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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Mineralische Düngungsmittel.
empirischen Begriffen beruhen. Auf eine rationelle Weise läßt sich bis jetzt noch
nicht mehr darüber sagen, als in dem Vorstehenden gelegentlich angedeutet ist, weil
es uns noch an bestimmten Erfahrungen und genauen Versuchen fehlt. Indessen
dürfen wir hoffen, daß bei einer mehr rationellen Ansicht und dahin gerichteter
Aufmerksamkeit sich solcher rationellen Erfahrungen (sit venia verbo) bald mehrere
ergeben werden, damit wir durch den Gebrauch aller in Händen habenden Mittel die
Kräfte und Stoffe der Natur aufs Beste benutzen, und zu ihrem höchsten Zwecke
-- Vermehrung des Lebens und des Lebensgenusses -- verwenden lernen.

In wiefern auch besondere Düngungsmittel gewissen Pflanzen zusagen, und die-
sen in Hinsicht der Quantität ihrer Produktion sowohl als ihrer gewünschten Quali-
täten besonders zuträglich sind, darüber dürfen wir bald mehrere Erfahrungen erwar-
ten, nachdem Nau, Reissert und Seitz, Annal. des Ackerbaues, Bd. IX., S. 210.,
die Bahn hierzu gebrochen haben. Was darüber bisher bemerkt worden, wird in
der Lehre von der Produktion einzelner Früchte vorgetragen werden.

§. 98.

Der Landwirth, dem die ungewöhnlichsten Düngungsmittel zu Gebote stehen,
und der sie gehörig zu gebrauchen weiß, wird von manchen Regeln, die ein ande-
rer, der sie nicht vortheilhaft erhalten und anwenden kann, beobachten muß, abge-
hen können. Er kann mit ihrer Hülfe ein anderes Feldsystem, eine andere Frucht-
folge, eine sogenannte freie Wirthschaft betreiben, welche seinen übrigen Verhält-
nissen angemessener ist, als die, welche er ohne solche nicht selbst producirte Düngungs-
mittel befolgen müßte. Reicher Modder macht einen Theil der Mistdüngung und
dann vielleicht des Futterbaus entbehrlich, -- durch Gyps wird auch bei flacher Be-
ackerung dem natürlich reichen Boden die Kraft Klee zu produciren länger erhal-
ten -- des städtischen Düngers und der Abfälle von Manufakturen nicht zu ge-
genken.

Dagegen muß man sich aber nicht verleiten lassen, das Verfahren derjenigen,
die solche Düngungsmittel reichlich anwenden, und einen glänzenden Erfolg dar-
stellen, den sie nicht selten anderen Proceduren beimessen -- zur Norm zu nehmen,
wenn man ihnen im Gebrauch dieser Düngungsmittel nicht nachahmen kann.



Mineraliſche Duͤngungsmittel.
empiriſchen Begriffen beruhen. Auf eine rationelle Weiſe laͤßt ſich bis jetzt noch
nicht mehr daruͤber ſagen, als in dem Vorſtehenden gelegentlich angedeutet iſt, weil
es uns noch an beſtimmten Erfahrungen und genauen Verſuchen fehlt. Indeſſen
duͤrfen wir hoffen, daß bei einer mehr rationellen Anſicht und dahin gerichteter
Aufmerkſamkeit ſich ſolcher rationellen Erfahrungen (sit venia verbo) bald mehrere
ergeben werden, damit wir durch den Gebrauch aller in Haͤnden habenden Mittel die
Kraͤfte und Stoffe der Natur aufs Beſte benutzen, und zu ihrem hoͤchſten Zwecke
— Vermehrung des Lebens und des Lebensgenuſſes — verwenden lernen.

In wiefern auch beſondere Duͤngungsmittel gewiſſen Pflanzen zuſagen, und die-
ſen in Hinſicht der Quantitaͤt ihrer Produktion ſowohl als ihrer gewuͤnſchten Quali-
taͤten beſonders zutraͤglich ſind, daruͤber duͤrfen wir bald mehrere Erfahrungen erwar-
ten, nachdem Nau, Reiſſert und Seitz, Annal. des Ackerbaues, Bd. IX., S. 210.,
die Bahn hierzu gebrochen haben. Was daruͤber bisher bemerkt worden, wird in
der Lehre von der Produktion einzelner Fruͤchte vorgetragen werden.

§. 98.

Der Landwirth, dem die ungewoͤhnlichſten Duͤngungsmittel zu Gebote ſtehen,
und der ſie gehoͤrig zu gebrauchen weiß, wird von manchen Regeln, die ein ande-
rer, der ſie nicht vortheilhaft erhalten und anwenden kann, beobachten muß, abge-
hen koͤnnen. Er kann mit ihrer Huͤlfe ein anderes Feldſyſtem, eine andere Frucht-
folge, eine ſogenannte freie Wirthſchaft betreiben, welche ſeinen uͤbrigen Verhaͤlt-
niſſen angemeſſener iſt, als die, welche er ohne ſolche nicht ſelbſt producirte Duͤngungs-
mittel befolgen muͤßte. Reicher Modder macht einen Theil der Miſtduͤngung und
dann vielleicht des Futterbaus entbehrlich, — durch Gyps wird auch bei flacher Be-
ackerung dem natuͤrlich reichen Boden die Kraft Klee zu produciren laͤnger erhal-
ten — des ſtaͤdtiſchen Duͤngers und der Abfaͤlle von Manufakturen nicht zu ge-
genken.

Dagegen muß man ſich aber nicht verleiten laſſen, das Verfahren derjenigen,
die ſolche Duͤngungsmittel reichlich anwenden, und einen glaͤnzenden Erfolg dar-
ſtellen, den ſie nicht ſelten anderen Proceduren beimeſſen — zur Norm zu nehmen,
wenn man ihnen im Gebrauch dieſer Duͤngungsmittel nicht nachahmen kann.



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[272/0320] Mineraliſche Duͤngungsmittel. empiriſchen Begriffen beruhen. Auf eine rationelle Weiſe laͤßt ſich bis jetzt noch nicht mehr daruͤber ſagen, als in dem Vorſtehenden gelegentlich angedeutet iſt, weil es uns noch an beſtimmten Erfahrungen und genauen Verſuchen fehlt. Indeſſen duͤrfen wir hoffen, daß bei einer mehr rationellen Anſicht und dahin gerichteter Aufmerkſamkeit ſich ſolcher rationellen Erfahrungen (sit venia verbo) bald mehrere ergeben werden, damit wir durch den Gebrauch aller in Haͤnden habenden Mittel die Kraͤfte und Stoffe der Natur aufs Beſte benutzen, und zu ihrem hoͤchſten Zwecke — Vermehrung des Lebens und des Lebensgenuſſes — verwenden lernen. In wiefern auch beſondere Duͤngungsmittel gewiſſen Pflanzen zuſagen, und die- ſen in Hinſicht der Quantitaͤt ihrer Produktion ſowohl als ihrer gewuͤnſchten Quali- taͤten beſonders zutraͤglich ſind, daruͤber duͤrfen wir bald mehrere Erfahrungen erwar- ten, nachdem Nau, Reiſſert und Seitz, Annal. des Ackerbaues, Bd. IX., S. 210., die Bahn hierzu gebrochen haben. Was daruͤber bisher bemerkt worden, wird in der Lehre von der Produktion einzelner Fruͤchte vorgetragen werden. §. 98. Der Landwirth, dem die ungewoͤhnlichſten Duͤngungsmittel zu Gebote ſtehen, und der ſie gehoͤrig zu gebrauchen weiß, wird von manchen Regeln, die ein ande- rer, der ſie nicht vortheilhaft erhalten und anwenden kann, beobachten muß, abge- hen koͤnnen. Er kann mit ihrer Huͤlfe ein anderes Feldſyſtem, eine andere Frucht- folge, eine ſogenannte freie Wirthſchaft betreiben, welche ſeinen uͤbrigen Verhaͤlt- niſſen angemeſſener iſt, als die, welche er ohne ſolche nicht ſelbſt producirte Duͤngungs- mittel befolgen muͤßte. Reicher Modder macht einen Theil der Miſtduͤngung und dann vielleicht des Futterbaus entbehrlich, — durch Gyps wird auch bei flacher Be- ackerung dem natuͤrlich reichen Boden die Kraft Klee zu produciren laͤnger erhal- ten — des ſtaͤdtiſchen Duͤngers und der Abfaͤlle von Manufakturen nicht zu ge- genken. Dagegen muß man ſich aber nicht verleiten laſſen, das Verfahren derjenigen, die ſolche Duͤngungsmittel reichlich anwenden, und einen glaͤnzenden Erfolg dar- ſtellen, den ſie nicht ſelten anderen Proceduren beimeſſen — zur Norm zu nehmen, wenn man ihnen im Gebrauch dieſer Duͤngungsmittel nicht nachahmen kann.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/320>, abgerufen am 19.04.2024.