero ſeinen Schwie-
gerſohn Lentulus, der ein kleiner Mann war, mit
einem großen Degen an der Seite ſah, fragte er:
Wer mag meinen Schwiegerſohn an dies Schwerdt
angebunden haben?
Ueber ſolchen Spott, beſon-
ders, wenn die Sach etwas uͤbetrieben iſt, und
man merkt, daß es auf keine wuͤrkliche Beſchim-
pfung abgeſehen iſt, lacht allenfalls der, den er trift,
auch noch mit.

So bald man aber die Abſicht hat, wuͤrklich zu
beleidigen, Perſonen und Sachen veraͤchtlich zu ma-
chen, wird der Spott ſchon beißend, auch wol bitter,
wenn man gewahr wird, daß der Spottende etwas
aufgebracht iſt.

Fein iſt der Spott, wenn die Verſtellung, die
immer bey dem Spottenden iſt, hoͤchſt natuͤrlich und
wahrſcheinlich iſt, ſo daß nur etwas Scharfſinnigere
ſie entdeken, oder wenn der Hauptbegriff, darin ei-
gentlich die Zweydeutigkeit liegt, ohne Scharfſinn
nicht zu merken iſt. Froſtig aber, oder ſtumpf iſt
er, wenn er nicht trift, oder nicht haftet; wenn
das, was man damit laͤcherlich, oder veraͤchtlich
machen will, es nicht iſt, oder ſich doch durch den
Spott nicht ſo zeiget.

Da das blos beluſtigende Spotten zum Scherz
gehoͤrt, von dem wir geſprochen haben; ſo betrach-
ten wir hier blos den beißenden Spott, der ernſtli-
che Abſichten hat.

Menſchen von einigem Gefuͤhl iſt nichts ſchmerz-
hafter und unertraͤglicher, als ſich verachtet zu ſehen.
Wer ſich ſonſt fuͤr nichts mehr fuͤrchtet, hat doch
noch Schenh fuͤr die Gefahr verachtet, und verlacht
zu werden. Daher iſt die Verachtung eine der em-
pfindlichſten Strafen, womit man drohen, oder
wuͤrklich zuͤchtigen kann. Jſt aber an einem Nar-
ren, oder Boͤswicht gar nichts mehr zu beſſern; ſo

iſt
(*) Bene
fert geta-
tem. Ma-
crob. Sat.
L II. c.
3.
Zweyter Theil. X x x x x x
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[1099[1081]/0528] Spo Spo Wenn einige Spondeen nach einander kommen, ſo geben ſie dem Vers einen langſamen, feyerlichen Gang. Daher dieſer Fuß beſonders zum Hexame- ter, wo der Dichter etwas langſames und majeſtaͤ- tiſches auch ſo ausdruken will, ſehr dienlich iſt. Un- ſre Dichter, welche die griechiſchen Sylbenmaaße nachahmen, klagen daruͤber, daß die deutſche Sprache wenig recht gute Spondeen hat. Wir koͤnnen des- wegen die Majeſtaͤt des Ganges im Hexameter nicht ſo oft in der Vollkommenheit erreichen, wie es die Alten konnten. Bisweilen brauchen unſre Dichter die Spondeen da, wo ſie Trochaͤen noͤthig haͤtten; aber wenn der Spondeus recht rein iſt, ſo macht dieſes doch etwas Anſtoß. Spott. (Schoͤne Kuͤnſte.) Jch ſtehe bey mir ſelbſt an, ob ich dieſes Wort brau- chen koͤnne, um das auszudruͤken, was das latei- niſch-griechiſche Wort Ironia bedeutet; denn es ſcheinet, daß der Spott ohne Jronie ſeyn koͤnne, und daß die Jronie nicht immer ſpotte. Jndeſſen haben wir fuͤr jenen Fall, die Worte auslachen und boͤhnen, und das Wort Spaß ſcheinet das leztere auszudruͤken. Wie dem nun ſey, ſo iſt hier von der Jronie die Rede, die man braucht, um Perſo- nen, oder Sachen laͤcherlich zu machen: ſie beſteht darin, daß man etwas ſpricht oder thut, das unter dem unmittelbaren Schein des Beyfalls, oder Lobes, gerade das Gegentheil bewuͤrket. Cicero ſpeiſte bey einem gewiſſen Damaſippus, der ſeinen Gaͤſten ziemlich ſchlechten und noch jungen und herben Wein vorſezte. „Trinken ſie doch meine Herren, ſagte der Wirth, es iſt vierzigjaͤhriger Falerner. Cicero koſtet ihn, und ſagt: Jn der That der hat ein ge- ſundes und friſches Alter. (*) Dies iſt Spott. Denn unter dem Schein, das vorgegebene Alter des Wei- nes zu beſtaͤtigen, ſagt er gerade das Gegentheil, um den Wirth deſto laͤcherlicher zu machen. Der Spott iſt demnach eine beſondere Art des Scherzes, der aus Zweydeutigkeit entſteht. Man giebt Beyfall oder Lob, wo man tadeln will; man ſtellt ſich ernſthaft, wo man lachen, dumm wo man wizig ſeyn will. Er iſt aber von vielerley Art, oder Kraft. Der gemaͤßigte Spott, der ohne ernſtlichere Abſichten blos zur Beluſtigung dienet, um ernſthaf- ten Geſchaͤften und Unterredungen etwas froͤhliches zu geben. Er bewuͤrkt blos ein ſanftes Laͤcheln, und warnet die, gegen welche er gerichtet iſt, mehr freundſchaftlich, als drohend. Dergleichen miſchte Sokrates ſehr haͤufig in ſeine Geſpraͤche, in dem er ſich ſtellte, als ob er denen, die er belehren wollte, in ihren ganz unrichtigen Begriffen voͤllig beypflich- tete. Dieſem iſt auch die Verſtellung aͤhnlich, die den Fabuliſten und andern Erzaͤhlern gewoͤhnlich iſt, wenn ſie ihre Schalkheit und Luſt zu tadeln unter einen Ton der treuherzigen Einfalt verſteken, wo- von man bald in jeder Fabel des La Fontaine Bey- ſpiehle findet. Luſtig iſt der Spott, wenn man bloß ſcherzet, ohne beleidigen zu wollen. Als Cicero ſeinen Schwie- gerſohn Lentulus, der ein kleiner Mann war, mit einem großen Degen an der Seite ſah, fragte er: Wer mag meinen Schwiegerſohn an dies Schwerdt angebunden haben? Ueber ſolchen Spott, beſon- ders, wenn die Sach etwas uͤbetrieben iſt, und man merkt, daß es auf keine wuͤrkliche Beſchim- pfung abgeſehen iſt, lacht allenfalls der, den er trift, auch noch mit. So bald man aber die Abſicht hat, wuͤrklich zu beleidigen, Perſonen und Sachen veraͤchtlich zu ma- chen, wird der Spott ſchon beißend, auch wol bitter, wenn man gewahr wird, daß der Spottende etwas aufgebracht iſt. Fein iſt der Spott, wenn die Verſtellung, die immer bey dem Spottenden iſt, hoͤchſt natuͤrlich und wahrſcheinlich iſt, ſo daß nur etwas Scharfſinnigere ſie entdeken, oder wenn der Hauptbegriff, darin ei- gentlich die Zweydeutigkeit liegt, ohne Scharfſinn nicht zu merken iſt. Froſtig aber, oder ſtumpf iſt er, wenn er nicht trift, oder nicht haftet; wenn das, was man damit laͤcherlich, oder veraͤchtlich machen will, es nicht iſt, oder ſich doch durch den Spott nicht ſo zeiget. Da das blos beluſtigende Spotten zum Scherz gehoͤrt, von dem wir geſprochen haben; ſo betrach- ten wir hier blos den beißenden Spott, der ernſtli- che Abſichten hat. Menſchen von einigem Gefuͤhl iſt nichts ſchmerz- hafter und unertraͤglicher, als ſich verachtet zu ſehen. Wer ſich ſonſt fuͤr nichts mehr fuͤrchtet, hat doch noch Schenh fuͤr die Gefahr verachtet, und verlacht zu werden. Daher iſt die Verachtung eine der em- pfindlichſten Strafen, womit man drohen, oder wuͤrklich zuͤchtigen kann. Jſt aber an einem Nar- ren, oder Boͤswicht gar nichts mehr zu beſſern; ſo iſt (*) Bene fert geta- tem. Ma- crob. Sat. L II. c. 3. Zweyter Theil. X x x x x x

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1099[1081]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/528>, abgerufen am 28.03.2024.