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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Die Kalkerde.
zieht. Wenn sie mit Säuren vermischt wird, so wird sie schnell zersetzt, unter
Entwickelung vieler gasförmigen Hydronthionsäure, und man ahmt auf die Weise
die natürlichen Schwefelbäder durch die Kunst sehr gut nach.

§. 70.

Phosphorkalk.Auch mit dem Phosphor läßt sich der Kalk in der Hitze durch Zusammenschmel-
zen vereinigen. Es entsteht eine bräunliche Masse, die man Phosphorkalk nennt,
und welche das Wasser noch heftiger zersetzt, als der Schwefelkalk. Dabei er-
zeugt sich viel gephosphortes Hydrogengas, welches zum Theil entweicht, und sich
gleich entzündet, zum Theil vom Kalk zurückgehalten wird, und erst durch Säure
aus demselben ausgetrieben werden kann.

§. 71.

Verbindung
mit den flüch-
tigen Stoffen.
Mit dem reinen Hydrogen, Azot und Kohlenstoff geht, so weit unsere Er-
fahrung reicht, der Kalk keine Verbindung ein. Aber es ist keinem Zweifel un-
terworfen, daß er sich mit diesen Stoffen vereinige, wenn sie vermischt sind, und
daß er sich mit dem hydrogenisirten Kohlenstoff, mit dem azothaltigen und mit dem
mit Hydrogen und Azot zugleich verbundenen vereinigen könne. Hieraus läßt
es sich erklären, wie alle organische Körper von dem gebrannten Kalke angegriffen
und zerstört werden. Sie verlieren, wenn sie mit Kalk zusammengeschüttelt wer-
den, ihren Zusammenhang, ihre Farbe, und zerfallen in eine krümliche Masse.
Zerstörende
Wirkung auf
organische
Materie.
Mit Kalk bedeckte Leichname verwesen schnell, ohne die üblen Dünste auszustoßen,
welche unter andern Umständen ihre Fäulniß begleiten; weshalb man Körper,
die an ansteckenden Seuchen starben, in Kalk verscharrt. Selbst der lebende
Organismus wird durch den gebrannten Kalk angegriffen. Kränkelnde Pflanzen
und Samenkörner, Insekten und Insektenlarven, werden durch ihn getödtet.
Diese Erscheinungen, welche der Kalk, wie die Alkalien hervorbringt, beweisen
seine Verbindungsfähigkeit mit den Urstoffen der organischen Natur, dem Hydro-
gen, Kohlenstoff und Azote genugsam. Denn es läßt sich nicht denken, daß eine
Substanz, die auf eine solche ausgezeichnete Art auf die organischen Körper
wirkt, sich gleichgültig gegen ihre Elemente verhalten sollte. Wir müssen viel-
mehr annehmen, daß der Kalk einige derselben, in einem gewissen Verhältnisse
vermischt, anzuziehen strebe, sich mit ihnen verbinde, und so das Gleichgewicht
der ganzen Mischung aufhebe.


Die Kalkerde.
zieht. Wenn ſie mit Saͤuren vermiſcht wird, ſo wird ſie ſchnell zerſetzt, unter
Entwickelung vieler gasfoͤrmigen Hydronthionſaͤure, und man ahmt auf die Weiſe
die natuͤrlichen Schwefelbaͤder durch die Kunſt ſehr gut nach.

§. 70.

Phosphorkalk.Auch mit dem Phosphor laͤßt ſich der Kalk in der Hitze durch Zuſammenſchmel-
zen vereinigen. Es entſteht eine braͤunliche Maſſe, die man Phosphorkalk nennt,
und welche das Waſſer noch heftiger zerſetzt, als der Schwefelkalk. Dabei er-
zeugt ſich viel gephosphortes Hydrogengas, welches zum Theil entweicht, und ſich
gleich entzuͤndet, zum Theil vom Kalk zuruͤckgehalten wird, und erſt durch Saͤure
aus demſelben ausgetrieben werden kann.

§. 71.

Verbindung
mit den fluͤch-
tigen Stoffen.
Mit dem reinen Hydrogen, Azot und Kohlenſtoff geht, ſo weit unſere Er-
fahrung reicht, der Kalk keine Verbindung ein. Aber es iſt keinem Zweifel un-
terworfen, daß er ſich mit dieſen Stoffen vereinige, wenn ſie vermiſcht ſind, und
daß er ſich mit dem hydrogeniſirten Kohlenſtoff, mit dem azothaltigen und mit dem
mit Hydrogen und Azot zugleich verbundenen vereinigen koͤnne. Hieraus laͤßt
es ſich erklaͤren, wie alle organiſche Koͤrper von dem gebrannten Kalke angegriffen
und zerſtoͤrt werden. Sie verlieren, wenn ſie mit Kalk zuſammengeſchuͤttelt wer-
den, ihren Zuſammenhang, ihre Farbe, und zerfallen in eine kruͤmliche Maſſe.
Zerſtoͤrende
Wirkung auf
organiſche
Materie.
Mit Kalk bedeckte Leichname verweſen ſchnell, ohne die uͤblen Duͤnſte auszuſtoßen,
welche unter andern Umſtaͤnden ihre Faͤulniß begleiten; weshalb man Koͤrper,
die an anſteckenden Seuchen ſtarben, in Kalk verſcharrt. Selbſt der lebende
Organismus wird durch den gebrannten Kalk angegriffen. Kraͤnkelnde Pflanzen
und Samenkoͤrner, Inſekten und Inſektenlarven, werden durch ihn getoͤdtet.
Dieſe Erſcheinungen, welche der Kalk, wie die Alkalien hervorbringt, beweiſen
ſeine Verbindungsfaͤhigkeit mit den Urſtoffen der organiſchen Natur, dem Hydro-
gen, Kohlenſtoff und Azote genugſam. Denn es laͤßt ſich nicht denken, daß eine
Subſtanz, die auf eine ſolche ausgezeichnete Art auf die organiſchen Koͤrper
wirkt, ſich gleichguͤltig gegen ihre Elemente verhalten ſollte. Wir muͤſſen viel-
mehr annehmen, daß der Kalk einige derſelben, in einem gewiſſen Verhaͤltniſſe
vermiſcht, anzuziehen ſtrebe, ſich mit ihnen verbinde, und ſo das Gleichgewicht
der ganzen Miſchung aufhebe.


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[84/0128] Die Kalkerde. zieht. Wenn ſie mit Saͤuren vermiſcht wird, ſo wird ſie ſchnell zerſetzt, unter Entwickelung vieler gasfoͤrmigen Hydronthionſaͤure, und man ahmt auf die Weiſe die natuͤrlichen Schwefelbaͤder durch die Kunſt ſehr gut nach. §. 70. Auch mit dem Phosphor laͤßt ſich der Kalk in der Hitze durch Zuſammenſchmel- zen vereinigen. Es entſteht eine braͤunliche Maſſe, die man Phosphorkalk nennt, und welche das Waſſer noch heftiger zerſetzt, als der Schwefelkalk. Dabei er- zeugt ſich viel gephosphortes Hydrogengas, welches zum Theil entweicht, und ſich gleich entzuͤndet, zum Theil vom Kalk zuruͤckgehalten wird, und erſt durch Saͤure aus demſelben ausgetrieben werden kann. Phosphorkalk. §. 71. Mit dem reinen Hydrogen, Azot und Kohlenſtoff geht, ſo weit unſere Er- fahrung reicht, der Kalk keine Verbindung ein. Aber es iſt keinem Zweifel un- terworfen, daß er ſich mit dieſen Stoffen vereinige, wenn ſie vermiſcht ſind, und daß er ſich mit dem hydrogeniſirten Kohlenſtoff, mit dem azothaltigen und mit dem mit Hydrogen und Azot zugleich verbundenen vereinigen koͤnne. Hieraus laͤßt es ſich erklaͤren, wie alle organiſche Koͤrper von dem gebrannten Kalke angegriffen und zerſtoͤrt werden. Sie verlieren, wenn ſie mit Kalk zuſammengeſchuͤttelt wer- den, ihren Zuſammenhang, ihre Farbe, und zerfallen in eine kruͤmliche Maſſe. Mit Kalk bedeckte Leichname verweſen ſchnell, ohne die uͤblen Duͤnſte auszuſtoßen, welche unter andern Umſtaͤnden ihre Faͤulniß begleiten; weshalb man Koͤrper, die an anſteckenden Seuchen ſtarben, in Kalk verſcharrt. Selbſt der lebende Organismus wird durch den gebrannten Kalk angegriffen. Kraͤnkelnde Pflanzen und Samenkoͤrner, Inſekten und Inſektenlarven, werden durch ihn getoͤdtet. Dieſe Erſcheinungen, welche der Kalk, wie die Alkalien hervorbringt, beweiſen ſeine Verbindungsfaͤhigkeit mit den Urſtoffen der organiſchen Natur, dem Hydro- gen, Kohlenſtoff und Azote genugſam. Denn es laͤßt ſich nicht denken, daß eine Subſtanz, die auf eine ſolche ausgezeichnete Art auf die organiſchen Koͤrper wirkt, ſich gleichguͤltig gegen ihre Elemente verhalten ſollte. Wir muͤſſen viel- mehr annehmen, daß der Kalk einige derſelben, in einem gewiſſen Verhaͤltniſſe vermiſcht, anzuziehen ſtrebe, ſich mit ihnen verbinde, und ſo das Gleichgewicht der ganzen Miſchung aufhebe. Verbindung mit den fluͤch- tigen Stoffen. Zerſtoͤrende Wirkung auf organiſche Materie.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/128>, abgerufen am 29.03.2024.